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Augsburg: Die Lage nach dem Lockdown: Vier Augsburger Unternehmer und ihre Sorgen

Die Firma Trico produziert wieder Krawatten und Tücher - das freut auch den Sohn der Inhaberin, Marcus Doser. Während der Corona-Zeit wurden Schutzmasken genäht.
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Die Lage nach dem Lockdown: Vier Augsburger Unternehmer und ihre Sorgen

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    Die Corona-Lockdowns überwunden hat Karin Hoschek noch nicht - weder finanziell noch emotional. Sie führt in der Augsburger Innenstadt das Geschäft Sisento, ist spezialisiert auf hochwertige Schuhe. Noch immer, erzählt sie, sei es schwierig, Kundinnen und Kunden in den Laden zu bekommen und Umsatz zu machen. Vor allem auch, weil derzeit Geschäfte aller Orten teils hohe Rabatte gewähren, um ihre Lager zu leeren. Auch der Umgang mit den Kunden ist ein anderer als zuvor. "Die Menschen kommen mit Maske, man sieht keine Mimik, kommt daher schwerer ins Gespräch, und oft erkennt man Kunden erst nach einigen Minuten", bedauert Hoschek. Während des Lockdowns hat die Geschäftsfrau offen darüber nachgedacht, ob es nicht besser wäre, den Laden aufzugeben. Denn ihre Rücklagen, die auch für die Altersvorsorge gedacht waren, sind aufgebraucht, und sie musste Kredite aufnehmen. Dazu war die Krise auch emotional eine Belastung.

    2017 blickte Karin Hoschek noch positiv in die Zukunft. Damals war sie mit ihrem Schuhgeschäft Sisento vom Perlachberg in die Philippine-Welser-Straße gezogen.
    2017 blickte Karin Hoschek noch positiv in die Zukunft. Damals war sie mit ihrem Schuhgeschäft Sisento vom Perlachberg in die Philippine-Welser-Straße gezogen. Foto: Christian Gall

    "Wenn Sie wie ich alleine leben, und es gibt zu Hause niemanden, der sie auffängt oder auch unterstützen kann, dann ist das schon hart", erzählt Hoschek. "Ich habe 95 Prozent aller Entscheidungen mit mir selbst ausgemacht und konnte nichts tun, um die Lage zu verbessern." Während sie im ersten Lockdwon noch optimistisch gewesen sei, sei der zweite Lockdown deutlich härter gewesen. Auch weil Absatzmöglichkeiten wie Click & Collect, also das Abholen von Waren nach Vorbestellung, nicht mehr in dem Maße genutzt wurden wie zuvor. Als die Inzidenzen im Umland schneller sanken und dort immer mehr Geschäfte wieder öffnen durften, war das erneut ein Schlag in die Magengrube. "Sie sitzen in Ihrem geschlossenen Laden und müssen mit ansehen, wie im Landkreis eingekauft wird." Aufgeben will Hoschek aber trotzdem nicht, denn die Selbstständigkeit ist der Geschäftsfrau nach wie vor wichtig. Für Sommer und Herbst hat sie daher neue Ware bestellt. "Am Ende des Jahres sehe ich dann, ob es noch mal anläuft oder ob eventuell das Konzept angepasst werden muss", sagt sie. Unterkriegen lassen will sie sich jedenfalls nicht.

    "Sie müssen sich jeden Tag aufraffen und sich sagen: Dein Unternehmen geht den Bach runter, obwohl du nichts dafür kannst."

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    Wir sind immer noch mit Durchkommen beschäftigt", sagt auch Andreas Schön, Chef des Hotels Alpenhof. Schon während des Lockdowns hat der Hotelier immer wieder berichtet, wie hart unter anderem das Beherbergungsverbot die Branche getroffen hat. Selbst jetzt, wo deutliche Lockerungen eingetreten sind, ist das Geschäft noch immer mau. Zwar würden die Buchungszahlen wieder steigen, aber ein Vor-Corona-Niveau habe man noch nicht erreicht. "Wir leben im Gegensatz zu Touristenhotels von Tagungen, Kongressen und Hochzeiten", erzählt Schön. "All diese Veranstaltungen brauchen Vorlaufzeit, die finden nicht von heute auf morgen statt. Dazu herrscht bei vielen wegen der Delta-Variante weiter Vorsicht für weitreichendere Planungen." Derzeit lebe der Betrieb von den staatlichen Überbrückungshilfen und eigenen Rücklagen. Statt der einst 80 Beschäftigten seien weniger als 50 geblieben. Ein Großteil befindet sich nach wie vor in Kurzarbeit. Neben all den finanziellen Sorgen habe die Krise auch emotional ihre Spuren hinterlassen. "Sie müssen sich jeden Tag aufraffen und sich sagen: Dein Unternehmen geht den Bach runter, obwohl du nichts dafür kannst. Man stellt sich plötzlich die Frage, was passiert, wenn das alles nicht gut geht. Damit müssen sie ganz persönlich erst einmal fertig werden", fasst er zusammen.

