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Augsburg: Durch den Augsburger Stadtwald zieht jetzt eine besondere Rinderherde

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Durch den Augsburger Stadtwald zieht jetzt eine besondere Rinderherde

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    Landwirt Martin Augustin stellt seine Rinder für den Versuch im Stadtwald zur Verfügung.
    Landwirt Martin Augustin stellt seine Rinder für den Versuch im Stadtwald zur Verfügung. Foto: Norbert Pantel

    Sie heißen Franziska, Anna, Blume und Osterglocke. Die vier Mutterkühe haben auch noch vier Kälbchen dabei. Die Pinzgauer Rinder grasen nun mitten im Augsburger Stadtwald. Am Dienstag wurde die Mutterkuhherde erst einmal im großen Gehege neben den Wildpferden freigelassen. Dort steht den Rindern eine Bewährungsprobe bevor. In den kommenden zwei bis drei Monaten wird getestet, ob sie zuverlässig ein Gewächs wegfressen, das Probleme bereitet - den Faulbaum. Wenn sie das tun, sind weitere Schritte geplant.

    Seit 2007 sorgen Weidetiere in den Gehegen des städtischen Landschaftspflegeverbands dafür, dass im lichten Kiefernwald und auf der Heide umweltschonend verfilzte Gräser und wuchernde Büsche zurückgedrängt werden. Als lebende Rasenmäher schaffen sie im Naturschutzgebiet mehr Licht und Luft für seltene Arten. Bislang gibt es jedoch ein Problem: Die Przewalski-Pferde und Schafe fressen zwar vieles, meiden aber den wuchernden Faulbaum. Er schmeckt ihnen nicht.

    Weniger Faulbäume im Stadtwald: Suche nach neuen Methoden

    "Langfristig suchen wir nach Methoden, um die weitere Ausbreitung des Faulbaums im lichten Kiefernwald einzudämmen", sagt Biologe Norbert Pantel, Leiter des Beweidungsprojekts. Er verweist auf Erfahrungen mit Rindern an der Isar. Dort zeige sich, dass diese unter bestimmten Bedingungen einen deutlichen Effekt auf die Faulbaumstände haben können.

    Pinzgauer Rinder grasen jetzt auch im Stadtwald.
    Pinzgauer Rinder grasen jetzt auch im Stadtwald. Foto: Norbert Pantel

    Die neue Rinderherde im Stadtwald gehört dem Friedberger Landwirt Martin Augustin. Er freut sich, dass beim Transport alles gut gelaufen sei: "Nach der Ankunft sind sie gleich in den Wald losmarschiert", erzählt er. Dort stehen sie nun versteckt zwischen Kiefernbäumen und knabbern an langen Grashalmen und Gebüsch. Augustin meint, dass sie in einigen Tagen ihre Lieblingsplätze haben würden, wo Spaziergänger sie sehen können. Er bittet darum, die Rinder nicht zu füttern, weil sie sonst krank werden. Natürliche Nahrung und Wasser gebe es in dem acht Hektar großen Gehege genug.

    Pinzgauer Rinder im Stadtwald Augsburg: Ausnahmegenehmigung nötig

    Der Landwirt stellt für den Test zunächst vier Mutterkühe mit ihren Kälbern bereit. Sie werden sich für acht bis zwölf Wochen im früheren Rothirsch-Gehege aufhalten. Der befristete Test soll auch zeigen, wie groß der Betreuungsaufwand für die Tiere sein wird. Ein Vorteil ist, dass die Kühe nicht gemolken werden müssen, wenn sie ihren Nachwuchs selber aufziehen. Melken ginge nur im Stall. Und ein täglicher Transport von der Weide zurück zum Hof wäre nicht machbar, sagt Augustin. Die Kälber fangen bei der natürlichen Aufzucht auch früher an, Gras zu fressen, und wachsen nach seinen Angaben sehr gut.

    Die Geschichte des Augsburger Stadtwalds

    1249 schenkte Ritter Siegfried von Bannacker dem Hospital zum Heiligen Geist sein väterliches Erbgut mit einem größeren Waldkomplex. 

    1602 erwarb die Stadt Augsburg von Bischof Heinrich von Knoeringen im Tausch gegen Grundbesitz in Anhausen und Eppisburg den Kernbereich des heutigen Siebentischwalds. Dadurch wurde die Wasserversorgung der Bürger für Jahrhunderte gesichert.

    1721 erhielt die Stadt den Haunstetter Wald für 40 Jahre als Pfand für ein Darlehen von 100.000 Gulden an Kurfürst Max Emanuel von Bayern. Damit war sie berechtigt, „die Brunnenquellen zusammenzuführen und in die Stadt zu leiten“ sowie Holz für den Wasserbau am Lech und zum Ausbau der Brunnen zu schlagen.

