Dass die Textilindustrie schon vor der Corona-Pandemie angeschlagen war, ist bekannt. Immer wieder war von Restrukturierungsmaßnahmen und Insolvenzverfahren in Eigenregie zu hören. Unter anderem traf es C&A oder Wöhrl. Der Luxusmodenhersteller Strenesse aus Nördlingen musste im Juli 2020 sogar ganz aufgeben.
Die Corona-Pandemie und der Lockdown haben die Lage der Branche weiter verschärft. Immer mehr Modeunternehmen haben in den vergangenen Wochen und Monaten ein Insolvenzverfahren in Eigenregie eingeleitet, um handlungsfähig zu bleiben. Zu ihnen gehören unter anderem Esprit, Adler, Hallhuber oder auch die Warenhauskette Karstadt Galeria Kaufhof. Dazu kamen Händler anderer Branchen wie Eilles (Kaffee) und Hussel (Süßwaren), die wegen des coronabedingten Lockdowns entsprechende Sanierungsmaßnahmen angekündigt haben. Gastronomieketten wie L'Osteria, Nordsee oder "Hans im Glück" schlagen ebenfalls Alarm. Allein der Handelsverband Textil sieht bundesweit in den Bereichen Textil-, Schuh- und Lederwarenfachhandel rund 33.000 Unternehmen mit fast 80.000 Läden und fast einer halben Million Beschäftigten in Gefahr.
Fallen Filialen weg, stehen Flächen in der Augsburger Innenstadt leer
Größere Pleitewellen könnten somit auch Folgen für Augsburgs Innenstadt haben. All die eben genannten Unternehmen betreiben Filialen in der Stadt, die möglicherweise auf den Prüfstand kommen, sollten die Sanierungskonzepte nicht den gewünschten Erfolg bringen. "Schon vor der Corona-Pandemie haben Filialisten genau überlegt, welche Läden an welchem Standort gehalten werden und welche nicht", schildert Andreas Gärtner vom Schwäbischen Einzelhandelsverband. Bonita und Reno, die sich Ende 2020 aus der Annastraße zurückgezogen haben, sind die jüngsten Beispiele und es könnten im Zuge der bekanntgewordenen Sanierungsverfahren weitere folgen. Zahlreiche Leerstände und eine unattraktive Innenstadt wären die Folgen.
Ob dieses Szenario tatsächlich eintreten wird, kann Andreas Gärtner Stand heute jedoch überhaupt nicht abschätzen. Auch die betroffenen Unternehmen nicht. So antwortet Adler auf Anfrage zur Zukunft, dass nach dem Lockdown zunächst alle Filialen - und damit auch jene in Augsburg - wie gewohnt geöffnet werden. Erklärtes Ziel der Eigenverwaltung sei es, das Unternehmen zu sanieren und für die Zeit nach Corona zukunftsfähig zu machen. Inwiefern (dennoch) Veränderungen in der Filialstruktur vorgenommen werden, sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersehbar. Letzteres antworten auch Hussel und Eilles.
Das weitere Corona-Geschehen ist für Sanierungsverfahren entscheidend
Für Handelsexperte Andreas Gärtner zu erwartende Aussagen. Denn: "Ob die Sanierungskonzepte der Unternehmen erfolgreich sind und Filialschließungen nötig werden, hängt stark vom weiteren Verlauf der Pandemie ab." Derzeit sei die Lage fragil, bei vielen Unternehmen sei die finanzielle Situation "zum Platzen gespannt." Gelingt es beispielsweise durch schnelle Öffnungen - aus Sicht des Handelsverbands das einzig wirksame Mittel - wieder Umsatz zu generieren und Sanierungspläne erfolgreich zu verfolgen, habe Augsburg gute Chancen, Filialschließungen im großen Stil zu entkommen.
Auch weil die Stadt noch einen weiteren Trumpf im Ärmel hat: "Wir sind ein attraktiver Standort mit einem extrem kaufkräftigen Umland", begründet Gärtner. Insgesamt verfüge Augsburg über ein Einzugsgebiet von rund einer Million potenzieller Kunden. Argumente, die den Standort aus Sicht Gärtners immer wieder vor Filialschließungen bewahrt haben. So hatten sowohl Wöhrl, als auch C&A und Karstadt Galeria Kaufhof zuletzt im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen andernorts Geschäfte geschlossen, aber nicht in Augsburg. Auch Hallhuber hat sich im laufenden Verfahren im letzten Jahr von Filialen getrennt. „Die Filiale in Augsburg war beziehungsweise ist davon nicht betroffen," teilt eine Unternehmenssprecherin mit.
In der City-Galerie sind nach wie vor alle Flächen vermietet
Sollte es den angeschlagenen Handelsketten allerdings nicht gelingen wieder auf Kurs zu kommen, helfe womöglich auch Augsburgs Attraktivität nur bedingt weiter. "Wenn ein Unternehmen wirklich insolvent ist, wird es zwangsläufig Filialen schließen. Passiert das an mehreren Stellen und brechen in der Innenstadt mehrere Frequenzbringer gleichzeitig weg, senkt das die Attraktivität des Standorts", sagt Gärtner. Das könnte eine Kettenreaktion nach sich ziehen. Sprich: Auch andere Filialisten trennen sich im Zweifel von ihren Augsburger Geschäften, die Attraktivität der Stadt sinkt weiter.
Gleiches Thema trifft im Übrigen auch die City-Galerie, wo viele Filialisten zu den Mietern gehören. Center-Manager Axel Haug will aber optimistisch bleiben: "Unternehmen, die ein Insolvenzverfahren in Eigenregie durchlaufen, sind ja nicht jetzt schon am Ende. Sie suchen vielmehr einen Weg aus der Krise", sagt er . Zuletzt habe es einige Beispiele gegeben, wo dies auch gelungen ist. Deshalb müsse abgewartet werden, wie es weitergeht, bevor man eine Welle von Filialschließungen fürchtet. Aktuell sei die City-Galerie zu einhundert Prozent vermietet.
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