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Augsburg: Familie des an Haltestelle getöteten Stefan D.: "Es ist so schmerzhaft"

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Familie des an Haltestelle getöteten Stefan D.: "Es ist so schmerzhaft"

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    Freunde und Bekannte des Opfers stellten Kerzen, Bierflaschen und Stofftiere am Tatort im Augsburger Stadtteil Pfersee ab.
    Freunde und Bekannte des Opfers stellten Kerzen, Bierflaschen und Stofftiere am Tatort im Augsburger Stadtteil Pfersee ab. Foto: Annette Zoepf

    Zwei Wochen ist es her, dass Stefan D., 28, an einer Bushaltestelle in Pfersee mit einem Messerstich getötet worden ist. Die 19 Jahre alte Fabienne K. soll nach einem Streit zugestochen haben, die Ermittler werfen ihr derzeit Totschlag vor. Rechtsanwalt Michael Weiss vertritt die Familie des getöteten Stefan D. Er sagt, nach den ihm vorliegenden Informationen könnte man die Tat womöglich auch als Mord beurteilen.

    Ein Stich traf Stefan D. im rechten unteren Halsbereich. Der eine Stich war nach Einschätzung eines Rechtsmediziners tödlich.
    Ein Stich traf Stefan D. im rechten unteren Halsbereich. Der eine Stich war nach Einschätzung eines Rechtsmediziners tödlich. Foto: Annette Zoepf

    Anwalt zur Tat in Pfersee: Womöglich könnte es Mord sein

    Ihm zufolge gibt es Hinweise darauf, dass Stefan D. in ein Handgemenge mit dem 27-jährigen Freund von Fabienne K. verwickelt war. Die 19-Jährige soll dabei hinter ihrem Freund gestanden sein und dann mit dem Messer zugestochen haben - die Halsschlagader und Speiseröhre sollen dabei verletzt worden sein. So soll es der Freund selbst gegenüber Bekannten erzählt haben, gegenüber den Ermittlern schweigt der 27-Jährige bisher. Wenn die Tat wirklich aus der Deckung heraus geschehen sei, dann müsse man prüfen, ob nicht das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt sei, meint Anwalt Weiss.

    Seit dieser fatalen Begegnung junger Menschen zündet Stefan D.s Großmutter jeden Tag eine Kerze an. Dann betrachtet sie das Foto ihres Enkels, spricht mit ihm. "Ich werde das für den Rest meines Lebens tun", beteuert die 73-Jährige. Auch wenn sie sich beim Bestattungsinstitut von Stefan verabschiedet hat, ihn ein letztes Mal sehen durfte, begreift die ältere Dame nicht, was an jenem Freitag passierte.

    Nach dem gewaltsamen Tod herrscht bei Familie Fassungslosigkeit und Trauer

    Das Wohnzimmer von Stefan D.s Großeltern, in dem Oma, Mutter und Lebensgefährtin des getöteten 28-Jährigen an einem Tisch sitzen, ist klein. Eigentlich ist es gemütlich, das Licht ist warm, auf dem Tisch stehen zwei Schalen mit Obst und Süßigkeiten. Sie wirken wie Überbleibsel aus einer Zeit, in der noch alles gut war. Schmerz und Trauer füllen nun das Zimmer. Die Frauen sagen, sie fassen es nicht, dass Stefan nicht mehr am Leben ist. Dass er getötet worden sein soll. Auf offener Straße, aus heiterem Himmel, von einer 19-jährigen Frau.

    "Er hatte mir an jenem Morgen noch einen Smoothie für die Arbeit gemacht", erzählt seine Freundin. Später habe sie noch eine Whatsapp von ihm erhalten. Sie zeigt ihr Smartphone. "Baby, du bist die beste Maus der Welt", hatte ihr Stefan geschrieben. Die 26- und der 28-Jährige waren seit einem Jahr ein Paar. "Wir hatten so viele Pläne." Die junge Frau weint. Die Familie plagen viele Gedanken und Fragen. "Warum?", würden die Hinterbliebenen gerne von der jungen Tatverdächtigen wissen. "Es ist unverständlich, dass ein Mädchen in der Lage sein soll, so etwas zu tun", meint die Großmutter.

