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Augsburg: Ein Augsburger sitzt im indonesischen Gefängnis - und wurde fast hingerichtet

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Ein Augsburger sitzt im indonesischen Gefängnis - und wurde fast hingerichtet

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    Hans-Peter Naumann während seiner Haft in Bali.
    Hans-Peter Naumann während seiner Haft in Bali. Foto: Sonny Tumbelaka, afp/Getty Images

    Man kann Hans-Peter Naumann telefonisch erreichen, es geht sogar ganz einfach. Man ruft ihn einfach an. Oder man schreibt ihm eine E-Mail, dann antwortet er prompt. Beides ist ungewöhnlich nach deutschen Maßstäben, denn Naumann sitzt seit Jahren im Gefängnis, ein Ort eigentlich, der schnelle Kommunikation nach außen unmöglich macht. Naumann wurde 2015 von einem indonesischen Gericht zu 15 Jahren Knast verurteilt. Er hatte 328 Gramm Kokain im Flugzeug von Thailand nach Indonesien in seinem Körper geschmuggelt; heute sitzt er im Kerobokan-Gefängnis auf Bali, genannt Hotel K“. Eine Art Witz natürlich, denn die Zustände in dem Knast sind nicht gerade behaglich. Er ist berüchtigt für überfüllte Zellen, Gewalt und Korruption. Er habe, sagt Naumann, etwa drei Quadratmeter Privatsphäre zur Verfügung. Aber immerhin. Für die Zelle zahle er 70 Euro im Monat. Naumann, der in Deutschland zuletzt im Raum Augsburg wohnte, hat ein bewegtes Leben geführt. Wie kam er in die jetzige Situation?

    Ein Bild, das Hans-Peter Naumann aus dem Gefängnis in Bali geschickt hat.
    Ein Bild, das Hans-Peter Naumann aus dem Gefängnis in Bali geschickt hat. Foto: Naumann/privat

    Es gibt von dieser Geschichte, Naumanns Lebensgeschichte, eine ausführliche Version. Der 55-Jährige hat ein Buch geschrieben im Knast, eine Autobiografie, ein deutscher Verlag hat sie veröffentlicht, auch all das ist, nun ja, nicht so ganz alltäglich. Wer das Buch liest, das den Titel „5447 Tage im Schatten vom Paradies“ trägt, bekommt den Eindruck eines Mannes, der in seinem Leben viel ausprobiert und mitgenommen hat, etwa Fremdenlegionär war, Discobesitzer in Ungarn, Schlagersänger. Ein Berufsfeld, in dem er unter dem Namen „Patrick Naumann“ unterwegs war. 2012, so schildert es Naumann am Telefon, zog er von Friedberg nach Thailand, wo er in Pattaya ein Restaurant betrieb, Schnitzel verkaufte. Schlager sang für seine Gäste. Und wo er eine Freundschaft geschlossen habe, die ihn ins Gefängnis führte. Naumann schreibt, dass er geplant hatte, nach Bali zu reisen, und sein Freund, ein Kanadier, ihn gebeten habe, eine Tüte für ihn mit nach Bali zu nehmen. Als Naumann in die Tüte sah, um zu wissen, was er da transportieren solle, habe der Kanadier ihn mit einer Pistole bedroht. Sollte Naumann die Drogen nicht schmuggeln, würde seine Freundin getötet. Der Kanadier, schreibt Naumann, habe ihn gezwungen, die Kapseln zu schlucken und ihn zum Flughafen nach Bangkok gebracht.

    Prozess in Indonesien: Augsburger wird zu 15 Jahren Haft verurteilt

    Es ist eine Geschichte, die dubios klingt und sich nicht überprüfen lässt, am Flughafen in Indonesien flog Naumann bei einer Kontrolle jedenfalls auf. Beim Prozess gegen ihn vor einem indonesischen Gericht ging es um alles; in Indonesien droht bei derartigen Drogen-Vergehen die Todesstrafe. Um zu verhindern, dass Naumann hingerichtet wird, zeigte sein deutscher Anwalt Christoph Rühlmann seinen Mandanten sogar in Deutschland bei der Staatsanwaltschaft Augsburg an. Die Hoffnung: Naumann wird nach Deutschland ausgeliefert und bekommt hier einen Prozess. Tatsächlich eröffnete die Staatsanwaltschaft damals ein Ermittlungsverfahren, wie ein Behördensprecher auf Anfrage bestätigt, sie stellte auch ein Auslieferungsersuchen, doch daraus wurde nichts. Indonesien lieferte nicht aus, das Verfahren in Deutschland wurde eingestellt.

