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Augsburg: Hilfe für Suchtkranke: So läuft es nach drei Jahren im "BeTreff"

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Hilfe für Suchtkranke: So läuft es nach drei Jahren im "BeTreff"

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    Gerhard und Nadine kommen fast täglich in den BeTreff in Augsburg-Oberhausen, um dort die Angebote wahrzunehmen.
    Gerhard und Nadine kommen fast täglich in den BeTreff in Augsburg-Oberhausen, um dort die Angebote wahrzunehmen. Foto: Anna Katharina Schmid

    Als am 15. Juni 2018 der betreute Treff für Menschen in sozialen Schwierigkeiten am Oberhauser Bahnhof öffnete, waren nicht nur viele Nachbarn skeptisch, was ein Hilfsangebot für Suchtkranke für das Viertel bedeutet. Drei Jahre später sind sich fast alle Beteiligten einig: Der "BeTreff" ist aus dem Oberhauser Kiez nicht mehr wegzudenken.

    Das Konzept des Treffs ist so einzigartig, dass er behördenintern einen ziemlich komplizierten Namen bekommen hat. Heißen die meisten Hilfsangebote für Suchtkranke schlicht "Kontaktladen", ist am Helmut-Haller-Platz ein "alternatives Aufenthaltsangebot für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten" entstanden, erklärt Katrin Wimmer von der Drogenhilfe, die gemeinsam mit SKM-Kollegin Carina Huber den BeTreff vom ersten Tag an vor Ort betreut.

    Was das Konzept des BeTreff von anderen Einrichtungen abhebt, ist, dass dort Alkohol konsumiert werden darf - üblicherweise ein "No-Go" in fast allen Einrichtungen. Außerdem bedient der BeTreff zwei Zielgruppen, die sich naturgemäß stark überschneiden: Suchtkranke und obdachlose Menschen. Auch das ist nicht üblich. "Wir hatten in letzter Zeit Besucher unter anderem aus München und aus Nürnberg, die sich unser Projekt angeschaut haben, um es vielleicht in ihren Städten umzusetzen, berichtet Wimmer, und schaut dabei recht zufrieden aus. Denn bis der BeTreff in direkter Nachbarschaft zum Oberhauser Bahnhof mit seiner Drogenszene entstehen konnte, waren einige Skeptiker zu überzeugen.

    Im Vorfeld war lange über mögliche Auswirkungen debattiert worden

    Im Vorfeld war lange debattiert worden: Um den Standort, um mögliche Auswirkungen für Anwohner, um die Frage, ob die Einrichtung als Magnet für auswärtige Suchtkranke dienen könnte. Die Stadt mit dem damaligen Ordnungsreferenten Dirk Wurm (SPD) führte unzählige Gespräche - in Bürgerveranstaltungen, aber auch zum Teil an der Haustüre, wie sich Beteiligte erinnern. Als man schließlich genügend Rückhalt im Stadtteil hatte, wagte man das Experiment.

    Im BeTreff bekommen die Suchtkranken nicht nur frische Spritzen und "Safer-Use-Tipps", also Anleitungen, wie man trotz Drogensucht gesund bleibt. Der Treff bietet eine Aufenthaltsmöglichkeit, es gibt Kaffee, etwas zu essen, Hygieneartikel, Kleiderspenden und Tierfutter. Obdachlose Besucher können hier duschen, gelegentlich schaut auch eine Friseurin oder Nagelpflegerin vorbei. Vor allem aber gibt es die Sozialarbeiter, die ihre Klientel bei Behördengängen unterstützten, mit ihnen Formulare ausfüllen oder sich auch einfach nur die Sorgen anhören. Und das bis zu 90-mal am Tag. Mittlerweile gibt es auch ein Netz von Ehrenamtlichen, die Kleiderspenden bringen oder auch mal ein warmes Essen kochen.

    Hin und wieder retten die Mitarbeiter dort sogar Leben, weil sie ausgebildet sind, eine Überdosis zu erkennen und zu behandeln, erzählt Katrin Wimmer. "Es kommt immer wieder vor, dass wir geholt werden, weil jemand zusammengebrochen ist", sagt sie. Erst vor Kurzem sei ein Klient kollabiert und habe sich auf der Toilette nicht mehr gerührt. "Wir haben für solche Fälle Naloxon hier, das wir mit einem Nasenapplikator ganz leicht verabreichen können", so die Sozialarbeiterin. Diese schnelle Hilfe entscheide oftmals über Leben und Tod.

    Wichtige Funktion über den unmittelbaren Bereich hinaus

    Rund 280.000 Euro kostet der Kontaktladen jedes Jahr, sagt Augsburgs Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne). Geld, das gut angelegt sei. Der BeTreff habe eine wichtige Funktion im Stadtteil - über den Oberhauser Bahnhof und den Helmut-Haller-Platz hinaus, betonte er anlässlich einer kleinen Feier zum dritten Geburtstag der Einrichtung. Die Entscheidung für das Angebot sei gut und richtig gewesen, so der Referent.

    Das bestätigen auch die Besucher der Kontakteinrichtung. "Der BeTreff ist wahnsinnig wichtig für mich, ich hole mir etwas zum Essen, Spritzen oder auch mal eine Streifenkarte", sagt etwa die heroinabhängige Nadine. Als sie noch keine Wohnung hatte, nahmen die Mitarbeiter dort auch ihre Post entgegen, berichtet die junge Frau. "Ich geh so gut wie jeden Tag hierher und wüsste nicht, was ich ohne den BeTreff tun soll."

    Ein Blick in den Aufenthaltsraum des BeTreffs.
    Ein Blick in den Aufenthaltsraum des BeTreffs. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Dass die Verantwortlichen der Stadt ebenso wie die Bevölkerung hinter dem BeTreff stehen, ist für das Projekt gerade entscheidend. Denn das Angebot ist bislang auf drei Jahre befristet - Ende des Jahres muss der Stadtrat entscheiden, ob er es weiterführen oder einstellen möchte. Eine unangenehme Hängepartie für die Mitarbeiter, wie Carina Huber berichtet. "Es hängen ja doch einige Arbeitsplätze an der Einrichtung und wir hoffen alle sehr, dass es weiter geht", sagt sie.

    Oberhauser, wie der ehemalige Stadtrat Dieter Benkard (SPD), setzen sich vehement für die weitere Finanzierung der Einrichtung ein. "Die Gelder müssen unbedingt weiter fließen und auch der Mietvertrag muss verlängert werden", plädiert er. Die Einrichtung sei für den Stadtteil enorm wichtig, findet er.

    Auch die meisten Nachbarn stehen hinter dem BeTreff

    Auch Nachbarn, die im Vorfeld skeptisch waren, stehen mittlerweile hinter dem BeTreff. "Als während Corona ein paar Tage zu war, hat man erst mal gesehen, welche Arbeit dort geleistet wird", sagt etwa Gerhard Ries, der aus seinem Wohnzimmerfenster täglich auf die Süchtigenszene schaut. Der Treff bringe Ruhe in die Szene und kanalisiere sie auch, glaubt er. "Natürlich ist es immer noch ekelhaft, wenn die Burschen in die Hecke pinkeln und dann alles stinkt", sagt er mit Blick auf die Szene. Aber die Mitarbeiter des BeTreffs täten viel, damit Anwohner und Süchtige gut miteinander auskommen können.

    Katrin Wimmer hofft, dass das die Stadträte ebenso sehen werden. "Die Menschen hier brauchen einen Platz. Eine Suchterkrankung ist ein gesellschaftliches Problem, um das sich die Gesellschaft kümmern muss", sagt sie.

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