Corona, sagt Harald Binder, habe ihm das Genick gebrochen. Rund 20 Jahre lang hat der 54-Jährige in seinem Modeladen „Rabe by Binder“ in der Philippine-Welser-Straße Damenbekleidung verkauft. Ende August schließt er den Familienbetrieb für immer. Die Entscheidung hatte Binder schlaflose Nächte bereitet. In der prächtigen Einkaufsstraße wird es der dritte Leerstand sein, der sich nebeneinander reiht. Im städtischen Wirtschaftsreferat sorgt man sich um diese Einkaufslage generell nicht. Und doch gibt man sich in Zeiten von Corona mit Prognosen vorsichtig.
„Es ist doch traurig, oder?“ Harald Binder wirkt geknickt, aber gefasst. Die Binders sind seit 50 Jahren Einzelhändler in der Innenstadt. Der Vater begann in den 70er Jahren mit einem Pelzladen in der Annastraße, rund zehn Jahre später ging daraus Binder-Moden hervor. Seit 2001 bedient Harald Binder an der Ecke zum Rathausplatz vorwiegend Stammkundschaft. Doch vor allem die älteren Kundinnen blieben nach dem Corona-Lockdown weiterhin aus, sagt Binder. Die wenige Kundschaft reiche ihm nicht, um zu überleben. Auch könne er sich als kleiner Einzelhändler nicht an einer Rabattschlacht beteiligen.
Laden "Rabe by Binder" schließt: Harald Binder sieht keinen anderen Ausweg
Die Räumlichkeiten, in denen früher der Musikladen Durner zu finden war, gehören der Stadt Augsburg. Binder zufolge habe ihm die Stadt wegen Corona die Miete gestundet. Aber wann und wie er dies zurückzahlen muss, könne ihm bislang keiner sagen. So oder so – Harald Binder sieht keinen Ausweg mehr, als das Geschäft aufzugeben. Wie Wirtschaftsreferent Wolfgang Hübschle auf Nachfrage berichtet, wurden jedem Mieter, der eine Stundung beantragt hat, diese bis Ende des Jahres eingeräumt.
„Einzelne Mieter haben bereits mit der Bezahlung des vereinbarten Mietzins begonnen.“ Im Bereich des Liegenschaftsamtes seien derzeit noch 18 gewerbliche Mieten gestundet. Die Rückzahlungen würden auf den Einzelfall abgestellt. „Grundsätzlich wollen wir die Raten so bilden, dass auch der jeweilige Mieter gut damit umgehen kann“, betont der Wirtschaftsreferent. „Wir versuchen eine gute Balance zu finden. Nichts wäre schlimmer als ein Totalausfall der gestundeten Miete.“ Der Stadt sei zudem wichtig, leere Geschäfte wieder mit Leben zu füllen. Denn dort, wo die Philippine-Welser-Straße in den Rathausplatz übergeht, bleiben in bester Lage bald drei Läden geschlossen.
Wie berichtet, betreibt Taschendesignerin Ruth Moser ihren Verkauf bald nur noch online, Binder schließt am 31. August und das insolvent gegangene Weinhaus Bayerl, dessen Räumlichkeiten auch der Stadt gehören, steht schon seit einem Jahr leer. Zwar hat die Stadt dafür nun einen Nachmieter. Bei ihm soll es sich um einen Eisdielen-Betreiber handeln. Aber ein Eröffnungstermin steht noch nicht fest. „Die Corona-Pandemie hatte entsprechende Auswirkungen auf den Planungsprozess des Betreibers“, meint Hübschle, der aus Diskretionsgründen den Namen des neuen Pächters nicht verrät. Zudem stünden noch umfangreiche Sanierungsmaßnahmen an.
Einkaufen in Augsburg: Mehrere Läden in der Straße stehen leer
In der Philippine-Welser-Straße bedauert man indes die bevorstehende Schließung von „Rabe by Binder“. „Das ist sehr schade für den Kollegen. Es tut mir sehr leid“, sagt Petra Kahn von der Boutique Kaufrausch. Sie befürchtet, dass es nicht die letzte coronabedingte Schließung im Einzelhandel bleiben wird. „Das ist ein heftiger Schlag“, meint auch Sabine Hofmann. Die Inhaberin des Wäsche- und Dessousladens findet es nicht optimal, dass in der Philippine-Welser-Straße bald so viel Leerstand herrscht.
Hofmann kritisiert dabei die Stadt, die das einstige Wein Bayerl so lange habe leer stehen lassen. „Das geht nicht, da muss schneller reagiert werden. Uns Händlern verlangt man mit hohen Auflagen schließlich auch viel ab.“ Wirtschaftsreferent Wolfgang Hübschle erklärt den zeitlichen Verzug. Erst nach dem Auszug von Wein Bayerl habe man den tatsächlichen Sanierungsbedarf ermitteln können. „Die notwendigen Maßnahmen fielen deutlich aufwendiger aus als ursprünglich angenommen. Aufgrund Corona war es leider auch nicht möglich oder sinnvoll, die Fläche parallel zu den Planungsmaßnahmen mit einer Zwischennutzung zu belegen.“
Immer wieder geben in der Innenstadt Einzelhändler auf. Droht nun die Philippine-Welser-Straße zu einem Sorgenkind zu werden, wie es der Perlachberg und die Karolinenstraße bereits sind? Ein direkter Vergleich sei schwierig, meint Wolfgang Hübschle. Die Philippine-Welser-Straße unterscheide sich von den anderen beiden Lagen in zahlreichen Punkten. Schließlich sei sie Bestandteil der neu gestalteten Fußgängerzone, habe attraktive Geschäfte und verbinde andere Haupteinkaufslagen mit dem Rathausplatz. „Die Philippine-Welser-Straße mit dem Fuggerplatz ist nach wie vor eine hoch frequentierte 1a-Lage.“ Deshalb gebe es immer wieder Interessensbekundungen für freie Flächen.
Aber Wolfgang Hübschle zeigt sich auch vorsichtig, was potenzielle Nachfolger der leeren Geschäfte anbelangt – und das hat seinen Grund: „Die mittel- und längerfristigen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Einkaufsinnenstädte sind derzeit nur bedingt absehbar.“ Harald Binder hat die Auswirkungen bald zu spüren bekommen. Darum ist für ihn in ein paar Wochen Schluss. „Es ist einfach nur traurig“, sagt der 54-Jährige.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Die Stadt ist voll, manche Läden bleiben leer
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