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Augsburg: Historisches Augsburger Haus und seine Mieter müssen einem Neubau weichen

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Historisches Augsburger Haus und seine Mieter müssen einem Neubau weichen

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    Dieses historische Mietshaus in der Gärtnerstraße soll abgerissen werden. An seiner Stelle ist ein Neubau geplant.
    Dieses historische Mietshaus in der Gärtnerstraße soll abgerissen werden. An seiner Stelle ist ein Neubau geplant. Foto: Annette Zoepf

    Immer wenn Christine Wilholm an dem großen alten Mietshaus in der Gärtnerstraße vorbeikommt, in dem sie früher wohnte, wird sie traurig. Im Dach des Altbaus klaffen jetzt große Löcher, alle Mieter mussten ausziehen, ihr heiß geliebter Gemeinschaftsgarten hinterm Haus ist weg. "Der Anblick tut weh", sagt die Augsburgerin. Auch der Gedanke, dass dieses historische Gebäude abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden soll, ist für sie schmerzhaft.

    Stadträtin Christine Wilholm hat lange in dem Gebäude gewohnt und es dort sehr schön gefunden.
    Stadträtin Christine Wilholm hat lange in dem Gebäude gewohnt und es dort sehr schön gefunden. Foto: Silvio Wyszengrad

    Der Altbau mit der Hausnummer 24/26 war lange in Familienbesitz und wurde schließlich verkauft. Die Immobilie wird nun von der Firma Schäfer neu entwickelt. Anfangs habe es Planspiele gegeben, das bestehende Gebäude zu sanieren und zu erweitern, bestätigt Architekt Stefan Tauber. Von diesen Überlegungen sei man abgekommen. Dirk

    Neubaupläne sorgen für Diskussionen

    Die Neubaupläne an der Gärtnerstraße sorgen allerdings für Diskussionen. Denn der Altbau steht an einer städtebaulich sensiblen Stelle: Schräg gegenüber an der Friedberger Straße ist die frühere Schülesche Kattunfabrik. Das Baudenkmal mit der schlossartigen Fassade gehört heute zum Campus der Hochschule. Nebenan fließt der Kaufbach vorbei. Der Stadtkanal hat an dieser Stelle eine historische Pferdeschwemme. Oben an der Straße erinnert daran ein Standbild mit einem steinernen Ross. Verschiedene Fachleute pochen nun darauf, dass auf dieses Umfeld Rücksicht genommen werden müsse. Der zunächst geplante Baukörper mit sechs Stockwerken sei zu massiv und passe nicht in die Umgebung.

    Wie die Stadt auf Anfrage mitteilt, wurde das Vorhaben im September im Bauausschuss zur Ablehnung vorgestellt. Eine geänderte Planung liege dem Bauordnungsamt noch nicht zur Beurteilung vor. Aus datenschutzrechtlichen Gründen will man keine Details nennen. Allgemein teilt die Stadt jedoch mit: "Die Nähe des Bauvorhabens zum Baudenkmal Schülesche Kattunfabrik und zu den in die bayerische Denkmalliste eingetragenen Kanälen Wolfsbach und Kaufbach führte zu einer denkmalpflegerischen Beurteilung durch das bayerische Landesamt für Denkmalpflege auf der Grundlage des bayerischen Denkmalschutzgesetzes." Das Tiefbauamt fordere zudem eine freigehaltene Zone von fünf Metern Breite entlang der Gewässer aus Sicherheits- und Unterhaltsgründen.

    "Hochschulschloss" wird heute dieser denkmalgeschützte Überrest der früheren Schüleschen Kattunfabrik an der Friedberger Straße genannt. Er gehört zur Hochschule.
    "Hochschulschloss" wird heute dieser denkmalgeschützte Überrest der früheren Schüleschen Kattunfabrik an der Friedberger Straße genannt. Er gehört zur Hochschule. Foto: Peter Fastl

    Dirk Schäfer betont, beim Projekt "Wohnen hoch 1" sei inzwischen umgeplant worden: Der Baukörper werde aufgelockert, sodass er sich besser ins vorhandene Stadtbild fügt. Am Kaufbach entlang sei nun keine Bebauung mehr vorgesehen, sondern überwiegend Grünfläche. Auch auf das Baudenkmal gegenüber habe man Rücksicht genommen. "Wir sind in einem positiven Dialog mit der Stadtplanung." Sollte es nun mit der Baugenehmigung klappen, will die Immobilienfirma im Anschluss den Abriss des Altbaus angehen. Nach Angaben der Stadt steht das Gebäude nicht unter Denkmalschutz. Der Abbruch muss lediglich mitgeteilt werden. Öffentlich-rechtliche Gründe, den Abbruch zu versagen, seien nicht ersichtlich.

