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Augsburg/Dillingen: Illegale Absprachen? Anklage gegen Busfirmen aus der Region

Augsburg/Dillingen

Illegale Absprachen? Anklage gegen Busfirmen aus der Region

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    Haben Staat und Kunden zu viel bezahlt für den Nahverkehr? Diese Frage steht im Raum, seit die Staatsanwaltschaft wegen Kartellverdachts ermittelt.
    Haben Staat und Kunden zu viel bezahlt für den Nahverkehr? Diese Frage steht im Raum, seit die Staatsanwaltschaft wegen Kartellverdachts ermittelt. Foto: Marcus Merk

    Auf den ersten Blick sieht man fast keinen Unterschied. Die Regionalbusse des Augsburger Verkehrsverbunds (AVV) sind fast alle weiß, beklebt mit einem blau-grünen Schriftzug. Betrieben werden die Linienbusse aber von privaten Busfirmen oder von der Regionalbus Augsburg GmbH, kurz RBA. Das verrät nur ein relativ kleines Logo an den Seiten der Busse. Nun aber sind einige dieser Busfirmen ins Visier der Justiz geraten.

    Die Augsburger Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass rund zehn Unternehmen aus der Region schon vor Jahren ein Kartell gebildet haben, um an lukrative Aufträge im Nahverkehr zu kommen. Nach Informationen unserer Redaktion hat die Behörde deshalb Ende März Anklage erhoben.

    Die Anklage richtet sich demnach gegen 13 Verantwortliche der Busfirmen. Den Busunternehmern wird darin vorgeworfen, allein in den Jahren 2015 bis 2017 durch Absprachen an Aufträge in einem Umfang von rund 70 Millionen Euro gekommen zu sein. Im Mittelpunkt der Affäre steht die Regionalbus Augsburg GmbH, die einst ein Staatsbetrieb war und zur Bahn gehörte. Vor zwei Jahrzehnten wurde die RBA privatisiert und ging – mit Unterstützung von CSU-Politikern – mehrheitlich an regionale Busunternehmer. Kleinere Anteile hielten Kommunen.

    Ein brisantes Dokument soll die Absprachen der Busunternehmen belegen

    Das Kartell sollen die privaten Besitzer der RBA gebildet haben. Es gibt ein brisantes Dokument, welches das belegen soll. Die Ermittler fanden es. Im Jahr 2016 hatte es eine Razzia gegeben, bei der unter anderem die RBA-Zentrale an der Eichleitnerstraße in Augsburg durchsucht worden ist. Das Dokument ist 13 Jahre alt. Die privaten Busunternehmer haben damals schriftlich vereinbart, dass sie sich bei den Regionalbuslinien keine Konkurrenz machen wollen. Wer sich nicht an diese Absprache halten würde, der sollte 100.000 Euro Strafe zahlen.

    Es geht im öffentlichen Nahverkehr um viel Geld, das zu verteilen ist. Es kommt vom Staat, der die Verluste ausgleicht. Und es kommt von den Fahrgästen, die das System mitbezahlen. Branchenkenner gehen davon aus, dass das mutmaßliche Kartell auch deshalb entstanden ist, weil die Busunternehmer mehr Wettbewerb befürchteten. Lange ist der Betrieb von Regionalbuslinien im AVV ohne vorherige Ausschreibung direkt an bestimmte Firmen vergeben worden. Wechsel gab es dabei selten. Inzwischen ist der Augsburger Verkehrsverbund aber dazu übergegangen, den Betrieb aller Linien auszuschreiben. Die Busfirmen müssen sich bewerben. Laut AVV ist es so gelungen, günstigere Angebote als zuvor zu erhalten.

    Heute bieten die Busfirmen ihre Leistungen im Schnitt günstiger an

    Auffällig war aber: Anfangs gab es bei neuen Ausschreibungen oft nur einen oder wenige Bewerber oder nur Angebote, die für den AVV teurer als erwartet waren. Das hat sich offenbar geändert, seit das mutmaßliche Kartell aufgeflogen ist. Jedenfalls bieten die Busfirmen in der Region ihre Leistungen im Schnitt nun günstiger an, als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Geld bekommen die Busfirmen pro gefahrenem Kilometer. Jährlich fahren die Regionalbusse im AVV rund 15 Millionen Kilometer. Auch kleinere Preisschwankungen rechnen sich so schnell zu großen Beträgen auf.

    Das Strafverfahren könnte ein Erdbeben im Nahverkehr der Region auslösen. Denn: Die Busfirmen, die sich beim AVV um Aufträge bewerben, müssen dabei auch angeben, ob sie an einem Kartell beteiligt sind. Das zeigen Ausschreibungsunterlagen, die unserer Redaktion vorliegen. Sollte es zu Verurteilungen kommen, müssten spätestens dann wohl viele Linien neu ausgeschrieben werden. Das ist aber nicht so einfach. Denn die RBA, deren Tochter Schwabenbus GmbH und weitere Firmen, die mutmaßlich zum Kartell gehörten, betreiben einen großen Anteil der AVV-Linien.

    Ursprünglich hat die Staatsanwaltschaft gegen rund 20 Personen ermittelt. Gegen einige Beschuldigte wurden die Verfahren aber eingestellt. Die Verantwortlichen zweier Busunternehmen agieren in dem Verfahren als Kronzeugen und haben sich gegenüber den Ermittlern zu den Absprachen in der Branche geäußert. Im Gegenzug wurden die Verfahren gegen vier Verantwortliche dieser Firmen eingestellt, sie haben strafrechtlich eine weiße Weste. Drei mussten aber als Auflage eine sechsstellige Summe zahlen, bei einem war es ein Millionenbetrag. Das hat sich gelohnt. Eine Firma, die sich auf diese Weise „freigekauft“ hat, sicherte sich vor einiger Zeit einen größeren Auftrag im AVV.

    Augsburg: Ein Prozess gegen die beteiligten Busunternehmer rückt damit näher

    Mit der Anklage rückt ein Prozess gegen die Führungsriege der RBA und der beteiligten Busfirmen näher. Sicher ist das aber noch nicht. Die Anklageschrift liegt nun bei einer Strafkammer des Landgerichts Augsburg. Die Richter prüfen die Anklage. Falls sie zum Ergebnis kommen, dass nach Aktenlage eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch, lassen sie die Anklage zu und es gibt einen öffentlichen Prozess. Dann dürfte im Augsburger Strafjustizzentrum ein großer Saal benötigt werden. Prozesse mit einer zweistelligen Zahl an Angeklagten gibt es nicht allzu oft.

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