    Tödlicher Messerstich an Haltestelle in Pfersee: 19-jährige Verdächtige schweigt

    Fabienne K. sitzt in der Justizvollzugsanstalt in Aichach. Bisher hat sie sich zu den Vorwürfen nicht geäußert. Ihr Verteidiger Werner Ruisinger sagt, die 19-Jährige sei nach dem Geschehen unter Schock gestanden. Auch er geht davon aus, dass es vor dem Stich eine Auseinandersetzung gegeben hat - wie sie abgelaufen sein könnte, will er derzeit nicht kommentieren. Fabienne K. war erst in diesem Jahr aus der Wohnung ihrer Eltern in Oberhausen ausgezogen. Ihre Mutter arbeitet als Putzfrau, der Vater ist oft auf Montage unterwegs. Eine Nachbarin in dem Mehrfamilienhaus sagt, die 19-Jährige habe freundlich und gut erzogen gewirkt.

    Die junge Frau begann vor rund einem Jahr eine Ausbildung bei einem Augsburger Friseurbetrieb. Dort wird sie als pünktlich und höflich beschrieben. Eines Tages allerdings, quasi von heute auf morgen, sei sie nicht mehr am Arbeitsplatz erschienen. Nachdem sich Unmengen unentschuldigter Fehltage angesammelt hatten, habe man ihr gekündigt. Auch darauf habe Fabienne K. nicht reagiert.

    In der Familie von Stefan D. herrscht tiefe Verzweiflung. "Er hatte so viele Freunde und trotzdem ist er alleine gestorben", sagt die Oma am Boden zerstört. Sie, die Mutter und die Lebensgefährtin erzählen, er sei ein offener Mensch gewesen, der bei vielen beliebt war. Davon zeugen auch die vielen Kerzen und Blumen, die am Tatort aufgestellt worden sind. "Dorschi" wurde das Opfer von seinen Freunden genannt.

    Tödlicher Messerstich in Augsburg: Hinterbliebene sind Spendern dankbar

    De Familie deutet auch an, dass im Leben des jungen Mannes, der Fleischfachverkäufer gelernt hatte, nicht immer alles glatt lief. "Er hatte ein großes Herz für alle, auch für die Falschen", meint die Mutter traurig. Stefan D. hätte in diesen Tagen eine stationäre Suchttherapie beginnen sollen. Er habe gerne Bier getrunken, sagt die Oma. Der 28-Jährige hatte in der Vergangenheit auch schon Ärger mit der Justiz. Unter anderem ist er mit Polizeibeamten aneinandergeraten. Anwalt Michael Weiss betont, das dürfe bei der Bewertung der Tat keine Rolle spielen, etwa indem man ihm vorschnell eine Mitschuld gebe. Er sagt: "In diesem Fall ist er das Opfer."

    "Stefan war kein schlechter Mensch", beteuert die Großmutter. "Er war offen, freundlich, manchmal vielleicht zu vertrauensselig." Die Seniorin hofft, "dass die jungen Leute von diesem Fall etwas lernen". So etwas dürfe nicht mehr passieren. "Es ist so schmerzhaft." Ihr schießen die Tränen in die Augen - wie so oft während des Gesprächs.

    Die Familie ist dankbar, dass ein Freund im Internet eine Spendensammlung organisiert hat, um sie bei den Kosten für die Beerdigung zu unterstützen. Knapp über 7000 Euro sind zusammengekommen. "Uns geht es dabei gar nicht um das Geld. Uns tut die Anteilnahme der Menschen gut und dass sie ihm damit die letzte Ehre erweisen", betont die Mutter. "Dorschis" Freund und Initiator der Aktion arbeitet in einem Bestattungsinstitut. Dort nahm die Familie von dem Getöteten Abschied. Die 26-jährige Freundin legte ihrem toten Lebensgefährten einen sechsseitigen Brief in den Sarg, die Mutter ein Geschenk. Stefan D. wäre im Dezember 29 Jahre alt geworden. Die Oma sagt, sie werde den Anblick ihres toten Enkels nie vergessen. "Sein Gesicht sah traurig aus."

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