    1902 erwarb die Stadt das von Beck’sche Landgut mit 44 Hektar, richtete dort ab 1907 das Forsthaus Siebenbrunn ein und forstete die landwirtschaftlichen Flächen auf.

    1924 konnte die Stadt nach mehreren gescheiterten Versuchen den 879 Hektar großen Haunstetter Wald von Kommerzienrat Johann Pfeffer erwerben. Das Tattenbachpalais, ehemaliger Sitz der Familie Käß/von Tattenbach und späteres Rathaus von Haunstetten, beherbergt heute die Stadtforstverwaltung Augsburg.

    1927 erhielt die Stadt den Haunstetter Gemeindewald (37 Hektar) als Gegenleistung für den Bau der Straßenbahnlinie 4 nach Haunstetten.

    1942 übernahm die Stadt aus politischen Gründen die Wälder der vier städtischen Stiftungen in ihr Eigentum, um sie vor dem Nationalsozialismus zu schützen. Diese Stiftungen, darunter etwa die paritätische St.-Jakobs-Stiftung, sind heute zu 83 Prozent an den Reinerlösen des Gesamtwaldbesitzes außerhalb der Stadtgrenzen beteiligt. So dient der Waldertrag überwiegend der Erfüllung sozialer und kultureller Aufgaben. Die Stadt erhält 17 Prozent der Erträge.

    1958 übereignete Wolfgang Freiherr von Schaezler den 139 Hektar großen Schaezlerwald bei Pichl der Stadt Augsburg zur Erinnerung an seine im Krieg gefallenen beiden Söhne. Der Waldertrag dient dem Bauunterhalt des Schaezlerpalais, außerdem wird daraus ein jährlicher Beitrag für Stipendien von Studenten der Forstwissenschaften und der Altphilologie finanziert. Allerdings müssen die Studenten Absolventen des humanistischen Gymnasiums in Ansbach oder des humanistischen Gymnasiums bei St. Anna in Augsburg sein.

    1972 wuchs der Stadtwald durch die Eingemeindung der Städte Haunstetten und Göggingen sowie der Gemeinde Inningen um 350 Hektar.

    1996 erhielt die Stadt den 50 Hektar großen Gutmannwald nahe Treuchtlingen von ihrem Ehrenbürger Max Gutmann. Die Erträge sind für karitative, sonstige soziale Zwecke und für die Förderung des Sports in der Stadt Augsburg zu verwenden.

    Noch ist es ein Test im Stadtwald. Pantel zufolge läuft er in Abstimmung mit allen zuständigen Behörden, denn der Stadtwald ist ein wichtiges Trinkwasserschutzgebiet für Augsburg. Wenn die Premiere erfolgreich verläuft, braucht der Landschaftspflegeverband eine Ausnahmegenehmigung für eine längerfristige Rinderhaltung. Ziel ist, dass die Pinzgauer ab dem kommenden Jahr nicht nur in ihrem eigenen Gehege grasen. Sie sollen zwischendrin auch im Gehege gegenüber bei den Przewalskipferden auf die Weide gehen. Dies wäre idealerweise im Frühjahr, weil der Faulbaum in dieser Jahreszeit am effektivsten zurückgedrängt werden kann, so Pantel. Künftig sei außerdem denkbar, dass sich Rinder und Wildpferde ein Gehege teilen. Dazu seien aber noch weitere Vorbereitungen nötig.

    Eine vom Aussterben bedrohte Rasse

    Das Pinzgauer Rind ist eine vom Aussterben bedrohte Rinderrasse - der Name leitet sich vom Pinzgau ab, der Region um Zell am See in Österreich. Die Pinzgauer waren in früheren Zeiten klassische sogenannte Dreinutzungsrinder: Sie wurden nicht nur wegen Milch und Fleisch, sondern auch wegen ihrer Zugkraft gehalten. Heute gibt es in Deutschland nur noch rund 1800 Pinzgauer Rinder. Die robuste Rasse eignet gut für den Einsatz in der Landschaftspflege. In Augsburg weiden Pinzgauer auch in dem großen Biotop bei Bannacker im Stadtteil Bergheim.

    Der Friedberger Landwirt Martin Augustin setzt seine Rinder auch auf Naturschutzflächen am Siebenbrunnenbach im Augsburger Stadtteil Lechhausen und im Landkreis Aichach-Friedberg ein. Das Fleisch vermarktet er über einen Hofladen in Friedberg. Die Mitarbeit bei Beweidungsprojekten und in der Landschaftspflege sei für ihn eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle, sagt der 45-Jährige.

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