    Margarete und Andreas Schön, Inhaber des Hotels Alpenhof, hatten zuletzt kaum Gäste.
    Margarete und Andreas Schön, Inhaber des Hotels Alpenhof, hatten zuletzt kaum Gäste. Foto: Michael Hochgemuth

    An manchen Tagen kämen Überlegungen hoch, ob es nicht sinnvoller wäre, doch die Reißleine zu ziehen. Andreas Schön hat sich dennoch fürs Weiterkämpfen entschieden. Doch er muss auch Einschnitte hinnehmen. Einen Nachtportier gibt es in seinem Hotel nun nicht mehr. Die Nummer ist für Notfälle auf sein eigenes Telefon umgeleitet. Auch andere Abläufe müssen überdacht und gegebenenfalls an die neue Lage angepasst werden. "Das fällt nicht immer leicht. Es hängen ja auch Mitarbeiter dran", erzählt Schön. Weil für den Herbst eine vierte Welle befürchtet wird, zweifelt er an einem schnellen Aufschwung für seine Branche. Dazu kämen viele neue Hotels, die in Augsburg derzeit eröffnen. Doch so sehr ihn die Lage mitnimmt, er will sich seinen Optimismus, so gut es geht, erhalten. "Irgendwann wird es schon wieder normal werden", sagt er - und wirkt dabei wieder gefasster.

    "Wir hatten im ersten Lockdown kaum Umsatzeinbrüche"

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    Das Augsburger Familienunternehmen Trico fertigt Seidenaccessoires wie Krawatten, Einstecktücher, Schals oder Westen - alle individuell auf den Wunsch des Kunden abgestimmt. Abnehmer sind exklusivere Modegeschäfte wie Hirmer oder Loden Frey. Seit mehr als 100 Jahren ist der Familienbetrieb nahe der Schleifenstraße schon existent. Dann kam Corona, und fast über Nacht wurden Veranstaltungen abgesagt, Läden geschlossen, und neue Aufträge blieben aus. Anfangs fürchteten Firmeninhaberin Margot Doser und ihr Sohn Marcus gar um den Fortbestand des Unternehmens. Um das Schlimmste abzuwenden, stellte Trico auf die Produktion auf Alltagsmasken um. "Das hat gut funktioniert, und wir hatten im ersten Lockdown kaum Umsatzeinbrüche", erzählt Marcus Doser rückblickend.

    Über den Sommer habe sich die Lage dann weiter entspannt. Umso heftiger habe der zweite Lockdown das kleine Unternehmen dann im Herbst getroffen. Der Umsatz brach um rund 80 Prozent ein, Mitarbeiterinnen wurden in Kurzarbeit geschickt, Überbrückungshilfen beantragt und ein privates Darlehen aufgenommen, um das Unternehmen durchzubringen. Die Firmenleitung blieb vor Ort, um den Kontakt zu den Kundinnen und Kunden zu halten und weiter Präsenz zu zeigen. "Es war nach all den Jahren unter Volllast auch schwierig, damit umzugehen, dass man plötzlich nur mehr für zwei Stunden Arbeit hatte", erzählt Doser.

    Die Firma Trico hat während des ersten Lockdowns ihre Produktion umgestellt und Schutzmasken genäht.
    Die Firma Trico hat während des ersten Lockdowns ihre Produktion umgestellt und Schutzmasken genäht. Foto: Silvio Wyszengrad

    Etwa um zehn Jahre habe dieser Einschnitt das Familienunternehmen zurückgeworfen, schätzt der Geschäftsmann ein. Mittlerweile, so hofft er, sei das Schlimmste aber überstanden. Seit Juni sei die Auftragslage wieder deutlich besser, alle Mitarbeiterinnen konnten gehalten und jetzt wieder eingesetzt werden. Das freut Doser besonders. "Wir sind als Team noch enger zusammengewachsen", will er auch positive Aspekte der Krise hervorheben. Ans Aufgeben hätten er und seine Mutter nie gedacht. "Manchmal war es vielleicht ganz gut, dass man nicht wusste, was noch kommt und man sich von Monat zu Monat mit neuen Hoffnungen gehangelt hat." Diesem Motto müsse man zunächst auch noch treu bleiben, ist er überzeugt. "Die viel beschworene vierte Welle hängt natürlich weiter wie ein Damoklesschwert über unserer Branche", schätzt er ein. Das mache weitere Planungen schwierig. Erschwerend komme hinzu, dass viele Vorlieferanten die Preise teils bis zu 20 Prozent erhöht hätten, während Trico sich entschieden hat, keine Steigerungen vorzunehmen. Trotzdem sagt auch Doser: "Wir bleiben optimistisch. Es muss einfach weiter gehen."

