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Augsburg: Die Stoffe dieser Augsburgerin erzählen Geschichte(n) der Welt

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Die Stoffe dieser Augsburgerin erzählen Geschichte(n) der Welt

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    Die gebürtige Augsburgerin Ines Weizenegger importiert Stoffe aus aller Welt. So genannte Shweshwe-Stoffe (hier im Bild der blaue) stammen aus Südafrika.
    Die gebürtige Augsburgerin Ines Weizenegger importiert Stoffe aus aller Welt. So genannte Shweshwe-Stoffe (hier im Bild der blaue) stammen aus Südafrika. Foto: Silvio Wyszengrad

    Ines Weizeneggers Geschichten umspannen die Welt. Sie erzählen von den tanzenden Geistern der Aborigines in Australien und davon, dass in Indien einst in jedem Haus ein Webstuhl stand. Sie berichten von Nepal, wo Frauen nach dem Erdbeben 2015 alles verloren. Und sie erzählen von den Chinesen, die der Stoffindustrie Südafrikas durch billige Kopien das Wasser abgraben.

    So unterschiedlich die Berichte der Wirtschaftsgeografin Weizenegger sind – sie alle haben eines gemeinsam: Sie handeln von Stoffen. Auf Reisen durch Afrika, Asien und Südamerika hat die heute 39-Jährige sie als ein Produkt schätzen gelernt, das die Tradition eines Landes „materialisiert“: Wer sich die Stoffe eines Volkes ansehe, „lernt viel über die Menschen, über das Land und über die Kultur“, weil Muster und die Produktion eng mit der Lebensart verbunden sind.

    Vor vier Jahren machte die Augsburgerin aus ihrer Faszination eine Geschäftsidee: Unter dem Label „Karlotta pink“ importiert sie Stoffe aus aller Welt und verkauft sie in Europa. Das wäre an sich noch nicht außergewöhnlich, kann man im Internet heute ja nahezu jedes Produkt aus nahezu jedem Winkel der Erde bekommen. Weizenegger aber bietet nur Stoffe an, die unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit entstanden oder auf die ein oder andere Weise Entwicklungshilfe leisten.

    Eine Näherin ernährt eine ganze Familie

    Ihre Batikstoffe aus Nepal werden von Frauen hergestellt, die in ihrer Heimat zu Weberinnen ausgebildet werden und dort Lesen und Schreiben lernen. Der Erlös aus dem Verkauf geht an die Kinder der Frauen, die so die Schule besuchen können. Handbemalte Kalamkari-Stoffe entstehen in einem Projekt, das HIV-infizierte Frauen in Indien unterstützt, die weit gehend von der Gesellschaft ausgeschlossen sind. In einem Township in Südafrika lernen Frauen das Nähen; durch den Verkauf ihrer Produkte ernähren sie oft die ganze Familie...

    Weizenegger kennt fast alle ihrer Produzenten persönlich. Ende Oktober fliegt sie nach Indien, um alte Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen. Ihre Erfahrung als Mitarbeiterin einer Unternehmensberatung kam ihr bei der Gründung ihrer Firma zugute, vieles musste sie auch mühsam lernen: komplizierte Zoll- und Importbestimmungen etwa oder die Gelassenheit hinzunehmen, dass Absprachen in anderen Ländern nicht so eingehalten werden wie in Deutschland.

    Weizenegger, die inzwischen in der Schweiz lebt, betrieb „Karlotta pink“ zunächst als Online-Shop und verkaufte auf kleinen Märkten. Inzwischen gibt es einige Händler, die ihre Stoffe im Sortiment haben. In großem Stil will und kann Weizenegger aber keine Geschäfte beliefern: „Wenn in Indien Monsun ist, können die Produzenten nichts herstellen und folglich nichts liefern. Wenn die Baumwollernte schlecht ist, steigen die Preise. Das muss man bereit sein mitzugehen.“ Ein Prinzip, das im Einzelhandel in Europa kaum funktioniere.

    Ein Zufall brachte sie zurück nach Augsburg

    Seit kurzem hat Weizenegger selbst einen Laden im Augsburger Martinipark. Regelmäßig ist dort Verkauf. Dass es „Karlotta pink“ damit auch in der Heimatstadt der Gründerin gibt, liegt an einem Zufall: Auf einer Messe lernte Weizenegger die Kissinger Schnittdesignerin Stefanie Kroth („SO! Pattern“) kennen und tat sich mit ihr zusammen. „Unsere Kunden schätzen, dass sie für Nähprojekte Stoff, Schnitte und Beratung aus einer Hand bekommen.“ Denn: Der Trend, sich Kleidung selbst zu nähen, nimmt zwar zu. Da viele ihr Wissen aus dem Internet haben, fehle oft aber die Erfahrung, welcher Stoff sich wofür eignet.

    Zwischen 20 und 30 Euro kostet der Meter bei Ines Weizenegger im Schnitt. Vor allem für deutsche Kunden sei dies die Schmerzgrenze. Zugute kommt der Geschäftsfrau, dass viele Menschen wieder stärker darauf achten, woher ihre Kleidung kommt. Viele verstünden, dass ein Kleid für zehn Euro nicht so produziert werden kann, dass alle, die daran beteiligt sind, ausreichend verdienen. Weizenegger will dieses Bewusstsein stärken und damit dazu betragen, die Produktionsbedingungen in der Textilindustrie ein wenig besser zu machen. Der Wunsch vieler Menschen, sich individueller zu kleiden, sich von den zumindest europaweit immer gleichen Trends zu distanzieren, trägt zum Erfolg junger Unternehmen wie „Karlotta pink“ bei. Nähkurse boomen, in Augsburg verkaufen wieder mehr Geschäfte Stoffe als noch vor einigen Jahren. Unterstützt wird der Handel vor Ort übers Internet: Viele bringen sich das Nähen über Plattformen wie „Youtube“ bei.

    Der nächste Termin für den Lagerverkauf im Martinipark ist der 21. Oktober (www.karlottapink.de).

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