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Augsburg: Drei Selbstständige erzählen, wie hart die Corona-Krise sie trifft

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Drei Selbstständige erzählen, wie hart die Corona-Krise sie trifft

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    Georg Massing kann derzeit nicht in seiner Physiotherapie-Praxis arbeiten.
    Georg Massing kann derzeit nicht in seiner Physiotherapie-Praxis arbeiten. Foto: Michael Naumann

    Vieles, was noch Anfang März selbstverständlich war, ist jetzt komplett gestrichen. Der Termin bei der Kosmetikerin ist ebenso aus dem Kalender verschwunden wie die Behandlung beim Physiotherapeuten. Die Nägel wachsen, die Hornhaut wird dicker und auch der Rücken zwickt im Homeoffice. Wie gut täten jetzt ein Cappuccino im Lieblingscafé und ein Plausch mit dem Mann hinter der Espressomaschine – Fehlanzeige. Doch während uns der leere Terminkalender ungeplante, ja ungewollte Freizeit beschert, plagen Existenzsorgen die andere Seite.

    Corona: Der Gastronom vermisst auch die Gespräche

    Heinz Gießer etwa. Seit 22 Jahren betreibt der Konditormeister das Café bei Bücher Pustet. Dass die Buchhandlung demnächst wieder öffnen darf, hilft ihm nichts. Denn der 50-Jährige muss seine Gastronomie weiter geschlossen halten. Aus diesem Grund ist er froh, dass ihm sein Vermieter die Pacht in dieser Zwangspause erlässt. Er sagt: „Ich muss nur die Betriebskosten zahlen.“

    Bücher Pustet darf zwar bald wieder öffnen - das Café, das Heinz Gießer dort betreibt, muss aber noch geschlossen bleiben.
    Bücher Pustet darf zwar bald wieder öffnen - das Café, das Heinz Gießer dort betreibt, muss aber noch geschlossen bleiben. Foto: Heinz Gießer

    Die Kulanz von Pustet ermöglicht es ihm momentan noch, seine studentischen Aushilfskräfte weiter zu bezahlen – zur Zeit bauen sie ihren Urlaub ab. Die bräuchten ja auch ihr Geld, sagt Gießer. Wie er selbst Geld in die Kasse bekommt, weiß er nicht. Aktuell bestreitet seine Frau, die beim Staat arbeitet, das Familieneinkommen. Der zweifache Vater hat beim Bund und beim Freistaat Soforthilfe beantragt – insgesamt wären das 14.000 Euro. „Eine Rückmeldung habe ich noch nicht bekommen“, sagt er.

    Heinz Gießer hat viel Zeit, über die nächsten Monate nachzudenken. „Es wird sehr lange dauern, bis wir uns wieder normal bewegen“, sagt er. Selbst wenn er irgendwann sein Café wieder öffnen dürfe, rechne er mit weniger Zulauf, weil die Menschen verunsichert seien und es im Sommer ohnehin ruhiger sei. Plätze könne er ja noch reduzieren, überlegt er. „Aber mit Mundschutz essen und trinken geht nicht.“ Weil die Hoffnung aber bekanntlich zuletzt stirbt, tüftelt Heinz Gießer gerade an seiner Sommerkarte. Abgesehen von den für ihn nicht absehbaren wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie vermisst er auch die sozialen Kontakte. „Mir fehlen die Gespräche mit meinen Gästen.“ In den 22 Jahren, in denen er schon hinterm Tresen seinen Cafés steht, seien auch viele Freundschaften entstanden.

