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Augsburg: "Fleisch ist Mord": Carolin Ottillingers Metzgerei ist erneut Ziel eines Angriffs

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"Fleisch ist Mord": Carolin Ottillingers Metzgerei ist erneut Ziel eines Angriffs

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    Seit dem Umbau der Metzgerei Ottillinger in der Bäckergasse werden die Scheiben immer wieder von Vandalen beschädigt.
    Seit dem Umbau der Metzgerei Ottillinger in der Bäckergasse werden die Scheiben immer wieder von Vandalen beschädigt. Foto: Ulrich Wagner

    Die erste Tat hatte Carolin Ottillinger und ihr Team von der Metzgerei in der Bäckergasse in Augsburg noch schockiert. Es war ein Samstag Anfang des Jahres, wie sich die Inhaberin der Metzgerei erinnert. "Fleisch ist Mord" stand an jenem Morgen in riesigen Buchstaben an der Glasfront des Geschäfts, hinter der das Fleisch zum Reifen hängt. Es blieb nicht der einzige Vorfall. Fünf Mal stand das Geschäft in diesem Jahr bislang im Fokus von Vandalen. Vor wenigen Tagen erst wurde die Altstadt-Filiale der Ottillingers erneut zum Angriffsziel von offenbar militanten Tierschützern.

    Augsburger Metzgerei Ottillinger wird immer wieder attackiert

    Schon wieder hatte jemand "Fleisch ist Mord" auf das Schaufenster gesprüht. Ottillinger weiß längst, dass sich die Parolen am besten mit Waschbenzin entfernen lassen. "Mörder" oder "Hört auf Fleisch zu essen" konnte sie auf diese Weise auch beseitigen. Die zerkratzten Scheiben am Laden sowie die eingeschlagene Scheibe in diesem Jahr waren jedoch aufwendiger zu reparieren. "Insgesamt haben wir bislang einen Schaden von rund 3000 Euro", resümiert Ottillinger. Mit ihrer Schwester und den Eltern betreibt sie sieben Metzgerei-Filialen in der Region, der Stammsitz ist in Pöttmes im Landkreis Aichach-Friedberg.

    "Fleisch ist Mord" haben Unbekannte außen auf die Scheibe des Reifeschranks der Metzgerei  Ende September geschmiert. Darunter ist das runde Zeichen von Animal Liberation Front zu erkennen. Die Polizei ermittelt.
    "Fleisch ist Mord" haben Unbekannte außen auf die Scheibe des Reifeschranks der Metzgerei Ende September geschmiert. Darunter ist das runde Zeichen von Animal Liberation Front zu erkennen. Die Polizei ermittelt. Foto: Ottillinger

    Es ist allerdings nur die Filiale in Augsburgs Altstadt, die immer wieder attackiert wird. Vielleicht liegt das auch an dem gläsernen Reifeschrank, der im Zuge der Modernisierung der Metzgerei im Herbst vergangenen Jahres eingebaut wurde. Von der Straße aus ist das sogenannten Dry-Aged-Fleisch, das darin zur Reifung hängt, nicht zu übersehen. Hinter Glas hängen Schweine- und Rinderhälften wie auch Lammstücke - das Arrangement wird durch Illumination gezielt in Szene gesetzt. Etiketten informieren, woher das Fleisch stammt.

    Die Ottillingers sind stolz auf ihre transparente Arbeit - wie auch auf das, was ihre Familie über viele Jahrzehnte geschaffen hat. Die Metzgerei besteht eigenen Angaben zufolge seit dem Jahr 1842. Der Familie ist es wichtig, sich für die Zukunft aufzustellen. Es ist aber nicht der einzige Betrieb in der Branche, der auf Modernisierung setzt. Die Metzgereien wollen nicht nur der Kundschaft etwas bieten, sondern auch die Mitarbeiter in einem modernen und angenehmen Arbeitsumfeld halten. Denn die Zahl der Fleischereien sinkt - auch weil es an Nachwuchs mangelt.

    Metzgerei-Chefin: "Wir brauchen uns für unser Handwerk nicht zu verstecken"

    Wie die Handwerkskammer für Schwaben (HWK) berichtet, ist die Anzahl an Augsburger Metzgereien zwischen 2008 und 2019 um rund 38 Prozent gesunken. Statt einst 31 Stammbetrieben gibt es heute nur noch 19 - die Filialen sind dabei nicht mit eingerechnet. „Wer sich aber modern aufstellt, seine Mitarbeiter motiviert und auf höchste Qualität setzt, hat beste Perspektiven“, sagte einst HWK-Präsident Hans Peter Rauch, selbst Metzgermeister, gegenüber unserer Redaktion.

    Man brauche sich für sein Handwerk nicht zu verstecken, ist Carolin Ottillinger überzeugt. "Wir sind stolz darauf, Wurst und Fleisch zu verkaufen, von dem wir wissen, wo es herkommt", sagt sie. Die Tiere kämen aus der Landwirtschaft aus der Region. 85 Prozent der angebotenen Waren stammten aus der eigenen Schlachtung in Pöttmes. Der Rest sei regionaler Zukauf. "Das können nur wenige Metzger von sich behaupten", sagt Ottillinger.

