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Augsburg: Die Bombe schweißte diese beiden Männer zusammen

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Die Bombe schweißte diese beiden Männer zusammen

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    Der rostige Sprengkörper, der bei der Berufsfeuerwehr ausgestellt ist, schweißte sie  zusammen: Sprengmeister Martin Radons (l.) und Feuerwehr-Sprecher Friedhelm Bechtel sind seitdem befreundet.
    Der rostige Sprengkörper, der bei der Berufsfeuerwehr ausgestellt ist, schweißte sie zusammen: Sprengmeister Martin Radons (l.) und Feuerwehr-Sprecher Friedhelm Bechtel sind seitdem befreundet. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die riesige Bombe, die an Weihnachten eine der größten Evakuierungen in Deutschland seit Kriegsende auslöste, hat sie zusammengeschweißt: Martin Radons und Friedhelm Bechtel lernten sich vor einem Jahr kennen. Der Sprengmeister aus Illertissen und der Sprecher der Berufsfeuerwehr Augsburg sind seitdem Freunde. Sie schildern ihre persönlichen Momente.

    Was ging Ihnen beiden durch den Kopf, als klar wurde, dass es sich bei der Bombe um einen 1,8 Tonnen schweren Sprengkörper handelte?

    Friedhelm Bechtel: Wir alle waren überrascht von der Größe. Dann kam Martin und sagte, Mensch, das ist eine HC 4000. Als Einsatzleiter gehen einem da tausend Dinge durch den Kopf.

    Martin Radons: Ich konnte es kaum fassen. Ich glaube, das letzte Mal wurde so ein Sprengkörper vor 30 Jahren in Bayern gefunden.

    Bechtel: Der Schock war groß. Was sie alles hätte zerstören können! So etwas vergisst man nicht.

    Freut man sich als Bombenentschärfer über so eine Herausforderung?

    Radons: Ja, irgendwie schon. Solch eine Bombe hatte ich bis dahin einfach noch nicht. Bei so einem Bombentyp, der äußerst selten vorkommt, muss man sich vorbereiten. Ich habe viel recherchiert. Die Nächte bis zur tatsächlichen Entschärfung waren kurz.

    Sie beide sind seitdem Freunde. Wie kam es dazu?

    Bechtel: Die Sympathie war sofort da. Martin ist kein Aufschwätzer. Es gibt sicherlich ganz andere, die jedem mitteilen müssen, was sie alles draufhaben. Er aber ist ruhig und bedacht.

    Radons: Als Bombenentschärfer haben wir täglich mit Polizei und Feuerwehr zu tun. Mich hat es von Anfang an gefreut, diese Menschen in Augsburg kennenzulernen. Vor allem Friedl war mir gleich sympathisch. Da stimmte die Chemie. Das habe ich auch schon anders erlebt. Und es ist nicht gerade förderlich, wenn man in so einer Situation mit „Muhackln“ zu tun hat. In Augsburg war die Zusammenarbeit von Anfang an herzlich und sehr professionell. Das gibt einem ein gutes Gefühl.

    Inwieweit stand Herr Bechtel Ihnen bei?

    Radons: Wenn ich irgendetwas brauchte, und war es ein noch so kleiner Wunsch, erfüllte er ihn mir in Windeseile. Von der Leberkässemmel bis zum Zelt, das über der Bombe aufgebaut wurde und uns vor Wetter und Blicken schützte. (Er lacht). Auf dem Zelt stand sogar mit Edding geschrieben „Feste Schwaben“.

    Bechtel: Ich wollte einfach, dass es ihm und seinen Kollegen in dieser brenzligen Situation so gut wie möglich geht. An die, die entschärfen, wird nämlich am wenigsten gedacht.

    Radons: Ich bin physisch und psychisch ein kerngesunder Mensch. Aber diese Warterei, bis wir mit der Entschärfung beginnen konnten, war schlimm. Das zerrte an den Nerven. Wenn man da ab und zu ein nettes Gespräch führen kann, hilft das ungemein.

    Bechtel: Ich fragte Martin auch, ob er in der Grube eine Heizung bräuchte, damit seine Finger nicht kalt werden. Ich hätte ihm alles gebracht. Ich hatte einfach Angst um die drei Entschärfer und davor, was passieren könnte, wenn das Ding hochgeht.

    Radons: Eine Heizung brauchte ich nicht. Ich war so unter Strom (lacht).

    Die Verantwortung für die Stadt lag in diesen Stunden in Ihren Händen, Herr Radons, und in denen Ihrer beiden Kollegen. Wie groß ist die Bürde in so einem Moment?

    Radons: Man darf sich da keine Gedanken machen. Bei der Überlegung, dass gleich alles in die Luft gehen und alles vorbei sein könnte, würde man ja verrückt. Im Augenblick der Entschärfung denke ich gar nicht. Ich erledige meine Arbeit.

