Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Forscher prüfen: Wie viel Mikroplastik steckt in unseren Böden?

Augsburg

Forscher prüfen: Wie viel Mikroplastik steckt in unseren Böden?

    • |
    In den kommenden Wochen werden wieder auf vielen heimischen Spargelfeldern Plastikfolien liegen. Welche Folgen das für die Verschmutzung mit Mikroplastik haben kann, damit beschäftigt sich ein neues Forschungsprojekt.
    In den kommenden Wochen werden wieder auf vielen heimischen Spargelfeldern Plastikfolien liegen. Welche Folgen das für die Verschmutzung mit Mikroplastik haben kann, damit beschäftigt sich ein neues Forschungsprojekt. Foto: Armin Weigel, dpa (Symbolbild)

    Pünktlich zur neuen Spargelsaison verwandeln sich heimische Äcker wieder in ein Meer von Plastikfolien. Was von solchen landwirtschaftlich verwendeten Kunststoffen am Ende im Boden übrig bleibt, ist Thema eines neuen Forschungsprojektes unter Augsburger Leitung. Wissenschaftler vermuten, dass weltweit in Böden mehr Mikroplastik zu finden ist als in den Ozeanen. Wie groß die konkrete Belastung ist und welche Auswirkungen das hat, sei aber noch weitestgehend unbekannt, sagt Professor Peter Fiener von der Universität Augsburg.

    Der Geograf leitet das neue europäische Forschungsnetzwerk (EU Innovative Training Network SOPLAS ). Es wird die Belastung von Ackerböden mit Mikroplastik genauer unter die Lupe nehmen. 14 Nachwuchswissenschaftler an elf europäischen Forschungseinrichtungen arbeiten an dem Thema, um Wissenslücken zu schließen. Glaubt man Fiener, müssen noch sehr viele offene Fragen beantwortet werden. Das hat mehrere Gründe.

    Augsburger Forscher: Plastik in Böden ist schwer zu ermitteln

    Der Geograf zieht einen Vergleich: "Die Plastikstrudel in den Weltmeeren treiben die Ozenanografen schon länger um", sagt er. Einerseits wohl deshalb, weil diese Form der Verschmutzung im Wasser stark auffällt. Selbst Urlauber an fernen Stränden können sie nicht mehr übersehen. Andererseits sei die Forschung in diesem Bereich auch schon sehr weit, weil Plastikreste in Wasser deutlich einfacher zu untersuchen seien.

    Komplizierter ist die Lage bei Mikroplastik in Böden. "Hier ist die Forschung noch am Anfang", sagt der Geograf. Kunststoffreste in der Erde sieht man nicht. Damit fehlt auch die öffentliche Wahrnehmung des Problems. Wissenschaftliche Untersuchungen seien zudem zeitlich und finanziell extrem aufwendig. Eine Probe von einem Gramm Boden beschäftigt einen Mitarbeiter im Labor bislang im Schnitt einen Arbeitstag. Um beispielsweise die Belastung eines Ackers zuverlässig zu bestimmen, müsste jedoch kiloweise Erde von verschiedenen Stellen beprobt und aufbereitet werden.

    Professor Peter Fiener von der Universität Augsburg.
    Professor Peter Fiener von der Universität Augsburg. Foto: Universität Augsburg

    Dennoch ist der Professor überzeugt, dass eingehendere Untersuchungen dringend notwendig sind. Fiener sagt, "wir bringen seit Jahrzehnten absichtlich oder unabsichtlich Plastikreste in unsere Böden ein, ohne eine Idee zu haben, was das für Folgen hat." Dies sei ähnlich wie ein globaler unkontrollierter Freilandversuch.

    Die Wege, wie Plastik in den Boden kommt, sind vielfältig. Ein großes Problem ist aus Sicht von Wissenschaftlern der Reifenabrieb von Autos, der an Straßenrändern in den Boden geschwemmt wird. Immer wieder kommt es auch zu Verwehungen von Kunststoffpartikeln aus Produktion und Transport. Selbst in der Luft sind kleinste Teilchen nachweisbar, die von Kleiderfasern kommen können.

