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Augsburg: Handel nach dem Lockdown: Gibt es eine große Rabattschlacht in Augsburg?

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Handel nach dem Lockdown: Gibt es eine große Rabattschlacht in Augsburg?

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    Viele Kundinnen und Kunden in Augsburg kaufen nur reduzierte Ware. Doch hilft das den Einzelhändlern weiter?
    Viele Kundinnen und Kunden in Augsburg kaufen nur reduzierte Ware. Doch hilft das den Einzelhändlern weiter? Foto: Silvio Wyszengrad

    Beim Modehändler H&M am Augsburger Moritzplatz ist derzeit keine Kleidung im Schaufenster zu sehen. Stattdessen baumeln große rote Schilder mit dem Aufdruck „Sale“, also Schlussverkauf, von der Decke. Einige Meter weiter wirbt ein Warenhaus mit Rabatten bis zu 70 Prozent. Wieder andere versprechen „Nimm drei, zahl zwei“. Auch der Hinweis „Nochmals reduziert“ begegnet einem beim Spaziergang durch die Stadt immer wieder. Als Kunde hat man das Gefühl, nach den Lockdowns der vergangenen Monate habe der Einzelhandel direkt mit dem Ausverkauf begonnen, um Umsatzausfälle zu kompensieren und Lager zu räumen. Dabei ist der offizielle Start für den Sommerschlussverkauf erst der 30. Juli. Was ist dran an den Hoffnungen der Kunden, in diesem Jahr besonders gute Schnäppchen zu ergattern?

    Nicht jeder Händler und jede Händlerin ist auf große Rabatte angewiesen

    „Man muss hier differenzieren“, sagt Andreas Gärtner, Geschäftsführer des Handelsverbands Schwaben. Schon vor der Krise hätten einzelne Händlerinnen und Händler vor dem Stichtag des Sommerschlussverkaufs mit Preissenkungen begonnen, um sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Auch Preisnachlässe bis 60 Prozent seien dabei durchaus angeboten worden. Dass es in diesem Jahr noch früher losgeht, sei zwar zu erkennen, aber noch kein Hinweis auf ausufernde Rabattschlachten.

    Sind die Lager noch gefüllt, gibt es Preisnachlässe. Andere Händler haben Ware gespendet oder sogar vernichtet.
    Sind die Lager noch gefüllt, gibt es Preisnachlässe. Andere Händler haben Ware gespendet oder sogar vernichtet. Foto: Silvio Wyszengrad

    Es gebe unterschiedliche Ausgangslagen. "Es gibt noch immer Händler, deren Lager gut gefüllt sind und die nun ihre Waren zu besonders günstigen Preisen, teils unter dem Einkaufspreis, anbieten, um Platz zu schaffen und die Liquidität zu sichern", so Gärtner. Hier seien größere Preisnachlässe möglich, und es gebe auch eine breitere Auswahl an Größen und Modellen als sonst im Schlussverkauf üblich. Gleichzeitig gebe es aber auch Unternehmen, die sich im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme für einen anderen Weg der Krisenbewältigung entschieden - und Ware beispielsweise vernichtet oder gespendet haben. "Wer sich für die zuletzt beschriebene Variante entschieden hat, hat jetzt deutlich weniger Ware vor Ort und muss diese nicht unter Einstandspreis anbieten", beschreibt Gärtner die Lage.

    Wie unterschiedlich die Händlerinnen und Händler auf die Folgen der Pandemie reagieren, zeigen Beispiele aus der Augsburger Innenstadt. Im Laufsportgeschäft Absolute Run in der Annastraße gibt es keine offenkundigen Rabattaktionen. Von „Sale“ ist im Laden keine Spur. "Wir haben erst vor Kurzem geöffnet und daher unseren Warenbestand an die aktuelle Lage angepasst. Wir haben daher nichts, was dringend raus muss, sondern nur aktuelle Ware und die zum regulären Preis“, erklärt Shop-Inhaber Oliver Mienert. Ohnehin sei man mit Rabatten vorsichtig, man überzeuge lieber durch Qualität und Beratung. Das habe die Kundschaft bislang überzeugt. Dass gezielt nach Reduzierungen gefragt wird, käme in seinem Segment ohnehin sehr selten vor. Beim klassischen Bekleidungs- oder Schuhhandel könne er sich aber vorstellen, dass es anders ist.

