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Augsburg: Die Modelleisenbahn-Welt muss aus dem Bahnpark ausziehen

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Die Modelleisenbahn-Welt muss aus dem Bahnpark ausziehen

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    Viel Arbeit haben (von links) Günter Hensel, Jürgen Drexler und Dominic Huber beim Abstauben und Putzen der Modelleisenbahnanlage im Bahnpark Augsburg.
    Viel Arbeit haben (von links) Günter Hensel, Jürgen Drexler und Dominic Huber beim Abstauben und Putzen der Modelleisenbahnanlage im Bahnpark Augsburg. Foto: Annette Zoepf

    Mit Staubwedeln, Lappen, gesiebtem Kies und frischem Moos rückt eine Gruppe von Modellbahn-Enthusiasten gerade noch einer der besonders bei Familien beliebten Attraktionen im Augsburger Bahnpark zu Leibe. Nur noch wenige Tage bleiben, bis am Sonntag der Bahnpark nach der Corona-Pause wieder öffnet. Und natürlich soll dann auch die Miniaturwelt in der Dampflokhalle wieder perfekt dastehen. Doch den Modellbahnfreunden blutet bei den Vorbereitungen das Herz – denn es ist die letzte Saison, in der ihre Arbeit zu sehen sein wird. Zum 31. Dezember müssen sie ihren Platz für eine neue Attraktion räumen.

    Hunderte Arbeitsstunden haben Jürgen Schwendner und weitere Hobby-Eisenbahner in die Miniaturwelt gesteckt.
    Hunderte Arbeitsstunden haben Jürgen Schwendner und weitere Hobby-Eisenbahner in die Miniaturwelt gesteckt. Foto: Annette Zoepf

    Alleine in diesem Jahr hat die Gruppe um Jürgen Drexler ehrenamtlich rund 600 Arbeitsstunden in die kleine Miniaturwelt gesteckt. 1200 Meter Gleise der Modellbauspurbreite „G“ wurden hier verbaut, die unzähligen Häuser sind elektrifiziert – im Dunklen leuchten die Fenster ebenso wie die Straßenlaternen, die in der Landschaft aufgebaut sind. Zwischen den Häusern, in Cafés oder auf Terrassen tummeln sich Miniatureinwohner – 1200 sind es insgesamt, wie Drexler weiß. Doch wer genau hinsieht, entdeckt in der Anlage Stellen, die diese Liebe zum Detail vermissen lassen. Dort hängen kleine „Bautafeln“, auf denen zu lesen ist, dass der Abschnitt aufgrund der Kündigung nicht mehr fertiggestellt werden konnte. Die Modellbauer bitten die Besucher dafür um Verständnis.

    Miniaturen zeigen Modelleisenbahn-Fans beeindruckende Details

    Trotzdem habe man die Anlage natürlich schön hergerichtet, um den Besuchern etwas zu bieten, betont Jürgen Schwendner. Er ist bei den Modellbauern unter anderem für die vielen kleinen Details zuständig, die man auf der Anlage wie auf einem Wimmelbild entdecken kann. Auf einer Terrasse stehen Angela Merkel und Horst Seehofer ins Gespräch vertieft. In einer Biergartenszene sieht man einen Mann von der Bierbank plumpsen, weil sein Nebenmann unvermittelt aufgestanden ist.

    Und aus dem spitz zulaufenden Eck einer Burgruine ist kurzerhand die Spitze der Titanic geworden – mit Bullaugen, Kate Winslet und Leonardo DiCaprio. „Die Männer sind bei der Modellbahn zumeist an der Technik interessiert und schauen sich die Züge an – die Frauen und die Kinder haben Spaß daran, die vielen kleinen Details zu entdecken“, glaubt Schwendner.

    „Die Kündigung im Mai hat uns eiskalt erwischt“, sagt Drexler. Jedes Wochenende seien mehrere Freiwillige in den vergangenen Monaten damit beschäftigt gewesen, an der Anlage zu arbeiten. Immerhin ist sie die wohl weltweit größte öffentlich zugängliche Fahrzeugsammlung der Rhätischen Bahn – also eine Miniatur-Schweiz mit so berühmten Zügen wie dem Glacier-Express. Dass man nach der jahrelangen guten Zusammenarbeit ohne Vorwarnung an die Luft gesetzt wird, habe man nicht erwartet. „Aber so ist das eben, Ober sticht den Unter“, sagt Drexler sichtbar enttäuscht. Was hier künftig entstehen soll, weiß er nicht. Nur dass es etwas ist, was mehr Einnahmen bringen wird als die Modelleisenbahn. Bis zum 25. Oktober ist die Modellbahnanlage in der Dampflokhalle noch zu sehen. Man wolle im Oktober einige Sonderveranstaltungen am Abend anbieten, damit die Besucher noch einmal die beleuchtete Anlage erleben können.

    Modelleisenbahn-Gruppe muss aus Augsburger Bahnpark ausziehen

    Wie es danach weitergeht, wissen die Mitglieder der Modellbaugruppe noch nicht. Man suche jetzt händeringend nach einer neuen Bleibe, in der die große Anlage wieder aufgebaut werden kann, so Drexel. Sonst bliebe wohl nichts übrig, als die Schätze erst mal in einem Container einzumotten. Über den Kündigungsgrund geben auch Aushänge im Bahnpark Auskunft. Die Corona-Pandemie habe unumstößliche Zwänge geschaffen. Die Dampflokhalle müsse in eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung überführt werden, die zugleich attraktiv und museumsgerecht sei, ist dort zu lesen.

    Der Bahnpark sucht nach neuen Attraktionen, die dauerhaft Gewinn abwerfen.
    Der Bahnpark sucht nach neuen Attraktionen, die dauerhaft Gewinn abwerfen. Foto: Ulrich Wagner (Archiv)

    Bahnparkchef Markus Hehl sagt, man sei gezwungen, die Modellbahn durch ein gewinnbringenderes Konzept zu ersetzen, um den Bahnpark auch langfristig auf finanziell solide Füße zu stellen. Man sei wegen einer neuen Attraktion in Verhandlung, die vor allem an allen Tagen, und nicht wie die Modellbahn nur sonntags, angeboten werden kann.

    Auch die großen Attraktionen im Bahnpark wurden am Wochenende noch fleißig geputzt und hergerichtet. Neu in diesem Jahr ist eine Preußische P 8 Lokomotive von 1919 – laut Hehl eine der ältesten betriebsfähigen Dampfloks in Deutschland. Ein besonderer Schatz ist auch die schwedische „Botschafterlokomotive“, die im Rundhaus Europa im Bahnpark zu sehen sein wird. Das Rundhaus Europa erzählt anhand von stählernen Zeitzeugen aus ganz Europa historische Ereignisse. Die Lok aus dem Jahr 1912 ist ein Geschenk des Königreichs und gehörte bis vor Kurzem zur strategischen Reserve des Landes. Mit ihr sollte im Fall eines Atomkriegs der Bahnverkehr in Schweden auch ohne Strom sichergestellt werden, weiß Hehl.

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