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Augsburg: Erwischt: Sprayer müssen Graffiti wegschrubben

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Erwischt: Sprayer müssen Graffiti wegschrubben

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    Sozialpädagoge Tobias Müller und einer der Jugendlichen, die beim Sprayen erwischt wurden. Beide entfernen die Schmierereien auf der Kasernenmauer in Pfersee am Grasiger Weg.
    Sozialpädagoge Tobias Müller und einer der Jugendlichen, die beim Sprayen erwischt wurden. Beide entfernen die Schmierereien auf der Kasernenmauer in Pfersee am Grasiger Weg. Foto: Philipp Kiehl

    Es ist ein warmer Sommertag. Die Sonne scheint, und eigentlich könnte Martin* etwas die Seele baumeln lassen. Der 15-Jährige hat die Schulabschlussprüfung hinter sich gebracht. Seine Ausbildung beginnt erst im September. Doch Martin schrubbt. Er beseitigt, was er angerichtet hat.

    Der Teenager hat mit seinen Graffiti Wände und Mauern in Pfersee und Stadtbergen beschädigt. Er und sein Freund wurden erwischt. Um den Schaden wiedergutzumachen und nicht verurteilt zu werden, nimmt Martin am neuen Projekt „EinWandFrei“ des Vereins „Brücke“ teil, das von der Stadt gefördert wird.

    Sechs Stunden dauert es, bis das Graffiti beseitigt ist

    Zum Friedensfest wählen der Graffiti-Verein "Die Bunten" und das Friedensbüro Künstler für großflächige Werke aus. Den Anfang machte 2013 die Crew Captain Borderline aus Köln.
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    „Es war blöd von uns“, sagt Martin nüchtern. Seine Hände stecken in Gummihandschuhen. „Wir haben unnötigen Schaden angerichtet.“ Mit einer Bürste und Wasser schrubbt er die dicke schwarze Farbe von der einstigen Mauer der Sheridan-Kaserne in Pfersee. Zuvor hat er den speziellen Öko-Entferner „Graffiti Ex“ auf den Stellen einwirken lassen.

    Die Arbeit ist mühselig. Die Wand hat mit ihren Kieselsteinen eine unebene Struktur. „Hingesprüht ist es in nur zwei Sekunden. Aber er wird bis zu sechs Stunden brauchen, um das eine Graffiti zu beseitigen.“ Tobias Müller vom Verein „Die Brücke“, der sich um straffällig gewordene Jugendliche kümmert, meint das nicht schadenfroh. Im Gegenteil.

    Der Lerneffekt zählt

    Seine Kollegen und er wie auch Staatsanwaltschaft und Polizei, mit denen die „Brücke“ kooperiert, setzen auf den Lerneffekt. Der Sozialpädagoge betreut derzeit 14 Jugendliche, die wegen unerlaubter Schmierereien angezeigt wurden. Ihr Durchschnittsalter liege bei 16 Jahren. Ein Mädchen sei auch dabei. Das Projekt läuft so ab: Die

    Er berichtet von zwei Jungs, die gerade Abitur gemacht haben. „Sie waren total glücklich, dass sie ohne Schulden ins Studium starten können.“ So ergeht es auch Martin. Der 15-Jährige fängt eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker an. Bis dahin hat er seine Schuld durch Arbeit abgegolten. Doch nicht jeder Sprayer hat eine Chance auf „EinWandFrei“. Das Projekt richtet sich nur an Ersttäter. Sie müssen zwischen 14 und 21 Jahre alt und vollumfänglich geständig sein. Die Schadenssumme darf den Betrag von 10.000 Euro nicht übersteigen.

    Graffiti-Sprayer haben Taten gestanden

    Martin hat alle seine Taten gestanden. An elf Orten haben er und sein Freund gesprayt. Neben größeren Schmierereien hinterließen sie meist ihre „Tags“, Graffiti-Unterschriften quasi. Wie etwa an der Halle 116 in der ehemaligen Sheridan-Kaserne, die der Wohnbaugruppe WBG gehört. Da die Zukunft der Halle aber noch ungewiss ist, wollte die WBG, dass Martin dafür an der Kasernenmauer ein anderes Graffito entfernt. Was ist eigentlich so toll daran, Tags an Wände zu schmieren?

    Die Geschädigte sucht die neue Wandfarbe aus.
    Die Geschädigte sucht die neue Wandfarbe aus. Foto: Philipp Kiehl

    „Eigentlich will man damit nur zeigen, dass man da war“, versucht der 15-Jährige den Reiz zu erklären. „Die Sprayer kennen sich meistens untereinander nicht, aber man steckt sich gegenseitig an“, fügt er hinzu. Tobias und sein Freund wurden von einem Passanten erwischt. „Wir wollten gehen, aber er ist uns hinterher.“ Anstatt abzuhauen, warteten die beiden mit dem Zeugen auf die Polizei.

    Was Graffiti angeht, sind die Bürger sensibilisiert. Das merkt man an dem Spaziergänger, der mit seinem Hund an der Kasernenmauer vorbeikommt. Er nimmt nur den Jungen wahr, der sich an der Mauer zu schaffen macht. Der Hundebesitzer herrscht ihn an: „Was hast du da getan?“ Sozialpädagoge Müller greift sofort ein, beschwichtigt und klärt den Mann auf. Neulich, erzählt er, seien drei Streifenwagen angerückt.

    Passanten waren von der Aktion erst irritiert - und riefen die Polizei

    Ein Passant hatte die Polizei gerufen. Er glaubte, dass gerade Wände beschmiert werden. Seitdem informiert Müller die Polizei vorab, wenn Graffiti entfernt werden. Der Passant ist an diesem Nachmittag nicht der Einzige, der nach dem Rechten sieht.

    Auch Ingrid Thalhofer von der alt-katholischen Gemeinde schaut vorbei. Sie will wissen, ob ein weiteres Graffiti auf der Kasernenmauer nahe der Kirche schon beseitigt wurde. Schließlich feiert die Gemeinde Mitte Juli die Glockenweihe. Bis dahin soll das Umfeld wieder schön aussehen. Mit dem Ergebnis ist Thalhofer nicht ganz zufrieden.

    Beim Entfernen des Graffito ging auch Farbe des Putzes ab. Mit Tobias Köhler einigt sie sich darauf, dass die Mauer zusätzlich gestrichen wird. Zufrieden ist Müller bislang mit dem Engagement der Jugendlichen, die Reinigungsmittel und Farben aus eigener Tasche zahlen müssen. „Sie arbeiten alle konzentriert und zuverlässig“, lobt er. Wie Martin. „Ich habe daraus gelernt. Ich wusste nicht, was ich damit für einen Schaden anrichte und was das dann für eine Arbeit bedeutet.“ (* Name geändert)

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