Die Hintermänner sitzen in der Türkei. Vier Hauptdrahtzieher hat die Augsburger Polizei ermittelt, vier Männer, die von dem groß angelegten Betrug maßgeblich profitieren sollten. Es ist eine komplexe und dreiste kriminelle Masche, die diese vier Verdächtigen organisiert haben sollen; die Ermittler der zuständigen Polizei-Dienststelle für Organisierte Kriminalität gehen nach Informationen unserer Redaktion von mehr als 100 Helfern in Deutschland aus, davon rund 70 im Augsburger Raum.
Ohne viele Helfer hätte der mutmaßliche Betrug wohl nicht funktionieren können, ohne Schwachstellen im System offenbar auch nicht. Konkret sollen sich Kriminelle als Bankmitarbeiter ausgegeben und viel Geld erbeutet haben. Nach Erkenntnissen der Polizei riefen die Täter Bankkunden unter einer gefälschten Telefonnummer an und behaupteten, man müsse „Kontodaten abgleichen“. Zum Beispiel, weil man neue EC- oder Kreditkarten ausstellen wolle. Oder, weil sich eine EU-Richtlinie geändert habe. Hatten die falschen Bankmitarbeiter die Daten der Kunden, wandten sie sich an deren tatsächlichen Bankfilialen, wo den echten Bankmitarbeitern auf ihren Telefonen die tatsächlichen Rufnummern der jeweiligen Kunden angezeigt worden sein sollen.
Schlag gegen Bande: Zwei Männer aus der Region Augsburg in Haft
Die Anrufer behaupteten dann etwa, sie seien als Kunden der Bank ausgespäht worden, veranlassten so Überweisungen. Auf diesem Weg kamen die Kriminellen nach Erkenntnissen der Ermittler an Geld. Mal erbeuteten sie 1000 Euro, mal 5000. Nach Informationen unserer Redaktion geht die Polizei von mehreren Gruppen innerhalb der Organisation aus: Anrufer, die in Callcentern in der Türkei sitzen und akzentfrei Deutsch sprechen. „Logistiker“, die quasi die mittlere Führungsebene darstellen und dafür zuständig sind, sogenannte „Finanzagenten“ anzuwerben.
Am Ende der Kette standen schließlich jene Finanzagenten, die offenbar ihre eigenen Konten zur Verfügung stellen sollten, damit darauf das Geld der Bankkunden zwischengeparkt werden konnte, ehe man es weiterüberwies – wohl an die Drahtzieher in der Türkei. Ablauf und Struktur erinnern an die Masche sogenannter falscher Polizisten, die in den vergangenen Jahren viele Menschen in der Region um ihr Geld gebracht haben. Auch dabei sollen Anrufer und Hintermänner von Callcentern in der Türkei aus agieren. Im Fall der falschen Bankmitarbeiter ist der Schaden offenbar ebenfalls erheblich. Nach Auskunft der Augsburger Staatsanwaltschaft gehen die Ermittler im Komplex von rund 200 Taten und einem Schaden von etwa 500.000 Euro aus.
Teils laufen gegen Beschuldigte noch Ermittlungen, teils gab es Verfahrenseinstellungen oder Strafbefehle. Gegen zwei Cousins aus der Region ist nun Anklage erhoben worden, beide haben irakische Wurzeln und sitzen seit einem Jahr in Untersuchungshaft. Sie sollen „Logistiker“, also für die Betreuung der sogenannten Finanzagenten zuständig, gewesen sein. Die beiden jungen Männer, 22 und 23 Jahre alt, lebten vor ihrer Inhaftierung in Augsburg und im Landkreis Aichach-Friedberg. Die Staatsanwaltschaft legt ihnen nun mehr als ein Dutzend Fälle des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs vor, in der Anklageschrift ist von einem Schaden von 50.000 Euro die Rede. Zugelassen ist die Anklage noch nicht, möglich scheint aber, dass der Prozess im Frühjahr startet. Anwalt Ralf Schönauer, der einen der beiden Angeklagten vertritt, sagte auf Anfrage, er wolle aktuell keine Stellungnahme zum Verfahren abgeben.
Und die Hintermänner? Leben offenbar unbehelligt in der Türkei. Greifbar für Augsburger Justiz sind sie aktuell jedenfalls nicht.
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