    "Es gab unzählige schlaflose Nächte, in denen man ganz deutlich zu spüren bekommen hat, was es heißt, Unternehmer zu sein"

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    Das Beherbergungsverbot während Corona hat nicht nur die Hotels getroffen, sondern auch Zulieferer wie das Augsburger Unternehmen Greif. Es vermietet und wäscht bundesweit Tischdecken, Handtücher und Bettwäsche. Etwa 80 Prozent der Beschäftigten mussten Martin und Markus Greif im ersten Lockdown in Kurzarbeit schicken. Viele Standorte wurden vorübergehend ganz geschlossen. Lediglich die Sparte, die sich um Betriebskleidung für Gewerbe und Industrie kümmert und etwa 20 Prozent des Umsatzes ausmacht, lief nahezu uneingeschränkt weiter. "Der erste Lockdown versetzte uns alle in eine Schockstarre", sagt Markus Greif. Man habe dennoch versucht, optimistisch zu bleiben und so vernünftig wie möglich zu reagieren. Die Pandemie hat die beiden Geschäftsführer dabei auch emotional an ihre Grenzen gebracht. "Es gab unzählige schlaflose Nächte, in denen man ganz deutlich zu spüren bekommen hat, was es heißt, Unternehmer zu sein", schildert Markus Greif. Schließlich habe man eine Verantwortung gegenüber Partnern, Kundinnen sowie den Beschäftigten - und nicht zuletzt dem eigenen Unternehmen. "Das hat uns als Team auch noch näher zusammengebracht", gewinnt Martin Greif der Krise etwas Positives ab.

    Aber natürlich habe man auch Versagensängste gehabt, ergänzt sein Bruder Markus: "Uns kamen Gedanken wie: Jetzt haben es unsere Vorfahren geschafft, die Firma erfolgreich aufzubauen und zum Marktführer in Deutschland zu machen, und wir als vierte Generation fahren alles an die Wand." Dabei sei man unverschuldet in die Situation geraten und habe nicht mehr agieren, sondern nur noch reagieren können.

    Bei der Greif Gruppe stapelt sich in normalen Zeiten die Wäsche aus Hotellerie und Gastronomie. Während des Lockdowns waren ganze Standorte komplett geschlossen.
    Bei der Greif Gruppe stapelt sich in normalen Zeiten die Wäsche aus Hotellerie und Gastronomie. Während des Lockdowns waren ganze Standorte komplett geschlossen. Foto: Michael Hochgemuth

    Mittlerweile ist der zweite Lockdown zu Ende, der Verlust geht in die Millionen. Immerhin: Die Geschäfte laufen wieder an - auch wenn noch nicht alle Hotels, mit denen Greif zusammenarbeitet, wieder geöffnet sind. Zwar sank die Mitarbeiterzahl der Gruppe von rund 1450 auf 1150, dies sei aber einer natürlichen Fluktuation geschuldet, bei der frei gewordene Stellen während der Krise nicht wieder besetzt wurden. Kündigungen gab es wegen Corona keine. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gundremmingen, deren Standort dauerhaft geschlossen wurde, konnten nach Augsburg wechseln. Das Familienunternehmen ist eigener Einschätzung nach mit einem "blauen Auge" durch die Pandemie gekommen. Auch dank des Instruments der Kurzarbeit und staatlicher Hilfen. Hier können man sich glücklich schätzen, in Deutschland zu leben. Die Hilfsangebote der Politik hätten wichtige Zuversicht vermittelt.

    An ihrem Konzept wollen Martin und Markus Greif trotz Corona nichts verändern. "Wir sind gut und breit aufgestellt und von keinem unserer Partner abhängig. Dass gleich eine ganze Branche derart einbricht, werten wir als Ausnahmefall", sagt Markus Greif. Die Brüder glauben fest daran, dass das Familienunternehmen wieder in die Erfolgsspur finden wird.

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