    Mode in Augsburg: Immer mehr Kunden fragen nach Preisnachlässen

    Bestätigt wird dies von den Kolleginnen und Kollegen. Eine Verkäuferin eines Modegeschäfts für junge Leute erzählt, dass von der Zentrale seit Wochen immer neue Rabattwellen kämen. „Das finde ich in diesem Jahr extrem, aber irgendwie muss die Ware ja raus“, zeigt sie Verständnis für die Entscheidung. Auch dafür, dass Kunden gezielt nach Rabatten fragen. Diese Erfahrung hat auch die stellvertretende Filialleiterin eines Handtaschen- und Schuhgeschäfts in der Annastraße gemacht. Hier gibt es derzeit bis zu 70 Prozent. „Wir machen das ein Stück weit auch, um gegenüber dem Online-Handel konkurrenzfähig zu bleiben und die Bestände zu verkleinern“, erzählt sie. Das locke vor allem Laufkundschaft in den Laden. Generell hat sich aus Sicht der Expertin das Einkaufsverhalten verändert. „Es ist schon seit einiger Zeit so, dass Kunden vermehrt nach Preisnachlässen auch für regulär ausgezeichnete Ware fragen“, sagt sie.

    Andreas Gärtner ist Geschäftsführer des Handelsverbands Schwaben.
    Andreas Gärtner ist Geschäftsführer des Handelsverbands Schwaben. Foto: Silvio Wyszengrad

    Das ist ein Punkt, der auch Karin Hoschek bewegt. Sie hat in der Philippine-Welser-Straße das Schuhgeschäft Sisento und ist auf hochwertige Damen- und Herrenschuhe spezialisiert. „Es gibt vermehrt Kunden, die kommen in den Laden, sehen sich um, und wenn der Schuh ihrer Wahl nicht reduziert ist, gehen sie wieder. Das war früher nicht so extrem“, erzählt sie. Seit wenigen Tagen hat Karin Hoschek daher nachgezogen und alle Sommerschuhe ebenso wie viele andere um 50 Prozent im Preis gesenkt. „Hängen bleibt da nicht viel, aber ich sichere immerhin meine Liquidität“, sagt sie.

    Ohne Rabatte würde sie vermutlich noch weniger Schuhe verkaufen. Denn neben den Rabattwünschen Kunden ist in diesem Ausverkauf noch etwas anders. „Es kommen immer noch nicht so viele Kunden zurück, wie wir uns das wünschen würden. Weil wir immer noch Maske tragen müssen, kommt auch kein Shopping-Feeling auf, wie das früher war“, erzählt sie.

    Sommerschlussverkauf ist kein Ersatz für Lockdown

    Auch Andreas Gärtner weiß, dass trotz anfänglicher Euphorie über das Ende des Corona-Lockdowns noch nicht jeder Einzelhändler wieder Umsätze schreibt, die ihn glücklich machen. Hier gehe es darum, weiter die Zahlungsfähigkeit zu sichern, notfalls über den Abverkauf unter Einkaufspreis. Dass Kunden nur noch über den Preis zu gewinnen seien, glaubt er dagegen nicht. „Der Augsburger ist zwar schon seit jeher für seine Preissensibilität bekannt, dass nun aber eine regelrechte Feilschkultur entsteht, sehe ich nicht.“

    Mehr Sorge bereite ihm da die vielfach angekündigte vierte Corona-Welle und deren mögliche Konsequenzen. Denn einen neuerlichen Lockdown, sagt der Experte, würden viele Geschäfte nicht mehr überleben. Da würden auch gute Umsätze aus dem Sommerschlussverkauf nicht helfen.

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