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Augsburg: Debatte um Wohnungsnot: Wie dicht darf in Augsburg künftig gebaut werden?

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Debatte um Wohnungsnot: Wie dicht darf in Augsburg künftig gebaut werden?

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    Soll künftig dichter gebaut werden dürfen, um mehr Wohnungen zu ermöglichen? Hier ein Blick auf die Dächer der Augsburger Hammerschmiede.
    Soll künftig dichter gebaut werden dürfen, um mehr Wohnungen zu ermöglichen? Hier ein Blick auf die Dächer der Augsburger Hammerschmiede. Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

    Können auf Baugrundstücken in der Region Augsburg, in der händeringend Wohnungen gesucht werden, künftig mehr Wohnungen entstehen? Müssen die Nachbarn im Umkehrschluss künftig mit weniger Sonne vorliebnehmen - und werden Wohnviertel enger und dichter werden? Diese Diskussionen werden gerade in vielen Umlandgemeinden und demnächst auch im Augsburger Stadtrat geführt. Hintergrund ist, dass der Freistaat seine Bauordnung geändert hat.

    Mussten Neubauten bisher einen Abstand zum Nachbargrundstück einhalten, der der vollen Gebäudehöhe entspricht (Faktor 1,0), hat der Freistaat diesen Abstand grundsätzlich nun mehr als halbiert (Faktor 0,4). Damit können Gebäude höher werden beziehungsweise deutlich näher an die Grundstücksgrenze rücken. Zwar waren Ausnahmen bisher schon möglich und bei Wänden unter 16 Meter Breite ohnehin üblich, die jetzt erfolgte Änderung macht aber aus dem Sonderfall nun den Regelfall.

    In der Region Augsburg ist ein Flickenteppich absehbar

    Zuletzt reagierten schon einige Umlandkommunen auf die neue Bauordnung und erließen eigene Regelungen. Dies hat der Gesetzgeber auch so vorgesehen - die Gemeinden wüssten über die Gegebenheiten vor Ort selbst am besten Bescheid, so der Gedanken dahinter. Friedberg und eine Reihe anderer Gemeinden wird den Faktor 0,7 zum Standard machen, in anderen Kommunen wird über abgestufte Regeln je nach Dachneigung nachgedacht, oder es gibt noch keine Entscheidung. Absehbar ist, dass je nach Gemeinde unterschiedliche Geschosshöhen möglich wären.

    In Augsburg ist noch ungewiss, wie man mit der Regelung umgehen wird. Die Staatsregierung hat nämlich München, Nürnberg und Augsburg von der Neuregelung ausgenommen und will hier grundsätzlich weiter die alte 1,0-Regelung beibehalten. Städte seien ohnehin schon stark verdichtete Räume, so das Argument. Allerdings können auch die Städte engere Abstände über eigene Satzungen beschließen. In Nürnberg ist die 0,4 etwa schon üblich. Aktuell, so Baureferent Gerd Merkle (CSU), frage man noch in den Umlandgemeinden ab, wie die dortigen Regelungen sein werden. Ansonsten gebe es einen Flickenteppich. "Man wird niemandem erklären können, wenn bei Straßen auf der Gemeindegrenze auf der einen Seite die eine Regelung gilt, auf der anderen eine andere", so Merkle. Er übt Kritik am Vorgehen des Freistaats: "Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass der Unsinn, das den Kommunen selbst zu überlassen, so bestehen bleibt."

    Wohnen: Flächendeckende Diskussionen über Bauprojekte

    Im März will Merkle dazu im Bauausschuss des Stadtrats debattieren lassen. Dann werde man sich Fragen stellen müssen, etwa dazu, wie viel Sonne Grundstücke künftig noch abbekommen sollen. Sollte auch die Stadt eine engere Bebauung ermöglichen, werde man flächendeckend Diskussionen über Bauprojekte und Aufstockungen von bestehenden Gebäude bekommen, so Merkle. Das Thema hat durchaus politische Sprengkraft. Im Wahlkampf vor einem Jahr sprach sich Merkle angesichts des Wohnungsmangels für dichtere Bebauung aus, ebenso wie SPD und Grüne, die mit dem Thema Flächenverbrauch argumentierten.

    Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU), die sich damals um das Amt bewarb, wollte hingegen bei der bisherigen 1,0-Regel bleiben. Man dürfe die Wohn- und Lebensqualität nicht vernachlässigen, argumentierte sie. Aktuell hält sich die Stadtregierung mit einem Vorschlag zurück, ob man in Augsburg die bisherige 1,0-Regel bestehen lässt oder auf die 0,4 geht. Womöglich läuft es, auch angesichts der unterschiedlichen Aussagen im Wahlkampf zwischen den Koalitionspartnern CSU und Grünen, auf irgendetwas dazwischen hinaus.

    "Schielen aufs Umland einer Großstadt nicht würdig"

    In der Immobilienwirtschaft würde man einen Schritt zur Verdichtung durchaus begrüßen. Dass gerade die Großstädte, wo der Wohnungsmangel besonders eklatant ist, vom Freistaat ausgenommen wurden, sei völlig unverständlich, sagt Immobilienunternehmer Gernot Braun. Dass Augsburg sich in den vergangenen 14 Monaten, seitdem die neue Regelung absehbar ist, offenbar keine Gedanken gemacht habe, wie es vor Ort weitergehen soll, sei ebenso wenig nachvollziehbar. "Das Schielen darauf, was jetzt die kleinen Umlandgemeinden machen, ist einer Großstadt unwürdig", so Braun. Auch der Bund Naturschutz sprach sich in der Vergangenheit immer wieder für verdichtetes Bauen aus, um die Versiegelung von Flächen zu begrenzen. Das Bismarckviertel in Augsburg, eine der begehrten Wohnlagen in der Stadt, dürfte nach heutigem Abstandsflächenrecht so nicht mehr entstehen, so die Argumentation.

    Nachbarn fürchten, dass Viertel in Augsburg ihr Gesicht verlieren

    Auf der anderen Seite stehen die Interessen von Anwohnern. Vor zwei Jahren gründeten Bürger um die Hochzoller Ifenstraße eine Bürgerinitiative gegen die "Verblockung" der Stadt. In der Straße, die von Reihen- und Einfamilienhäusern dominiert wird, sorgten zwei Mehrfamilienhaus-Projekte, die auf vormals locker bebauten Grundstücken entstanden, für erbitterten Widerstand. Sie heben sich von den anderen Häusern in der Tat ab, die Stadt hatte sie aber genehmigt, nachdem es schon einen Präzedenzfall in der Nähe gab. Innerstädtische Grünflächen gingen durch das Überbauen von Gärten verloren, der Charakter von Vierteln ändere sich durch Nachverdichtung, so die Argumentation der Nachbarn. Der Konflikt steht exemplarisch für Bauprojekte, die mangels neuem Baugrund verstärkt in Baulücken entstehen.

    Zahlen zu den Entwicklungen auf dem Augsburger Wohnungsmarkt (zu Bauanträgen und fertiggestellten Wohnungen) im vergangenen Jahr hat das Statistische Landesamt noch nicht veröffentlicht. Zwischen 2009 und 2019 sind in Augsburg jährlich um die 1000 zusätzliche Wohnungen entstanden. Der Bestand stieg von 139.597 Wohnungen Ende 2009 auf 149.745 Ende 2019 - und somit um sieben Prozent. Die Zahl der Einwohner stieg von 267.121 (Ende 2009) auf 299.620 (Ende 2019) und somit um zwölf Prozent. Besonders in den Boomjahren Mitte der 2010er-Jahre mit jährlich 5000 Neubürgern entstanden zu wenige Wohnungen.

    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast über Wohnungsnot in Augsburg an:

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