Ein Berg Kartons steht vor den Kassen, die Schuhregale im Verkaufsraum sind belegt, und zwischen den Kleiderständern stehen mobile Kleiderstangen, vollgepackt mit Winterjacken und dicken Pullovern: Die Friedberger Filiale des Augsburger Modehändlers Schuh Schmid platzt aus allen Nähten. "Wir wissen nicht mehr, wohin mit all den Klamotten und Schuhen", erzählt Filialleiterin Nicole Vihl. Zu allem Überfluss habe die Filiale schon die ersten Sandalen von den Lieferanten erreicht. "Ich weiß nicht, wo ich die jetzt hinstellen soll", sagt Vihl leicht verzweifelt.
Schuld an diesem Dilemma sind Corona und der Lockdown. Weil erst im Frühjahr und zuletzt ab Mitte Dezember die Geschäfte geschlossen werden mussten, bleiben Modehändler in ganz Deutschland auf ihrer Ware sitzen und bekommen zudem geliefert, was schon vor Monaten bestellt wurde. "Das ist wirklich frustrierend, wenn Sie nur Ware auspacken können, aber keinerlei Kundenkontakt haben", beschreibt Mode- und Schuhexpertin Vihl.
Klamotten türmen sich bei Augsburgs Modehändlern
In Augsburg betrifft das nicht nur das Modehaus Schmid, auch andere Geschäftsinhaber stehen vor diesem Problem. Zuletzt hatte das Modehaus Jung mit einem kurzzeitig geöffneten Outlet in der Innenstadt versucht, Ware abzuverkaufen, um Platz zu schaffen. Bei Schuh Schmid, das nach der Übernahme von K&L 50 Filialen betreibt, muss man mittlerweile Lagerflächen bei Speditionen anmieten, um den Mengen Herr zu werden.
Was mit all den Jacken, Pullovern, Hosen und Schuhen werden soll? Bei Schuh Schmid ist man etwas ratlos. "Es fehlt uns ja jede Perspektive, das ist schon belastend", erzählt Nicole Vihl. Während einige Augsburger Geschäfte versuchen, Ware über den eigenen Onlineshop oder via Social Media zu verkaufen, hat ihr Arbeitgeber von diesem Vertriebskanal wieder Abstand genommen.
"Wir müssten aufgrund unseres Sortiments gegen Amazon und Zalando konkurrieren. Aber das kann ich als Mittelständler gar nicht in der Form leisten", sagt Inhaber Robert Schmid. Auch logistisch habe man ganz andere Herausforderungen als die Großen. Unterm Strich würde sich der Vertrieb über einen Onlineshop kaum lohnen. Auch das neue Instrument Click&Collect wird eher ein Tropfen auf den heißen Stein, fürchtet Schmid. "Wir versuchen es jetzt natürlich, aber ich fürchte, dass die Personalkosten höher sind, als der Umsatz."
Supermärkte verkaufen Mode während des Lockdowns
Wie er die viele Ware nach Ende des Lockdowns verkauft bekommen will, weiß Robert Schmid noch nicht genau. "Das Problem ist ja, dass große Internethändler auch während des Lockdowns weiter ihre Ware verkaufen und das teils auch schon zu reduzierten Preisen." Auch große Supermarktketten haben zum Ärger von Schmid und einigen Kollegen derzeit Mode zu günstigen Preisen im Angebot - und zwar nicht nur Eigen-, sondern auch Markenware. "Was sollen wir dann da dem Kunden bei Wiedereröffnung noch als Kaufanreiz anbieten?", fragt sich auch Filialleiterin Nicole Vihl.
Bis dahin hat ihr Arbeitgeber ohnehin noch andere Sorgen. Seit der Übernahme von K&L hat Schmids Unternehmen 50 Filialen, unter anderem in Augsburg, Neusäß, Senden, Regensburg oder Freilassing. "Wir müssen dafür sorgen, dass überall die Räumlichkeiten in Schuss bleiben und sich keine Keime in den nicht benutzten Wasserleitungen bilden", erzählt er. Bei der Anzahl an Filialen kann Schmid diese Aufgabe nicht alleine übernehmen. Er muss Personal bitten und dafür bezahlen, dass es regelmäßig die Wasserhähne öffnet und durchspült. Auch für das Auspacken und Verräumen der Waren braucht er weiter die Unterstützung seiner Mitarbeiter. Auch das kostet Geld, bei null Einnahmen. Lieferanten, erzählt Schmid weiter, ließen sich nur selten darauf ein, Ware abzubestellen. Sie kämpfen selbst mit der Krise und haben Bestellungen der Vorlaufzeiten im Modehandel wegen schon vor Monaten entgegen genommen und einkalkuliert. Immerhin: Einige Vermieter zeigen sich kulant.
Händler schlagen Alarm: Kinderfüße brauchen den passenden Schuh
Schmid wünscht sich daher endlich mehr Unterstützung seitens der Politik. Bislang sei von den zugesagten Hilfen kein Cent bei ihm angekommen. Auch der Schwäbische Handelsverband betont immer wieder, dass dringend Unterstützung nötig sei, wolle man ein Sterben vieler Händler verhindern - vor allem im Modebereich. Zuletzt hatten in Augsburg Bonita und Reno ihre Filialen geschlossen und Adler eine Insolvenz in Eigenregie angekündigt. Schmid fordert daher neben den staatlichen Hilfen die schnelle Öffnung des Einzelhandels und einen Einkauf mit FFP2-Maske. Dies ist ihm vor allem beim Thema Kinderschuhe ein großes Anliegen.
"Kinderfüße wachsen und deshalb werden zum Frühjahr neue Schuhe nötig", sagt der Experte. Seit vielen Jahren sei das Unternehmen darauf spezialisiert, Eltern fachgerecht zu beraten. "Kinderfüße haben weiche Knochen, die sich mit dem falschen Schuh schnell verformen. Dauerhafte Fehlhaltungen sind die Folge", so Schmid.
Blieben seine Filialen weiter geschlossen, müssten Eltern auf Schuhe aus dem Internet und dem Supermarkt ausweichen, die womöglich nicht die richtige Passform hätten. "Hier kann man bei den Kindern große Schäden anrichten, das bedenkt kaum einer. Ich finde, dass wir Schuhhändler in diesem Bereich als systemrelevant eingestuft werden und geöffnet werden müssten", so Schmid weiter. Deshalb hat er auch einen Antrag bei den zuständigen Behörden gestellt. Er wurde mittlerweile abgelehnt.
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