Auf Fotos mit ihrem Mann ist Sigrid Gribl meist knapp unterhalb des Kinns abgeschnitten. Das ist sie gewöhnt. Der Größenunterschied zwischen ihr und ihrem Mann beträgt immerhin 40 Zentimeter. Dass viele Menschen sie nur als Ehefrau des Oberbürgermeisters sehen, auch das ist der 53-Jährigen bewusst. „Viele denken, ich sitze daheim, repräsentiere ab und zu und schaue hin und wieder aus der Zeitung heraus.“ Hinter Sigrid Gribl steckt freilich mehr, als nur die Ehefrau des Oberbürgermeisters. Offen erzählt sie über ihr Leben und verrät, warum sie einst als Kurt Gribls neue Lebensgefährtin einen Psalm in der Handtasche trug.
Sigrid Gribl: " Ich bin eher der Jeans- und Turnschuhtyp"
Seitdem sie die Frau an der Seite des Oberbürgermeisters von Augsburg ist, hat sich Sigrid Gribls Garderobe geändert. Schicker ist sie geworden. „Denn eigentlich“, sagt Gribl, „kleide ich mich lieber anders. Ich bin eher der Jeans- und Turnschuhtyp, ohne Schminke.“ Das ist die wohl unwesentlichste Veränderung in ihrem Leben. Denn so selbstsicher wie die OB-Gattin wirkt, war sie nicht immer. Die zierliche Frau mit den glatten, braunen Haaren kämpfte früher mit einer „unfassbaren Schüchternheit“, wie sie selbst bei einem Treffen im Café Dichtl erzählt. „ Heute in der Rückschau kann ich das gar nicht nachvollziehen.“ Die Scheu stand ihr oft im Weg - vor allem im Beruf. Sie sei schon immer eine gute Werbetexterin gewesen, meint Sigrid Gribl. Aber Präsentationen ihrer Texte vor Kollegen und Kunden mied sie. „Lieber gab ich meinem Chef Zettel mit. Er musste sie für mich in der Runde vorlesen.“ Ein guter Freund, der auch Werbetexter ist, habe ihr schließlich geholfen.
„Er sagte, es tue den Menschen gut, wenn man unterhaltsam ist und mit ihnen einfach nur spricht.“ Das klang für sie einleuchtend. „Es gab mir einen Schub.“ Sigrid Gribl arbeitet seit 22 Jahren freiberuflich. Im Laufe der Zeit, sagt sie, sind die Aufgaben größer und anspruchsvoller geworden. Gribl entwickelt Kommunikationsstrategien und Textkonzepte für Institutionen und Werbeagenturen. Ihre Aufträge erhält sie aus der Gastro- und Tourismusbranche sowie von Werbeagenturen. Die Arbeit ist ihr wichtig. „Für meinen Mann und mich gilt gleichermaßen, dass der Beruf vorgeht. Wenn ich Termine habe, kann ich ihn nicht begleiten.“ Umgekehrt sei das genauso. Die gegenseitige Wertschätzung der Arbeit bekam Sigrid Gribl schon als Kind von ihren Eltern vorgelebt.
So wuchs Sigrid Gribl auf
Die zweite Ehefrau des Oberbürgermeisters stammt aus Großaitingen im Landkreis Augsburg. Mit zwei Schwestern und zwei Brüdern wuchs Gribl in einer katholischen Arbeiterfamilie auf. Der Vater war Kranführer, die Mutter arbeitete in der Fabrik, als die Kinder größer waren. Gribl betont: „Niemand muss mir etwas von der Arbeiterschicht erzählen.“ Politik sei besonders bei ihrem Vater immer ein Thema gewesen. Ein Tag ohne Zeitung und Nachrichten war undenkbar. Mit ihrer jüngeren Schwester war sie in der christlichen Arbeiterjugend aktiv. „Wir wollten Verantwortung in der Gesellschaft übernommen“, sagt sie rückblickend.
Dass sie „in die Stadt“ auf eine höhere Schule geht, war von den Eltern zunächst nicht vorgesehen. Sie lacht. „Mein Vater wollte, dass ich Kriminalerin werde, also zur Polizei gehe.“ Einer Lehrerin hat die Eltern dann überzeugt, dass Sigrid aufs Gymnasium gehöre. Es wurde das St. Anna in Augsburg. „Sie hatte sich für mich eingesetzt.“ Die junge Frau zog es nach dem Abi ganz in die Stadt. Wie Sigrid Gribl erzählt, war es auch in den 80er Jahren schwer, in Augsburg eine bezahlbare Wohnung zu finden. Sie erinnert sich an ein Zimmer, das im Hunoldsgraben angeboten wurde. „450 Mark kalt. Das ging gar nicht.“ In der Altstadtkneipe „Le Coq“ lernten sie und eine Kommilitonin den Interior Designer und Antiquitätenhändler Uwe Dobler kennen.
Er besaß ein Haus in der Bäckergasse und vermietete prompt den jungen Frauen günstig eine Wohnung. „Die hatte 130 Quadratmeter, dafür aber mit Kohleheizung. Das Klo war draußen auf dem Gang.“ Die beiden Studentinnen zogen mit dem Leiterwagen los, um Holz und Kohle zu holen. „Aber wir fühlten uns in der großen Wohnung wie die Königinnen“, erinnert sich Gribl und lächelt. Ihr Jura-Studium beendete sie nicht. Dafür gefiel ihr ihr erstes Praktikum in einer Werbeagentur zu gut. „Das war wie ein Erweckungserlebnis.“ Als Sigrid Gribl in erster Ehe ihren heute 22-jährigen Sohn bekam, arbeitete sie freiberuflich in Augsburg und München weiter.
