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Augsburg: Geschäftsmann und Zahnarzt als Geiselnehmer?

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Geschäftsmann und Zahnarzt als Geiselnehmer?

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    Ein Mann aus München muss sich aktuell in Augburg vor dem Landgericht verantworten. Der Vorwurf: Geiselnahem. 
    Ein Mann aus München muss sich aktuell in Augburg vor dem Landgericht verantworten. Der Vorwurf: Geiselnahem.  Foto: Jakob Stadler

    Der Abend begann in einem bayerischen Wirtshaus in München. Er endete laut Ermittlungen damit, dass ein Zahnarzt, ein Geschäftsmann und ein Fotograf sich in den südlichen Landkreis Aichach-Friedberg aufmachten. Und der Zahnarzt einem Mann in der Wohnung seiner Angestellten eine Pistole an den Kopf hielt. Auf der Anklagebank vor der 3. Strafkammer des Augsburger Landgerichtes sitzt nun zunächst der Geschäftsmann. Ein 58-Jähriger ohne Vorstrafen, der bis zum Oktober 2017 offenbar eine unauffällige, bürgerliche Existenz führte. Er sitzt seit Monaten in Untersuchungshaft. Angeklagt ist er unter anderem wegen des Vorwurfs der Geiselnahme. Sollte er am Ende wegen dieses Deliktes auch verurteilt werden, droht ihm eine längere Haftstrafe. Wie konnte es so weit kommen?

    Laut Anklage passierte in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober Folgendes: Im südlichen Landkreis Aichach-Friedberg, wo die Mitarbeiterin des Münchener Zahnarztes lebte, stritt sich die hochschwangere Frau mit Onur K.*, einem heute 28-jährigen Mann. Sie forderte ihn demnach dazu auf, die Wohnung zu verlassen. Onur K. wollte dies laut Anklage erst tun, sobald die Frau ihm schriftlich bestätigte, dass er der Vater ihres ungeborenen Kindes sei. Offenbar ein Beziehungsstreit, von dem Geschehen in einer Kneipe in München ziemlich weit weg.

    Dann allerdings soll die Frau ihren Chef angerufen haben, einen niedergelassenen Zahnarzt. Sie werde bedroht und brauche Hilfe, soll sie dem Mann gesagt haben. Wer im Internet nach dem Zahnarzt sucht, stößt auf einen jungen Mediziner, der die angenehmen Seiten des Lebens offenbar schätzt, bei seinen Patienten beliebt zu sein scheint und sich sozial engagiert. Ein Mann auf der Gewinnerseite. Dem, so die Erkenntnisse der Ermittler, nach dem Anruf die Sicherungen durchbrannten. Er ging in die besagte Gastwirtschaft.

    Dort soll der Zahnarzt zwei Männer aufgefordert haben, mitzukommen: den Fotografen und den nun angeklagten 58-jährigen Kaufmann. Das Trio fuhr laut Anklage mit einem Taxi in die Region und stieg dort vor der Wohnung der schwangeren Frau aus. Der Zahnarzt und der Geschäftsmann gingen demnach in das Haus und bedrohten Onur K., während die Frau und der Fotograf draußen warteten. Es soll rabiat zugegangen sein: Der Geschäftsmann soll einen Baseballschläger gehalten und Onur K. damit von hinten im Halsbereich fixiert haben. Außerdem soll er, als das Opfer am Boden lag, wiederholt so getan haben, als würde er mit dem Schläger auf den Kopf des Mannes einschlagen. Der Zahnarzt wiederum zückte laut Anklage gar eine täuschend echt aussehende Gaspistole und hielt sie Onur K. an den Kopf: Er solle verschwinden und das Baby vergessen.

    Zudem soll Onur K. gedroht worden seien, man werde ihn umbringen, wenn er sich an die Polizei wende. Anschließend fuhren die beiden den Mann mit dem Taxi zum Augsburger Hauptbahnhof, drückten ihm 500 Euro in die Hand und setzten ihn in einen Zug nach Frankreich, wo der Mann lebt. So viel zur Vorgeschichte. Nun zum Prozess. Der richtet sich gegen den 58-jährigen Geschäftsmann. Das Verfahren gegen den Zahnarzt wurde abgetrennt. Ob es in seinem Fall in naher Zukunft überhaupt zu einer Verhandlung kommt, ist unklar. Der Mann soll schwer erkrankt sein; der Haftbefehl gegen ihn wurde vorläufig außer Vollzug gesetzt.

    Anders als im Fall des 58-jährigen Geschäftsmannes. Der hat die Vorwürfe gegen ihn am ersten Prozesstag weitgehend eingeräumt. Nach seiner Aussage hatte er in der Kneipe gesessen und sechs bis acht Bier getrunken, ehe der Zahnarzt hereinstürmt war und Unterstützung gefordert hatte. „Es wirkte so, als ging es um Leben und Tod“, sagte der Angeklagte. Der Zahnarzt sei eine „Kneipenbekanntschaft“, man kenne sich halt aus der Runde. Im Taxi habe er zum ersten Mal den Baseballschläger gesehen. Den hatte, so die Aussage des Angeklagten, der Zahnarzt mitgebracht – ebenso wie die Gaspistole. Im Taxi habe der Zahnarzt „ununterbrochen“ mit seiner Mitarbeiterin telefoniert. Vor Ort habe die Frau vor ihrer Haustür gestanden und sei völlig aufgelöst gewesen. Der Zahnarzt habe ihn aufgefordert, mit in die Wohnung zu kommen. Den Baseballschläger habe er genommen, um sich zu verteidigen. In einigen Punkten freilich wich die Schilderung des Kaufmannes (Verteidiger: David Herrmann und Roland Autenrieth) von der Anklage ab. So sagte der 58-Jährige etwa, er habe keinesfalls mehrfach Schläge auf den Kopf von Onur K. angedeutet. So ganz erklären konnte sich der Angeklagte sein Verhalten nicht. „Weder habe er die Frau gekannt, noch Onur K.“, sagte er. „Auch sei er eigentlich ein friedlicher Mensch.“ Damals in die Kneipe gegangen zu sein, sei der größte Fehler seines Lebens. Der Prozess wird kommende Woche fortgesetzt. *Name geändert

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