    Bechtel: Der schönste Moment war der, als Martin mir eine SMS schrieb mit den Worten „Es läuft“. Ich hielt mich zu dem Zeitpunkt im Pressestab auf und war so erleichtert. Ich gab die Meldung gleich an den Oberbürgermeister weiter. Aber was für eine coole Socke der Martin doch ist. In so einer Situation zu schreiben „Es läuft“. Das muss man erst mal hinkriegen. (Martin Radons schmunzelt.)

    Herr Bechtel, die Augsburger Weihnachtsbombe ist bei Ihnen in der Hauptwache der Berufsfeuerwehr ausgestellt. Sind Sie stolz darauf?

    Bechtel: Ja, das bin ich. Es ist auch wichtig, dass die Bürger sie anschauen können. Es gibt welche, die heute noch psychische Probleme deswegen haben. Zu uns kam zum Beispiel eine ältere Frau. Ihr war es wichtig, ihre Hand auf die Bombe zu legen. Danach ging es ihr besser.

    Sehen Sie beide sich jetzt regelmäßig?

    Radons (zu Bechtel gewandt): Ich wollte dich schon öfters zum Essen einladen. Aber wir beide sind ja immer schwer beschäftigt.

    Bechtel (nickt bestätigend): Das schaffen wir schon noch. Dafür tauschen wir uns regelmäßig aus. Martin hat bei uns in der Feuerwehr auch schon mal privat über den Umgang mit Kampfmitteln berichtet.

    Radons: Als die Phosphorbombe im Siebentischwald im Oktober gefunden wurde, rief mich Friedl an. Die beseitigte ich dann auch. Die war übrigens brandgefährlich …

    Sind Sie als Sprengmeister eigentlich öfters in Augsburg im Einsatz?

    Radons: Ja, seit der Evakuierung war ich ungefähr 20 Mal hier. Es ist auffallend, wie viele Funde in Augsburg uns seit der Weihnachtsbombe mitgeteilt werden. Das mag daran liegen, dass jetzt genauer hingeschaut wird. Zum Beispiel meldete sich die Polizei, weil in Pfersee bei der Halle 116 fünf Patronen gefunden wurden. Vor Ort stellte sich dann heraus, dass dort 500 Schuss Munition versteckt waren. Oft werden auch Handgranaten gefunden. Die Behörden und die Bevölkerung sind sensibilisiert.

    Haben Sie zu Augsburg nun eine besondere Beziehung?

    Radons: Ich habe die Stadt definitiv lieb gewonnen. Ich bin inzwischen sehr gerne hier und interessiere mich auch für die Geschichte der Stadt.

    Aber Sie haben nicht nur Augsburg lieb gewonnen und Herrn Bechtel schätzen gelernt ...

    Radons (lächelt): Ja, ich habe seitdem auch eine Partnerin hier. Sie lebt in Gersthofen.

    Haben Sie sich während des Bomben-Dramas kennengelernt?

    Radons: Nicht ganz. Ich wurde schon im Sommer davor nach Gersthofen gerufen. Ein Junge hatte eine Granate im Lech gefunden und seiner Mutter daheim auf den Küchentisch gelegt. Das war unsere erste Begegnung und wir standen seitdem immer mal wieder in Kontakt. Während der Geschichte mit der Weihnachtsbombe war das dann natürlich häufiger der Fall. Danach wurde daraus eine feste Beziehung.

    Bechtel: Witzig ist, dass unsere Frauen beide Judith mit Vornamen heißen.

    Wie feiern Sie beide dieses Jahr Weihnachten?

    Bechtel: Ganz normal im Kreise der Familie. Vom letztjährigen Weihnachtsfest bekam ich auch nicht viel mit. Ich war mit den Gedanken immer bei der Bombe. Ich kann mich auch nicht erinnern, was ich geschenkt bekam.

    Radons: Ich habe dieses Jahr jedenfalls keinen Bereitschaftsdienst und feiere definitiv mit meiner Lebensgefährtin und der Familie. Vergangenes Jahr wollte ich eigentlich ab dem zweiten Weihnachtsfeiertag mit Freunden zwei Wochen lang durch den Kaukasus reisen. Aber nach der Entschärfung war es für mich noch nicht vorbei. Der Abtransport der Bombe stand ja auch noch bevor. Geendet hat 2016 für mich an Silvester mit einer letzten Meldung aus Augsburg.

    Wieso? Was war passiert?

    Radons: Ein Passant hatte gemeldet, dass im Lech in Hochzoll drei Bomben liegen. Friedl und ich sind mit Wathosen ins Wasser, um nachzusehen. Die vermeintlichen Bomben entpuppten sich als leere Metallhüllen.

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