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Augsburg: Eine Augsburger Altenpflegerin erzählt: So hart trifft uns das Virus

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Eine Augsburger Altenpflegerin erzählt: So hart trifft uns das Virus

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    Altenpflegerin Jana Schröder entspannt sich zu Hause von der Arbeit im Christian-Dierig-Haus. Katze Rosi lässt sich gerne von der 35-Jährigen verwöhnen.
    Altenpflegerin Jana Schröder entspannt sich zu Hause von der Arbeit im Christian-Dierig-Haus. Katze Rosi lässt sich gerne von der 35-Jährigen verwöhnen. Foto: Annette Zoepf

    Jana Schröder liebt ihren Beruf "von ganzem Herzen". Die 35-Jährige hat sich nach dem Abitur bewusst für eine Ausbildung zur Altenpflegerin entschieden. "Weil ich etwas sozial Sinnvolles und Krisenfestes machen wollte". An dieser Grundeinstellung konnten auch die vergangenen Wochen nicht rütteln, obwohl sie der jungen Frau an die Substanz gegangen sind: Jana Schröder arbeitet als Bereichsleiterin im Christian-Dierig-Haus im Augsburger Stadtteil Pfersee. In jenem Stockwerk, in dem das Coronavirus ausgebrochen ist - und mehr als 20 infizierte Senioren und fast ebenso viele positiv getestete Beschäftigte zur Folge hatte. Auch sie selbst bekam das Testergebnis "positiv", was sie noch heute kaum glauben kann.

    Corona in Augsburger Altenheim: Im Dierig-Haus für erkrankte Kollegin eingesprungen

    Jana Schröder erzählt: "Als das Virus bei uns ausbrach, war ich eigentlich im Urlaub, aber nicht verreist. Deshalb bin ich einmal für eine erkrankte Kollegin eingesprungen." Dabei habe sie sich wohl angesteckt - trotz Mund-Nasen-Schutz. Wo beziehungsweise bei wem, kann die gebürtige Norddeutsche nicht sagen. Es gebe so viele Quellen - Mitarbeiter, Bewohner, Angehörige - und es bringe nichts, Schuldige zu suchen, betont die Altenpflegerin und studierte Pflege- und Sozialmanagerin.

    Mit dem positiven Testergebnis musste Jana Schröder ebenso wie die anderen Betroffenen nach Hause in Quarantäne, obwohl sie abgesehen von Müdigkeit und einem kurzfristigen Verlust des Geruchssinns keinerlei Symptome zeigte. "Ich bin fast ausgeflippt, dass ich nicht arbeiten durfte." Um nicht untätig zu Hause sitzen zu müssen, begab sich die Bereichsleiterin mit Laptop und Telefon ins Homeoffice, hielt Kontakt zu Kolleginnen, die aushalfen, und vor allem auch zu Angehörigen, die plötzlich nicht mehr zu Besuch kommen durften und voller Sorge um ihre alten Menschen waren.

    Als Pflegekraft in einem Altenheim sind Tod und Sterben für die verheiratete 35-Jährige kein Tabuthema. Doch dass die Station innerhalb weniger Wochen von fünf mit dem Coronavirus infizierten Senioren Abschied nehmen musste, hat sie aber aus der Fassung gebracht. "Ich habe viel geweint deswegen und auch, weil es einigen meiner erkrankten Kollegen zeitweise richtig schlecht ging."

    Im Dierig-Haus in Pfersee haben sich viele Bewohner und auch Pflegekräfte mit dem Corona-Virus infiziert.
    Im Dierig-Haus in Pfersee haben sich viele Bewohner und auch Pflegekräfte mit dem Corona-Virus infiziert. Foto: Silvio Wyszengrad

    Das Gefühl, dem Virus hilflos ausgeliefert zu sein, macht Jana Schröder zu schaffen. Zwar wisse man heute viel mehr über Corona als während der ersten Welle im Frühjahr. Dennoch müsse man sich immer bewusst sein, dass es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen keinen hundertprozentigen Schutz gebe - und dass die Gesellschaft ein bis zwei Jahre mit der Pandemie leben müsse.

    Augsburger Altenpflegerin: Kein Verständnis für Corona-Leugner

    Für "Querdenker" und Corona-Leugner hat die Pflegerin deshalb kein Verständnis. Regelrecht traurig stimmt sie die zunehmende Aggressivität in den Diskussionen, ein sachlicher Austausch sei nicht mehr möglich. "Keiner hört mehr dem Anderen zu. Die Leute haben den Respekt voreinander verloren." Aussagen wie "die sterben doch eh bald" bringen die sonst so besonnene Frau ebenso in Rage wie der Vorschlag, Senioren durch Isolation vor dem Virus zu schützen. Man könne die alten Menschen doch nicht einsperren, damit sich die anderen nicht einschränken müssen. "Auch Senioren haben das Recht, das Haus zu verlassen und ihre Familie zu sehen."

    Schröder betrachtet den Kampf gegen Corona als gemeinsame Aufgabe aller Generationen. Selbstverständlich werde sie sich daher impfen lassen, "gerade weil ich weiß, was das Virus anrichten kann und ich inmitten der Risikogruppe arbeite." Dem schwedischen Sonderweg der Herdenimmunität kann Jana Schröder nichts abgewinnen.

    Noch herrscht im Hauptgebäude des Dierig-Hauses Besuchsverbot. Doch ganz allmählich gehe es wieder aufwärts, sagt die Altenpflegerin. Ebenso wie ein Teil ihrer Kollegen ist auch sie nach der Quarantäne wieder an ihren Arbeitsplatz im ersten Stock des Seniorenheims zurückgekehrt. Dankbar ist sie für die Hilfsbereitschaft der nicht infizierten Beschäftigten, die selbstverständlich auf Urlaub und freie Tage verzichtet hätten, um zuletzt den Betrieb am Laufen zu halten - allen voran die Führungskräfte. Auch sie übernehme gerade wieder Nachtschichten, obwohl sie als Bereichsleiterin normalerweise nur Tagdienst hat.

    Pflegerin wünscht sich mehr Wertschätzung für Pflegekräfte

    "Ich habe den Traumberuf schlechthin", betont Jana Schröder trotz alledem. Persönlich fühlt sie sich von ihrem Arbeitgeber - der Arbeiterwohlfahrt Augsburg - fair bezahlt. Wünschen würde sie sich aber, dass die Gesellschaft den Pflegekräften mehr Wertschätzung entgegenbringt. Ein mitleidiges Lächeln sei dabei fehl am Platz. "Wir haben die Ehre, alte Menschen auf ihrem letzten Lebensabschnitt zu begleiten", sagt sie.

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