    Stadt sieht keinen Spielraum für Erhaltungssatzung

    Stadträtin Christine Kamm (Grüne) ist trotzdem schlecht auf das Projekt zu sprechen. "Es ist bedauerlich, dass der schöne, stimmige Altbau verschwinden soll", kritisiert sie. Damit gehe der Charakter der Gärtnerstraße noch mehr verloren. Das alte Mietshaus wurde Anfang der 1920er-Jahre von der Stadt für Beamtenwohnungen errichtet. Nach Recherchen des Augsburger Architekturhistorikers Gregor Nagler wurde es vermutlich vom bekannten Architekten Otto Holzer erbaut, von dem mehrere bedeutende Bauten in Augsburg stammen. Städtebaulich bilde das Haus mit dem Kopfbau der ehemaligen Schüleschen Fabrik eine sehr schöne Situation.

    Damit steht eine andere Frage im Raum: Wäre die Gärtnerstraße ein neuer Fall für die Stadt, um den Abbruch des Altbaus mit einer Erhaltungssatzung zu verhindern – so wie zuletzt bei einer alten Villa im Bismarckviertel? Nagler meint, das ginge vielleicht für einen größeren Bereich mit der gesamten Gärtnerstraße, dem Caritasweg und der Remboldstraße. Im Stadtplanungsamt sieht man das anders: Erhaltungssatzungen könnten nur für Quartiere aufgestellt und begründet werden, in denen ein schützenswertes einheitliches Stadtbild vorhanden sei, das sich durch charakteristische Merkmale auszeichne. Entlang der Gärtnerstraße gebe es zwar noch eine Reihe schöner gründerzeitlicher Wohnhäuser, allerdings auch Neubauten aus jüngerer Zeit. In solchen gemischten Gebieten sei eine Erhaltungssatzung nicht zielführend.

    Im Dach des leer stehenden Mietshauses an der  Gärtnerstraße 24/26 klaffen jetzt große Löcher.
    Im Dach des leer stehenden Mietshauses an der Gärtnerstraße 24/26 klaffen jetzt große Löcher. Foto: Annette Zoepf

    Stadträtin Kamm verweist darauf, dass immer mehr typische alte Gebäude im Zuge des Baubooms verloren gehen, weil sie nicht geschützt seien. Sie hätte es lohnenswert gefunden, das historische Haus zu erhalten, auch bei einem hohen Sanierungsaufwand. Nun seien aber große Löcher im Dach, die "offensichtlich mutwillig" zugefügt worden seien. Das Gebäude sei zudem "entmietet" worden. Früher lebten dort mehr als 30 Mieterinnen und Mieter, darunter Studenten, Alleinerziehende mit Kindern und Berufstätige mit geringen Einkommen. Auch Linken-Stadträtin Wilholm wohnte mit ihrem Mann rund sieben Jahre in dem Altbau. Sie sagt: "Es war eine schöne Hausgemeinschaft." Erst als das Haus verkauft wurde, kündigte sie und zog aus. Was sie ärgert: Es hätte auch Kaufinteressierte gegeben, die mit den Bewohnerinnen und Bewohnern darin saniert hätten, die nicht zum Zug kamen. "Aber am Ende geht es nur um den Reibach", sagt sie.

    So sah der Gemeinschaftsgarten des Mietshauses in der Gärtnerstraße früher aus.
    So sah der Gemeinschaftsgarten des Mietshauses in der Gärtnerstraße früher aus. Foto: Christine Wilholm

    Dem Vorwurf der Entmietung widerspricht Dirk Schäfer vehement. Er habe mit jedem einzelnen Mieter und jeder Mieterin geredet und Aufhebungsverträge geschlossen, in denen auch die jeweilige soziale Situation abgefedert worden sei. "Es hat keinen einzigen Rechtsstreit mit den Mietern gegeben", sagt er. Die neuen großen Löcher im Dach begründet er damit, dass man Müll nach unten entsorgt habe. Im Übrigen werde der Altbau ohnehin abgerissen. Schäfer ist überzeugt, dass ein Neubau an dieser Stelle die richtige Lösung ist. Mit diesem Projekt schaffe er nicht nur zeitgemäßen Wohnraum. Bei dem Vorhaben werde man auch mit Handwerkern aus der Region zusammenarbeiten. Unterm Strich müsse er als Geschäftsmann auch auf Wirtschaftlichkeit achten.

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