    Kosmetikerin: Die Kunden kommen später nicht zweimal

    Auch Annette Jahns Arbeit ist von persönlichen Kontakten geprägt. Als Kosmetikerin ist sie ganz nah dran an ihren Kundinnen – und vereinzelt auch Kunden. Schon zu Beginn der ersten Corona-Infektionen, als es noch Behandlungen gab, hatte die 33-Jährige Hygienemaßnahmen verschärft und ihre Kundschaft gebeten, bei Erkältungssymptomen fernzubleiben. Seit einem Monat hängt vor ihrer Ladentür im Textilviertel das Schild „closed“ – geschlossen. Wie Cafébetreiber Gießer hat Jahn Soforthilfe beantragt und will auch ihre beiden Minijobberinnen weiterbezahlen – wenn es irgendwie geht. Momentan kommt nur noch ein geringer Prozentsatz der üblichen Einnahmen rein. Der Online-Verkauf von Gutscheinen und Kosmetika sei nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, sagt sie. Allein die Fixkosten reißen ein tiefes Loch in ihre Kasse.

    Kosmetikerin Annette Jahn hat ihr Geschäft seit einem Monat geschlossen - der Online -Verkauf fängt das Minus nur ein wenig auf.
    Kosmetikerin Annette Jahn hat ihr Geschäft seit einem Monat geschlossen - der Online -Verkauf fängt das Minus nur ein wenig auf. Foto: Annette Jahn

    Annette Jahn weiß, dass sich die ausgefallenen Termine nicht kompensieren lassen, sollte sie irgendwann ihren Salon wieder öffnen dürfen. „Die Kunden kommen dann ja nicht zweimal.“ Eines kommt für die Augsburgerin nicht in Frage: Angebote, ob sie in der Krisenzeit nicht heimlich weitermachen wolle, lehnt sie strikt ab. Freilich hofft sie, dass nach den Friseuren in den nächsten Wochen auch die Kosmetikstudios von Lockerungsmaßnahmen profitieren.

    Die 33-Jährige trifft die Corona-Krise nicht nur beruflich, sondern auch privat. Ihre Hochzeit Ende April wollten sie und ihr Partner mit Familie und Freunden erst in einem Restaurant und danach in einem Klub gebührend feiern. Daraus wird erst mal nichts. „Wir hoffen, das Fest irgendwann nachholen zu können.“ Am Termin nur zu zweit im Standesamt hält das Paar fest – schon wegen der Eheringe mit dem eingravierten Datum.

    Seit Mitte März spielt sich auch Georg Massings Leben in trauter Zweisamkeit ab. Statt in seiner Praxis verbringt der Physiotherapeut den Tag zu Hause mit seiner Partnerin – oder gönnt sich eine Runde mit dem Fahrrad. Schon ein paar Tage, bevor sich die Krise zuspitzte, sagte er alle Termine ab – wenn ihm die Patienten nicht schon zuvorgekommen waren. „Ich wollte einfach Vorsicht walten lassen“, sagt er. Anders als Kosmetikerinnen bewegt sich Georg Massing in einer Grauzone. Er könnte Notfall-Behandlungen durchführen. Der Therapeut hat sich jedoch zu seinem eigenen Schutz und aus Fürsorge gegenüber seinen Patienten für eine komplette Schließung seiner Praxis entschieden. Denn Behandlungen auf Abstand seien schlichtweg unmöglich.

    Physiotherapeut hofft auf Rettungsschirm

    Freilich schmerzt ihn angesichts der Fixkosten wie Miete das leere Terminbuch. „Mir fehlen, wenn ich noch den Mai dazurechne, drei Monate Einnahmen.“ Es werde knapp, auch wenn er keine Angestellten habe. Erleichtert ist er, dass er die Soforthilfe schon bekommen hat – 5000 Euro. Hoffnungen setzt Massing nun auf einen weiteren Rettungsschirm. Unter anderem für Heilmittelpraxen sind pauschale Ausgleichszahlungen von 40 Prozent der abgerechneten Umsätze für die Behandlung gesetzlich Krankenversicherter im Gespräch. Nicht nur wegen der Finanzen sehnt er ein Ende des Ausnahmezustands herbei.„Früher war ich entspannt. Jetzt bin ich nervös und schlafe schlecht.“

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