    In der Metzgerei in der Bäckergasse herrschte zunächst Fassungslosigkeit

    Nach der ersten Attacke gegen ihr Geschäft seien ihre Mitarbeiter und sie sehr angefasst gewesen. Sie sagt: "Wir waren alle schockiert über diese Aggressivität, mit der die Unbekannten ihre Intoleranz ausdrückten. Warum lässt man Menschen nicht Fleisch essen? Ob Veganer oder nicht, das soll jeder entscheiden können, wie er will." Auch die Polizei schließt nicht aus, dass es sich bei den Tätern, die bisher nicht ermittelt werden konnten, um extreme Tierschützer handeln könnte. Auffallend bei den Schmierereien ist, dass sie mit einem bestimmten Zeichen versehen werden: Ein Kreis, der sich um ein großes A zieht. In dem A wiederum sind die Buchstaben L und F zu erkennen.

    Vegetarier, Veganer, Pescetarier und Co.

    Manche Menschen essen aus ethischen Gründen kein Fleisch, andere verzichten aus gesundheitlichen Erwägungen oder religiösen Überzeugungen. Es gibt auch flexible Esser - und solche, die auf Fallobst schwören.

    OVO-LAKTO-VEGETARIER essen weder Fisch noch Fleisch. Sie verzichten zum Beispiel auch auf Gelatine, essen aber Produkte von lebenden Tieren wie Milch und Honig.

    LAKTO-VEGETARIER meiden Fleisch, Fisch und zusätzlich auch Eier.

    OVO-VEGETARIER verzichten auf Fleisch und Fisch sowie Milch- und Milchprodukte.

    PESCETARIER essen kein Fleisch, aber Fisch.

    VEGANER leben ohne tierische Produkte. Das gilt nicht nur für die Ernährung. Sie verzichten beispielsweise auch auf Leder und Wolle.

    FRUTARIER wollen, dass Pflanzen nicht oder möglichst wenig geschädigt werden. Sie essen vor allem Fallobst und Nüsse.

    FLEXITARIER sind Gelegenheitsvegetarier, die Wert auf gesundes Essen legen, Fleisch oder Fisch aber nicht kontinuierlich meiden.

    Es ist das Zeichen für die Bewegung "Animal Liberation Front" (frei übersetzt: Tier-Befreiungs-Front). Dahinter steckt eine international dezentral agierende Tierbefreiungsbewegung. Sie gilt als militant. Die Gruppierung will das Töten von Tieren sowie Tierversuche verhindern. Bei der Augsburger Polizei kennt man die Bewegung ALF. "Aber es gibt keine Erkenntnisse, dass wir hier vor Ort eine aktive Szene hätten", sagt Polizeisprecher Maximilian Schwinghammer.

    Vandalismus an Augsburger Metzgerei: Kameras sind auch keine Option

    Die Ottillingers haben überlegt, ob Videokameras am Geschäft in der Bäckergasse eine Option wären, um diese Taten zu verhindern. "Aber was bringt es? Dann maskieren sich die Täter eben", meint Carolin Ottillinger. Rechtlich wäre dies auch nicht zulässig. Privatpersonen und Geschäfte, erklärt Polizeisprecher Schwinghammer, dürfen nur auf eigenem Grund filmen, nicht aber im öffentlichen Raum, zu dem schon ein Gehweg zählt.

    Auf den neuen Reifeschrank sind die Ottillingers stolz. Die Nachfrage nach Dry-Aged-Fleisch sei gut. Seit dem Umbau im Herbst 2019 hätten sich nur vier Menschen darüber beschwert, sagt Carolin Ottillinger.
    Auf den neuen Reifeschrank sind die Ottillingers stolz. Die Nachfrage nach Dry-Aged-Fleisch sei gut. Seit dem Umbau im Herbst 2019 hätten sich nur vier Menschen darüber beschwert, sagt Carolin Ottillinger. Foto: Ulrich Wagner

    Carolin Ottillinger sieht eine ungute Entwicklung in der Gesellschaft. Sie kritisiert die aus ihrer Sicht extreme Art und Weise, mit der versucht werde, die Meinungen von Menschen umzupolen. "Dabei ist doch gerade an unserer heutigen Zeit das Schöne, dass viele verschiedene Meinungen existieren können und große Transparenz herrscht." Über den Vandalismus an ihrem Geschäft ärgere sie sich inzwischen aber nicht mehr. "Mittlerweile bin ich da gelassen. Ich kann sogar schmunzeln über die, die nicht begreifen, wie stolz wir auf unsere Arbeit sind." Und den gläsernen Reifeschrank, sagt sie, den würde sie immer wieder so einbauen lassen. "Sogar doppelt so groß."

    Lesen Sie dazu den Kommentar: Die sachliche Diskussion geht immer mehr verloren

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