    Mikroplastik kann aber auch auf andere Weise unabsichtlich in den Boden gelangen - etwa über organischen Dünger aus belastetem Kompost oder Klärschlamm, der auf Feldern ausgebracht wird. Zwar sei die Klärschlamm-Düngung in Bayern weitestgehend eingestellt worden, sagt Fiener. "Sie wurde aber natürlich im Sinne der Kreislaufwirtschaft Jahrzehnte lang gemacht." In großen Kompostanlagen landen nach wie vor immer wieder Plastikreste, von der Gurkenhülle bis hin zu Blumenpflanztöpfen.

    Mikroplastik: Warum Folien ein Problem sein können

    Als ein weiteres großes Problem sehen Forscher die zunehmende gezielte Verwendung von Folien in der Landwirtschaft. Diese kommen nicht nur auf Spargelfeldern zum Einsatz, sondern auch bei anderen Feldfrüchten oder bei Silageverpackungen. Wenn Reste dieser Folien im Freien zurückbleiben, zersetzt sich das Plastik in Mikroteilchen und dringt in die Erde ein. Fiener sagt: "Wir gehen davon aus, dass die Ackerböden besonders belastet sind." Deshalb soll das neue europaweite Forschungsvorhaben genau in diesem Bereich ansetzen.

    In Augsburg werden sich zwei Doktoranden damit befassen, wie stark der Eintrag von Plastikresten auf Feldern tatsächlich ist und wie schnell sich diese Fetzen von Folien und Fließen zu Mikroplastik zersetzen. "Daraus kann man errechnen, wie viel sich auf diesem Pfad im Erdreich anreichert", erklärt Fiener. In der Region Augsburg und zwei weiteren europäischen Regionen werden in Zusammenarbeit mit Landwirten Feldversuche durchgeführt. Die Forscher wollen Drohnen mit Sensoren einsetzen, um kleine Folienreste auf der Bodenoberfläche aufzuspüren. Im Labor laufen umfangreiche Tests, um die Alterung und Zersetzung der Materialien zu ermitteln.

    Was mit Regenwürmern passiert

    Andere Teams des Forschungsnetzwerkes aus den Bereichen Geografie, Agronomie, Bodenkunde, Biologie, Mikrobiologie, Hydrologie, Chemie, Ökonomie und Lebenswissenschaften sollen Antworten auf weitere wichtige Fragen finden: Wie kann man Mikroplastik in Böden schneller und kostengünstiger ermitteln? Wie viel davon wird aus den Böden in Bäche, Flüsse und Seen beziehungsweise ins Grundwasser gespült? Und welche möglichen Gefahren fürs Ökosystem gehen von diesen Partikeln im Erdreich aus?

    Wissenschaftler in Spanien werden sich dazu mit Regenwürmern befassen. Diese Tiere fressen Boden und scheiden ihn wieder aus. Damit nehmen sie auch kleinste Plastikteilchen auf. Frühere Untersuchungen legen nahe, dass die Würmer weniger wachsen, wenn sie mehr unverdauliche Nahrung zu sich nehmen. Fiener zufolge gibt es bislang aber keine gesicherten Erkenntnisse, ob Mikroplastikteilchen im Boden eine toxische Wirkung haben könnten. Unklar sei auch, ob Teilchen von Pflanzen aufgenommen werden und so in die menschliche Nahrungskette gelangen können.

    Das Forschungsprojekt läuft bis Dezember 2024. Es wird von der Europäischen Union mit rund 3,7 Millionen Euro gefördert. Erste Ergebnisse in Augsburg sollen voraussichtlich bis Ende 2022 vorliegen. Das große Ziel ist, einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Nutzung von Plastik in der Landwirtschaft in Europa zu leisten. "Am Ende sollen Empfehlungen für ein angepasstes landwirtschaftliches Management entstehen", sagt Professor Fiener.

    Lesen Sie auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden