„Wenn ich ein Stückchen Schokolade esse, nehme ich ein Kilo zu.“ Gerade junge Mädchen glauben das, auch wenn es nicht stimmt. Sie wollen gut aussehen, vor den Freunden toll da stehen und meinen, dazu möglichst schlank sein zu müssen. Irgendwann kann der Ehrgeiz abzunehmen in einen Teufelskreis führen: zur Magersucht. Für betroffene Mädchen hat das Frère-Roger-Kinderzentrum der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) in Augsburg eine Wohngruppe in Betrieb genommen. Es ist die Erste ihrer Art in Schwaben.
Ein Drittel aller Jugendlichen isst nicht normal
Etwa ein Drittel aller Jugendlichen hat Probleme mit dem Essen, vor allem Mädchen und junge Frauen. Diplompsychologe Rupert Müller betreut am Josefinum viele dieser Patientinnen, mit denen er zum Teil ambulant in Kontakt kommt. Hat ein Mädchen jedoch so sehr abgenommen, dass es weit unter das Normalgewicht gefallen ist, muss es gegebenenfalls gleich stationär aufgenommen und stabilisiert werden.
Was ist da passiert? „Jugendliche vergleichen sich“, so Müller, „sie vergleichen ihre Noten, ihre Kleidung, ihre Figur“. Typisch für magersüchtige Mädchen sei, dass sie oft sehr ehrgeizig sind, dass sie extrem Sport treiben und ihre Mahlzeiten extrem reduzieren. Schließlich drehe sich ihr Leben von morgens bis abends nur noch um die eigene Figur.
Projekt will Selbstwertgefühl stärken
Nach einer Stabilisierung in der Klinik soll diesen Mädchen deutlich werden, dass ihr Selbstwert nicht von einem bestimmten Körpergewicht oder Body-Maß-Index abhängt. Entscheidend sei, ob ein Mensch sein eigenes Leben leben könne. „Und das können unsere Patientinnen oft nicht, weshalb sie häufig ein Stück Angst vor dem Leben haben“, sagt Rupert Müller.
Die Wohngruppe, die sich an den Klinikaufenthalt anschließt, soll die Mädchen nachhaltig stabilisieren – nicht nur, was ihr Essverhalten angeht. Es habe sich gezeigt, dass es nicht für alle von einer Essstörung Betroffenen günstig ist, wieder bei den Eltern zu leben, sagt Fritz Manzeneder, Bereichsleiter für die Wohngruppen des Frère-Roger-Kinderzentrums. Oft hätten sich in den Familien Verhaltensmuster eingeschlichen, die dem betroffenen Mädchen nicht dienlich sind. Magersucht kann sehr hartnäckig sein, Rückfälle sind nicht auszuschließen.
Bereits erste Anmeldungen
Die Wohngruppe, in der die Mädchen in der Regel mindestens ein Jahr bleiben, soll dabei helfen, dass die jungen Leute künftig ihr Leben mit seinen alltäglichen Vollzügen selbst in die Hand nehmen können. Medizinisch, therapeutisch und pädagogisch begleitet, lernen sie hier, miteinander zu leben. In der großen Wohnküche bereiten sie gemeinsam ihre Mahlzeiten zu. Dabei sollen sie erfahren, dass nicht nur das Kochen, sondern auch das miteinander Essen in entspannter Atmosphäre etwas Schönes sein kann. Die Mädchen werden in eine der Augsburger Schulen gehen und können auch selbst ihre Freizeit gestalten. Die Wohngruppe soll auch dabei helfen, ihre Ressourcen zu entdecken und sie vor Extremen zu bewahren.
Ein Mädchen ist schon eingezogen, weitere Anfragen gibt es bereits.