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Augsburg: Ein ganz normales Viertel, oder?

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Ein ganz normales Viertel, oder?

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    Die Wertachstraße ist die zentrale Verkehrsachse im Quartier Rechts der Wertach. In den Seitenstraßen ist von dem Trubel hier nicht mehr viel zu sehen und zu hören.
    Die Wertachstraße ist die zentrale Verkehrsachse im Quartier Rechts der Wertach. In den Seitenstraßen ist von dem Trubel hier nicht mehr viel zu sehen und zu hören. Foto: Annette Zoepf

    Von Andrea Baumann

    Oberhausen/Rechts der Wertach Gut gemeinte Förderprogramme kommen nicht bei jedem so gut an, wie es die Stadtplaner vielleicht erwarten. Das wird deutlich, als wir mitten im Viertel Rechts der

    Zu der Infoveranstaltung, die gestern Abend nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe stattfand, wollte die Hausbesitzerin daher auch nicht gehen. „Da würde ich mich viel zu sehr aufregen.“ Besonders wurmt es sie, dass die Stadt das Viertel Rechts der Wertach zum Planungsraum Oberhausen zählt. „Wir sind nicht Oberhausen“, betont die Seniorin. Und sie untermauert ihre Worte mit einem Dokument von 1905, in dem das Viertel nicht der damals noch selbstständigen Nachbargemeinde, sondern Augsburg zugeordnet wird.

    Heute, fast 110 Jahre später, bildet der Stadtbezirk 6 das Bindeglied zwischen der Innenstadt und dem Nachbarstadtteil. Der Stadtrat beschloss daher im vergangenen Herbst, auch dem Gebiet Rechts der Wertach das zukommen zu lassen, was Oberhausen-Nord und -Mitte bereits seit Jahren haben – das Städtebauförderprogramm Soziale Stadt. Ziel ist, die Wohn- und Lebensbedingungen sowie die wirtschaftliche Basis im Stadtteil beziehungsweise Quartier zu verbessern. Für bauliche Maßnahmen kann die Stadt bis zu 60 Prozent Zuschuss von Bund und Land erhalten. Was gemacht wird, wollen sie und das Quartiersmanagement jetzt mit den Bewohnern, Hausbesitzern und Gewerbetreibenden erarbeiten.

    Can Sarier sitzt mit im Boot, sieht die Soziale Stadt als Chance für sein Viertel. „Hier leben ja auch Menschen. Es ist gut, dass nicht alles in die Innenstadt hineingepumpt wird“, sagt er. Der türkischstämmige Einzelhändler eröffnete im Frühjahr in der Wertachstraße das „Cherezhaus“, wo er Süßigkeiten, Trockenfrüchte und Nüsse in vielen Varianten anbietet. Ursprünglich wollte er in die Bahnhofstraße gehen, „doch da hätte ich die dreifache Miete zahlen müssen“, sagt der Familienvater. Der

    Aufbruchstimmung ist an der zentralen Verkehrsachse zu spüren. Hausbesitzer putzen ihre Immobilien heraus, um sie einer neuen Mieterklientel schmackhaft zu machen. Mieter, die nicht auf den An- und Verkauf von Handys setzen, Ein-Euro-Artikel anbieten oder auf ein wettfreudiges Publikum setzen. Die Wertachstraße lebt von ihrem Angebotsmix und der überwiegend im Imbissbereich angesiedelten Gastronomie. Die Agentur für Arbeit und das Zentrum für interkulturelle Beratung bringen untertags Laufkundschaft ins Viertel. An der Straßenbahnhaltestelle Senkelbach mengen sich viele Sprachen unters „Augschburgerisch“. Wenige Meter von der stark frequentierten Wertachstraße entfernt bietet sich dem Besucher ein ganz anderes Bild: ein ruhiges, baumreiches Wohnviertel mit gepflegten Mehrfamilienhäusern und grünen Höfen, in denen bei trockenem Wetter die Wäsche im Wind flattert. Das trifft auch auf die Wohnblöcke der „Allgemeinen Baugenossenschaft für Augsburg und Umgebung“ zu, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hinter dem MAN-Gelände errichtet wurden – unter anderem in der Ottostraße.

    Dass hier 2013 in einem ehemaligen Gewerbebau eine Asylunterkunft für 160 Frauen, Männer und Kinder entstand, brachte die Mieter damals sehr auf. Sie fühlten sich schlichtweg übergangen. „Am Anfang war das ein Schock“, sagt eine Frau, die direkt gegenüber dem Eingang zum Flüchtlingsheim wohnt. Sie zeigt auf die offenen Fenster, aus denen Musik dringt. Im Sommer sei es hier sehr laut gewesen. Jetzt gebe es in der Unterkunft nachts einen Ordnungsdienst, sagt die Mieterin. Nach Schimpfen ist ihr nicht zumute, die 73-Jährige hat sich mit ihren neuen Nachbarn arrangiert: „Man muss halt ein Auge zudrücken.“

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