Daniela Sauer-Meyer hat eine Tochter mit Gendefekt und einer komplizierten Epilepsie. Als Autistin benötigt das Kind intensive Unterstützung, wie sie im Hessing-Förderzentrum angeboten wird - hier im Speziellen im Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ), das auf Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen spezialisiert ist. Sauer-Meyer lebte früher in München und pendelte regelmäßig mit ihrer Tochter nach Göggingen. Vor eineinhalb Jahren zog die Familie nach Untermeitingen, um näher am Standort des Förderzentrums zu sein. Umso härter trifft die Mutter nun die Entscheidung, dass das Sozialpädiatrische Zentrum in Hessing schließen muss. Ab dem neuen Jahr wird das Angebot im Josefinum in Oberhausen weitergeführt. Nicht alle Bereiche der Förderung werden in Göggingen aufgegeben, doch mit dem Gesamtpaket ist Schluss.
"Für uns als Familie hat das fatale Konsequenzen", schildert Sauer-Meyer. Als Autistin reagiere ihre Tochter empfindlich auf jegliche Art von Veränderungen. Das Sozialpädiatrische Zentrum habe es geschafft, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen: "Das Ganze ist jetzt ein Riesendesaster."
"In Hessing werden wir vorbildlich betreut"
Elvira Brickl geht es ähnlich. Ihr Sohn besucht den Hessing-Kindergarten. Er hat eine Fehlbildung am Arm, in den zurückliegenden eineinhalb Jahren gab es fünf Operationen. "In Hessing werden wir vorbildlich betreut", sagt Brickl, die ebenfalls wegen der Behandlung umgezogen ist - vom Hochfeld nach Göggingen.
Auch Mihaela Brunter weiß, wie wichtig die Hessing-Einrichtung für ihre Kinder ist. Für ihren ältesten Sohn würde es bedeuten, dass er bei seinem Schuleintritt nicht mehr in Göggingen betreut würde, sondern für Behandlungen ins Josefinum müsste. "Ich finde es schlecht, dass meine Kinder dann nicht mehr gemeinsam an einem Ort unterstützt werden", klagt die Mutter.
Eltern haben Protest vor Augsburger Hessing-Förderzentrum organisiert
Die drei Mütter sind am letzten Tag des Jahres am Parkplatz des Hessing-Förderzentrums am Mühlweg zusammengekommen. Es ist ein organisierter Protest gegen die Schließung des Sozialpädiatrischen Zentrums. Initiiert haben die Aktion die Elternvertretung von Hessing sowie das neu gegründete Peutinger-Forum. Dieses Gremium will sich künftig bei Themen, die die Stadtgesellschaft bewegen, stärker einbringen, sagt Mitinitiator Ulrich Müller.
Der Unmut bei Hessing ist groß, weil die Einrichtung, die seit 2012 lief, nun in ihrem Angebot beschränkt werde. Leidtragende seien die Familien und deren Kinder. Kinderärztin Susanne von Schoenaich ist seit den Anfängen dabei. "Ich war schockiert über die Entscheidung", sagt sie. Wie gut das Angebot bei Hessing angenommen werde, zeige die Warteliste mit 100 Kindern. Die Kurzfristigkeit der Entscheidung treffe zudem alle Beschäftigten des Hauses, die sich im Sozialpädiatrischen Zentrum engagieren: "Wir hatten für den Januar 20 Erstvorstellungen von Kindern geplant." Dazu werde es in dieser Form jetzt nicht kommen.
Die Entscheidung, das Sozialpädiatrische Zentrum ab 1. Januar ans Josefinum abzugeben, fiel kurzfristig: Der Zulassungsausschuss für Ärzte Schwaben, der über die Ermächtigung entscheidet, hatte am 16. Dezember getagt.
Für einen Übergang des SPZ ans Josefinum bleibt also wenig Zeit. Hessing hat inzwischen zwar Widerspruch eingelegt, fachlich begründen könne man diesen laut Hessing-Direktor Roland Kottke aber erst, wenn der Zulassungsausschuss seinerseits eine fachliche Stellungnahme abgegeben habe. Diese sei aufgrund von Urlaubszeiten vor 10. Januar nicht zu erwarten. Dennoch hofft Kottke, dass die Entscheidung rückgängig gemacht wird. Auch der Verein "Ein Haus für Kinder", der die Arbeit des Hessing Förderzentrums unterstützt, hat sich an den Berufungsausschuss gewandt.
Die Kassenärztliche Vereinigung stimmte für Hessing
Verwundert ist man bei Hessing vor allem, weil sich die Kassenärztliche Vereinigung unter den Bewerbern Hessing, Josefinum und Uniklinik für die Beibehaltung des Angebots bei Hessing ausgesprochen hatte. In einem Schreiben vom 30. November, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es, für eine erneute Vergabe an Hessing spreche, "dass es sich bei diesem Sozialpädiatrischen Zentrum um eine bereits seit vielen Jahren bestehende Einrichtung handelt". Pro Quartal würden dort 500 Kinder behandelt, "im Interesse einer kontinuierlichen Patientenbetreuung" sei "die Fortführung der bereits etablierten Versorgungsstrukturen sinnvoll".
Warum dennoch das Josefinum den Zuschlag erhielt, ist nicht bekannt. Nur so viel: Anfang Dezember hatten sich acht Kinderärzte aus Augsburg und der Region in einem Schreiben an die Kassenärztliche Vereinigung für eine Verlagerung des SPZ ans Josefinum ausgesprochen. Diese Klinik sei aufgrund ihrer "interdisziplinären Aufstellung in herausragender Weise" geeignet, die komplexen Aufgaben eines SPZ wahrzunehmen.
Auch die personelle Ausstattung und ausreichende Bettenkapazitäten sprächen für die Oberhauser Klinik. Die Kinderärzte verweisen in ihrem Schreiben auf ihre eigene, "intensive Kooperation" mit dem Josefinum, unterzeichnet ist das Schreiben "stellvertretend für sehr viele Kinder- und Jugendärzte in Nordschwaben und Augsburg". Abgesehen von den acht Unterzeichnern wird jedoch kein Mediziner namentlich genannt.
15 Hessing-Mitarbeiter sind in großer Sorge
15 Mitarbeiter bei Hessing stehen nun vor einer ungewissen Zukunft. Dazu gehört Logopädin Bärbel Gruber. Sie spricht von "einem verantwortungslosen Umgang". Es sei eine bange Situation für die Beschäftigten. Immerhin sei zu sehen, dass Kindergartenkinder weiterhin in Göggingen betreut werden. Auch die Logopädin verweist darauf, wie wichtig der Kontakt der Therapeuten zu den Kindern sei: "Es baut sich ein großes Vertrauen auf, was wichtig ist."
Dass das Josefinum nicht der bessere Standort sein könne, spricht Marcella Reinhardt vom Peutinger-Forum an. Sie wisse um die Verkehrsanbindung beider Einrichtungen. In Göggingen gebe es für 15 Busse, die die Kinder fahren, ideale Bedingungen, weil in der Mühlstraße genügend Platz vor dem Haus sei. Im Josefinum sehe dies anders aus. Alles sei eng, was nicht nur für die Fahrer ein Problem darstelle. "Am Ende geht es aber um das Kindeswohl", sagt Marcella Reinhardt, "und dieses ist in Göggingen gegeben."
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