    Also kam es zum Prozess in Indonesien. Und sehr anders, als man es von Verhandlungen in Deutschland kennt. Das Verfahren, sagt Naumann am Telefon, sei über drei Monate gelaufen, jeder Prozesstag habe immer nur 15 Minuten gedauert. „Alles mit einem Englischdolmetscher, der der Sprache in Indonesien nicht wirklich mächtig war.“ Der Anwalt aus Bali, der ihn vertreten habe, erfülle eine andere Funktion, als man es in Deutschland kenne. „Der kämpft nicht für einen, Freisprüche gibt es sowieso nicht“, sagt Naumann. „Der Anwalt ist nur dafür da, um bei der Bezahlung zu vermitteln. Es ist grotesk.“ Denn Schmiergeld spiele im indonesischen Justizsystem eine wichtige Rolle. Eigentlich, sagt Naumann, dürfe er im Gefängnis auch nicht telefonieren, aber geduldet werde es jetzt doch, so funktioniere es hier nun mal mit der Korruption. Am Ende erhielt er jedenfalls eine Haftstrafe von 15 Jahren, sechs Jahre und sieben Monate hat er seither abgesessen.

    Hans-Peter Naumann lebte im Raum Augsburg, ehe er nach Thailand zog – und in Indonesien fast hingerichtet worden wäre. Nun sitzt er in Haft im Kerobokan-Gefängnis.
    Hans-Peter Naumann lebte im Raum Augsburg, ehe er nach Thailand zog – und in Indonesien fast hingerichtet worden wäre. Nun sitzt er in Haft im Kerobokan-Gefängnis. Foto: Made Nagi, dpa

    Es gibt Möglichkeiten, dass Naumann nicht die kompletten 15 Jahren im Knast bleiben muss. Vielleicht gibt es Strafnachlass nach elf Jahren, vielleicht kommt der 55-Jährige auch schon nach etwas mehr als neun Jahren auf Bewährung raus. Darauf hofft Naumann jedenfalls. Was er zum Gefängnisalltag zu berichten hat, klingt bizarr. Der Block im „Hotel K“, in dem er untergebracht ist, sei für 40 Menschen ausgelegt, belegt sei er aber mit 120 Menschen. Gewalt unter Gefangenen habe es früher mehr gegeben, heute „hält es sich in Grenzen, aber es gibt sie immer noch“. Medizinische Versorgung für Häftlinge existiere so gut wie gar nicht. Seine Zelle teilt er mit einem Franzosen, eingerichtet hat er sie nicht groß, das lohne bei 2,70 Quadratmetern nicht. Programme zur Resozialisierung? Guter Witz. „Der Block wird nach dem ersten Appell aufgeschlossen, ab 17 Uhr wieder zugeschlossen, in der Zeit kann man sich frei bewegen“, sagt Naumann. Er hat viel Zeit, die man irgendwie füllen muss.

    Hans-Peter Naumann sitzt in einem berüchtigten Gefängnis in Indonesien

    Vielleicht ist jemand wie Naumann, der ein wildes Leben geführt hat, noch am ehesten in der Lage, die Umstände zu überstehen. Er weiß offenbar, in den komplizierten Strukturen des Gefängnisses nicht unterzugehen. „Man macht hier sein eigenes Ding“, sagt er. „Dann kommt man in nichts rein, und bekommt auch keine Probleme, so handhabe ich das.“ Er weiß aber offenkundig auch, sich zu beschäftigen, wo es nicht viel Beschäftigung gibt. Er hat ein Buch geschrieben und arbeitet an dem nächsten, er hat eine Kochschule im Gefängnis gegründet und den „indonesischen Mithäftlingen beigebracht, wie man Schweinebraten macht“, auch der Spiegel berichtete vor Jahren einmal darüber. Er nimmt an einem Projekt teil, das sich „Walking Against Drugs“ nennt, 14.000 Kilometer will er innerhalb der Gefängnismauer gehen. Er ist in Kontakt mit einem Regisseur, der sein Leben verfilmen will. Verrückt genug für einen Film wäre es wohl.

    Irgendwann jedenfalls wird Hans-Peter Naumann frei sein. Und dann? Auf jeden Fall nach Deutschland zurück, seine Tochter sehen, sagt er. Und dann auf der Route 66 von Chicago nach Los Angeles mit dem Fahrrad fahren, das ist der Plan. „Ich habe so viel von meiner Freiheit eingebüßt“, sagt Naumann, „das Glas muss wieder aufgefüllt werden“.

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