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Augsburg: Einkaufen in der Altstadt: Hier ticken die Uhren anders

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Einkaufen in der Altstadt: Hier ticken die Uhren anders

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    Unten fließt das Wasser, am Geländer des Kanals hängen bunte Jacken und Tücher. Das Flair in der Altstadt einzigartig.
    Unten fließt das Wasser, am Geländer des Kanals hängen bunte Jacken und Tücher. Das Flair in der Altstadt einzigartig. Foto: Annette Zoepf

    Auf dem Holbeinplatz spielen drei Musiker. Ein kleines Publikum sitzt auf den Steinbänken und lauscht ihrer Musik. Menschen flanieren durch die schmalen Gassen, das Wasser in den Kanälen fließt nur etwas schneller. Die Augsburger Altstadt ist ein Kleinod. Auch wenn die Idylle hier greifbar ist, die kleinen Geschäfte stehen vor einer besonderen Herausforderung.

    Kunden in der Altstadt bringen mehr Zeit mit

    Die Schrittgeschwindigkeit der Passanten in der Altstadt erscheint langsamer als in der restlichen Innenstadt. Als ob in den Gässchen die Uhren anders ticken. „Oben geht es viel hektischer zu“, bestätigt Maristella Zenari den Eindruck. Sie hat erst im September ihr Weingeschäft „Vini“ im Hunoldsgraben eröffnet. Zuvor hatte sie 15 Jahre in einem Weinhandel am Rathausplatz gearbeitet. „Hier unten in der Altstadt haben die Kunden mehr Zeit beim Einkaufen. Sie sind entspannter.“ Mit einem besonderen Weinsortiment, das man, wie sie sagt, sonst nicht in Augsburg findet, will sie sich abheben.

    Wie viele ihrer Kollegen in der Altstadt muss Zenari etwas Besonderes bieten, um bestehen zu können. Zudem betreibt sie gezielt Kundenakquise. Denn die Sommelière hat wenig Laufkundschaft. Ihr kleiner, aber feiner Laden liegt abseits der Hauptroute, auf der viele Menschen von der City-Galerie durch die pittoreske Altstadt in Richtung Rathausplatz laufen.

    Die Weiße Gasse etwa, in der unter anderem die Eisdiele Tutti Frutti und das Modegeschäft Lustgarten zu finden sind, ist ein Teil dieser Durchlaufstrecke. Im Jahr 2016 wurden hier an einem Samstag 1100 Passanten pro Stunde gezählt, berichtet Wirtschaftsreferentin Eva Weber. „Mit Blick auf die letzten Jahre zeichnet sich derzeit eine stabile Entwicklung der Kundenfrequenz ab.“ Zum Vergleich: In der Annastraße, der am stärksten frequentierte Bereich in der Innenstadt, wurden an einem Samstag in 2016 im Tagesmittel stündlich 2600 Menschen gezählt. Mehr als doppelt so viele also.

    Viele Geschäfte leben von Stammkunden

    Viele der kleinen Geschäfte in der Altstadt leben von ihren Stammkunden. Wie etwa Lederbekleidung Aigner. Das Geschäft mit Gerberei am Vorderen Lech, das unter anderem selbst geschneiderte Trachtenhosen aus selbst gegerbtem Hirschleder verkauft, gibt es bereits seit 1855. „Zu uns kommen Kunden aus dem Umland und aus München“, erzählt Verkäuferin Heidi Münch. Neulich sei sogar ein Kunde, der das Traditionsgeschäft im Internet entdeckt hatte, extra aus Düsseldorf angereist.

    Auch Petra Schütze und Inge Viel-Steller von der Mode- und Kosmetik-Boutique „Salz des Lebens“ am Mittleren Lech sind auf ihre Stammkunden angewiesen. „Wir haben schon oft überlegt, woanders hinzugehen, aber sehen Sie sich um. Hier ist es wie Urlaub“, sagt

    Als Ladenbetreiberinnen fühlen sie sich nicht ausreichend von der Stadt unterstützt. Eines ihrer Beispiele: Ihre beiden Schaufensterpuppen dürften sie nicht vor den Ladeneingang stellen. „Dafür müssten wir Strafe zahlen.“ Sie machen es dennoch hin und wieder. Gerade die Altstadt lebe doch durch ihre Individualität, findet Schütze. Und diese müsse man aufleben lassen, anstatt sie zu reglementieren. Rund 100 Geschäfte und zirka 50 gastronomische Betriebe sind im sogenannten Altstadtführer aufgeführt. „Die Geschäfte hier können sich gut halten, weil sie das Sahnehäubchen für Augsburg-Kunden sind“, findet Johannes Althammer vom Altstadtverein. Momentan gebe es bei den Läden kaum Leerstände. Weine, Accessoires, Schmuck, Seifen, Tees – die kleinen Geschäfte seien nicht zur reinen Bedarfsdeckung da, wie ein Supermarkt etwa. „Sie sprechen Kunden an, die Spaß daran haben, besondere Dinge zu kaufen.“

    Ein bisschen italienisches Flair - aber mit Bürokratie

    Mit viel Spaß hat auch Nadia Sagona ihr neues Geschäft im Mittleren Lech eingerichtet. Wo im letzten Jahr noch eine Buchhandlung war, ist seit Januar „Die Sizilianerin“ beheimatet. Sagona bietet nicht nur Kulinarisches wie Gewürze, Marmeladen oder Aceto Balsamico aus ihrer Heimat Sizilien. Wenn man den vorderen Laden durchquert, befinden sich dahinter drei weitere gemütliche Räume und ein idyllischer Hinterhof. In einem bietet die Italienerin, die seit 20 Jahren in Augsburg ist, Italienisch-Kurse an.

    In den beiden anderen Räumen sind eine geräumige Küche und ein Esszimmer mit einer langen Holztafel eingerichtet. Bei Nadia Sagona gibt es nämlich auch Kochkurse. „Ich versuche ein Stück Italien hierherzubringen.“ Das passe zu „der wunderschönen Altstadt, die auch italienisches Flair widerspiegelt“, findet die Geschäftsinhaberin.

    Einziger Wermutstropfen: Sagona, die vor dem Laden vier kleine Holztische mit Stühlen aufgestellt hat, darf keinen Kaffee servieren. Die Stadt hätte das nur genehmigt, wenn die Räume zuvor auch schon gastronomisch genutzt worden wären, sagt Sagona. Dabei heiße es immer, man wolle die Altstadt aufleben lassen, kritisiert sie. Doch die quirlige Italienerin hat noch nicht aufgegeben. Sie erwägt bereits eine Unterschriftenliste.

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