Sie nennen sich Sissy, Olivia, Raisa oder Niky, bieten ihre Dienste auf Internetseiten an und arbeiten als Prostituierte in einem der Sex-Etablissements der Stadt. Viele der jungen Frauen kommen aus ehemaligen Ostblockstaaten, auch aus Rumänien, dem „Armenhaus“ Europas. Sie wollen Geld verdienen in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Eine 23-jährige rumänische Prostituierte fand sogar ihr persönliches, wenn auch nicht allzu lange dauerndes Glück.
Sie verliebte sich in den Security-Mann des Bordells, in dem sie arbeitete. Und er verliebte sich in sie. Die Beziehung nahm ein unglückliches und unrühmliches Ende. Der Sicherheitsmann, 28, soll seine Geliebte, 23, vergewaltigt, erpresst, sie und ihre Familie mit dem Tode bedroht haben, als sie ihm die Liebe aufkündigte. Ein Prozess vor der 3. Strafkammer beim Landgericht unter Vorsitz von Roland Christiani gibt beim Auftakt auch tiefe Einblicke in das Rotlichtmilieu.
Rocker beobachten Prozess
Im Sitzungssaal 174 haben auch zwei muskelbepackte Männer Platz genommen. Es sind Beobachter des Rockerclubs Hells Angels Allershausen. Sie wollen wissen, ob der Angeklagte die Organisation möglicherweise diskreditiert, mit ihr gedroht hat. Denn Marco S. (Name geändert) hat die Stellung eines sogenannten „Prospects“ kurz vor der Aufnahme als Vollmitglied.
Zumindest eine Zeugin, Freundin des Opfers, sagt, sie habe Angst vor dem Angeklagten gehabt, weil dieser ihr bedeutet habe, dass er bei den Hells Angels sei. Marco S. (Verteidiger: Walter Rubach), dem Staatsanwältin Katja Baues Erpressung, Vergewaltigung, Nötigung und Körperverletzung vorwirft, hat eine lange schriftliche Erklärung vorbereitet.
Er war eifersüchtig
Er verliebte sich Anfang 2015 in die hübsche, schwarzhaarige Rumänin, die unter dem Künstlernamen „Bianca“ arbeitete. „Wir verliebten uns ziemlich schnell, gingen aus, machten sogar ein paar Tage Urlaub in Italien“, erzählt Marco S. Man habe sogar Pläne geschmiedet für eine gemeinsame Zukunft ohne Rotlichtmilieu. Das Problem: Marco S. war eifersüchtig. „Sie nahm jeden Freier mit.“
Der Streit ließ nicht lange warten. „Es war ein Strudel aus Liebe, Eifersucht und Missverständnisse, aus dem wir nicht mehr herauskamen“. Im Juni 2016 dann das Ende der großen Liebe. Bianca, die kurze Zeit in Kaiserslautern arbeitete, wollte mit der Beziehung Schluss machen, in ihre Heimat reisen. Doch Marco S. sagte: Nein.
In ihrer Zeugenaussage im Beisein ihrer Anwältin Marion Zech bestätigt die Rumänin noch einmal die Vorwürfe aus der Anklage. „Er nahm meinen rumänischen Ausweis aus meiner Handtasche. Dann sagte er: ,Du musst 7000 Euro zahlen, dann bist du frei, oder ich töte deine Familie‘.“ In einem Hotelzimmer sei sie dann von Marco S. vergewaltigt worden. Als Bianca Tage später in Augsburg Hals über Kopf das Bordell verließ um ihren Geliebten anzuzeigen, forschte dieser bei ihrer Freundin nach, soll auch diese erpresst haben.
Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe
Marco S., der seit über einem halben Jahr in Haft sitzt, sieht die Vorgänge in einem anderen Licht. In Kaiserslautern habe er zwar den Ausweis zu sich genommen. „Aber das mit den 7000 Euro, das war nicht ernst gemeint, das habe ich vor lauter Wut so gesagt“. Und er habe Bianca „niemals vergewaltigt“. Es sei zu einem „Versöhnungs-Sex“ gekommen. Warum soll ihn denn seine Geliebte angezeigt haben?, will die Staatsanwältin wissen. Der Angeklagte: „Sie hat mich dafür verantwortlich gemacht, dass sie kaum mehr Geld verdient“.
Das ungewöhnliche Liebesverhältnis zwischen Security und Dirne sorgte in dem Lechhauser Bordell für Verwunderung. Eine Angestellte berichtete zwar von „viel Stress zwischen beiden“, schwärmte aber regelrecht von der „großen Liebe“ des Paares. „Sie waren wie Romeo und Julia. Er schenkte ihr sogar einen großen Teddybär, damit sie gut schlafen konnte“. Der Prozess wird am 16. Januar fortgesetzt.