„Zu der Zeit gab es nur eine Vollzeit-Kinderkrippe in Augsburg - an der Schwedenstiege. Ich hatte Glück, dass ich für mein Kind einen Platz bekam.“ Manche betrachteten sie als Rabenmutter. Ihr war das egal. „Ich wollte, dass mein Sohn Kontakt zu anderen Kindern hat und ich wollte den Anschluss im Beruf behalten.“ Sigrid Gribl hatte ihre festen Überzeugungen, nach denen sie lebte.
Ihr Leben hat sich verändert
Als Studentin arbeitete Gribl nebenbei in einem Bioladen. Sie war strikte Vegetarierin. „Es ging mir darum, selbst die Welt ein Stück zu verbessern.“ Ein Idealismus, der sich mit dem Alter gerne modifiziert. Mit den Jahren habe sie gelernt, dass es mehr als nur Schwarz oder Weiß gibt. Sie hält kurz inne. „Ich habe es auch von Kurt gelernt, dass es nichts bringt, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen.“ Fällt das Gespräch auf ihren Mann, sind Sigrid Gribls Worte voller Wertschätzung.
Kurt, sagt sie, sei ein grundguter Mensch und ein vernunftgesteuerter Entscheider, auch wenn manche Entschlüsse emotional schwer fielen. „Er ist Pragmatiker. Er hat immer die gesamtheitlichen Konsequenzen für die Stadt im Blick.“ Ob sie selbst Einfluss auf seine Entscheidungen hat? „Er hört sich viele Meinungen an, natürlich auch meine. Aber ich bin nicht maßgebend.“ Maßgeblich verändert hat sich jedoch Sigrid Gribls Leben an der Seite ihres zweiten Ehemannes.
Es war im Januar vor neun Jahren, als Kurt Gribl die Beziehung zu ihr bekannt gab. In Augsburg sorgte das freilich für großes Aufsehen. 2014 heiratete das Paar. Kennengelernt haben sich die beiden, weil Sigrid Gribl, die damals noch Einfalt hieß, Beraterin im Wahlkampfteam um Kurt Gribl war. „Ich hatte schon Angst vor der öffentlichen Rolle. Das war ja ganz neu für mich.“ Für Sigrid Gribl war diese Zeit von Anspannung geprägt. Sie erinnert sich an manche Ängste.
„Ich hatte etwa Angst, bei Veranstaltungen etwas Falsches zu sagen oder einen Hustenanfall zu bekommen. Letztlich fürchtet man sich einfach davor, den Erwartungen nicht gerecht zu werden.“ “ Sie half sich selbst. „Kennen Sie den Psalm 23 vom guten Hirten?“, fragt die 53-Jährige und fährt fort: „Den notierte ich mir auf einen Zettel. Ich hatte ihn dann immer in meiner Handtasche. Ich fühlte mich damit einfach sicherer.“ Auch der Austausch mit anderen Frauen, denen es genauso ging, habe ihr geholfen. Die neue Partnerschaft brachte eine weitere wesentliche Veränderung.
OB-Gattin Gribl: "Unser Freundeskreis hat sich verschoben"
„Mich überraschte es, wie heftig sich das auf meinen Bekanntenkreis auswirkte.“ Manche hätten sich von ihr abgewandt, andere hätten sie nur noch als Freundin des OB gesehen. „Unser Freundeskreis hat sich verschoben“, sagt sie etwas nachdenklich. Heute weiß sie alte und neue Freunde noch mehr zu schätzen. Allerdings beschränken sich die Gribls privat fast nur noch auf spontane Treffen: „Bei langfristigen Verabredungen kommt meist etwas dazwischen.“
“ In der ersten Amtsperiode ihres Mannes habe sie ihn viel begleitet - zusätzlich zu ihrem eigenen Job. Doch irgendwann war der Stress zuviel. „Ein Arzt riet mir, etwas kürzer zu treten.“ Sigrid Gribl ist längst nicht mehr bei jedem offiziellen Termin dabei und sie arbeitet weniger. Manchmal vergisst Sigrid Gribl im Alltag, dass sie die Frau des Oberbürgermeisters ist. Wenn sie etwa in Gedanken an die nächste Besprechung durch die Stadt geht. Dann ist ihr in dem Moment nicht bewusst, dass andere Menschen von ihr als OB-Gattin Notiz nehmen.
Sie fährt viel mit der Straßenbahn, weil sie die unterschiedlichen Menschen spannend findet. Sigrid Gribl ist dann eine von vielen in Augsburg. Erst beim Heimkommen wird ihr hin und wieder vor Augen geführt, dass manche fremde Menschen sich besonders für sie und ihren Mann interessieren. Wenn nämlich die Nachbarin von gegenüber mitteilt, dass heute wieder mal „Sehleute“ da waren. Sehleute?
Sigrid Gribl erklärt: „Es kommen immer wieder Fremde, die auf unser Klingelschild gucken und sich umschauen. Unsere Nachbarin, die sehr aufmerksam ist, sagt dann zu ihnen: Fahren’s weiter, hier gibt es nichts zu sehen.“