Wenn der Schuh drückt, ist er zur Stelle, man braucht den Orthopädieschuhmacher: Ob Fußfehlstellung, Gehbehinderung, Sportverletzungen oder Optimierung des Bewegungsapparates, sein Wissen ist gefragt. Marco Meltzer entschloss sich 2019 für eine Ausbildung zum Orthopädieschuhmacher in der Werkstatt von Alexandra Stuhler und Jörg Aumann in Neusäß-Westheim. Es ist Meltzers zweite Ausbildung. Gleich nach dem Realschulabschluss hatte er eine Lehre zum Automobilkaufmann absolviert und abgeschlossen, weiter im Beruf arbeiten wollte er nicht. „Als Orthopädieschuhmacher kann ich was mit meinen Händen machen“, sagt er. Der 23-Jährige gehört zu den vielen jungen Menschen in der Region, die derzeit eine Ausbildung machen. Für einen neuen Jahrgang startet bald das neue Ausbildungsjahr. Doch es ist ein Start mit Hindernissen.
Orthopädieschuhmacher sind in Bayern gefragt
Meltzer fühlt sich wohl an seinem Ausbildungsplatz: "Meine Arbeit ist so vielfältig, dass ich jeden Tag etwas anderes machen darf.“ Die Ausbildung zum Orthopädieschuhmacher dauert dreieinhalb Jahre und demnach im Gegensatz zu anderen Ausbildungsberufen etwas länger. Dies wird damit begründet, dass das klassische Handwerk des Schuhmachers mit den gesundheitlichen Aspekten der Orthopädie einhergeht. Tradition trifft auf das medizinische Netzwerk. Dass Meltzer durch seine Arbeit große Verantwortung trägt, ist ihm bewusst und mache die Arbeit anspruchsvoll. „Wir können Schmerzen lindern, aber auch durch unsere Arbeit verschlechtern“, sagt der 23-jährige Auszubildende aus Friedberg-West.
Der Bedarf an Auszubildenden in diesem traditionellen Handwerk sei sehr groß, sagen die Ausbilder. In Bayern gibt es derzeit lediglich zwölf Auszubildende im Bereich der Schuhtechnik. „Immer mehr junge Leute wollen auf gesunde Füße achten“, sagt Orthopädieschuhmachermeister Jörg Aumann. „Der Wunsch, bis ins hohe Alter mobil zu sein, ist elementar und wir als Orthopädieschuhmacher können hierzu viel beitragen, damit man lange rund auf den Beinen sein kann.“ Im neuen Lehrjahr stellt Aumann einen jungen Mann als Azubi ein.
Bei den Lehrstellen rund um Augsburg soll es noch Bewegung geben
Bei den Wirtschaftskammern geht man davon aus, dass sich in den nächsten Wochen noch einiges auf dem Ausbildungsmarkt bewegen wird. Wer noch keine Lehrstelle habe, müsse nicht aufgeben. Christian Fischer, Leiter des Fachbereichs Ausbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK), sagt: "Wir gehen wie im Jahr 2020 davon aus, dass noch bis weit in den Herbst hinein Ausbildungsverträge abgeschlossen werden. Daher erwarte man auch gegenüber dem Vorjahr keinen Rückgang an Lehrstellen. Derzeit liege die Zahl der abgeschlossenen Verträge noch etwas unter Vorjahresniveau.
Bei der Handwerkskammer sind die Erfahrungen vergleichbar. Sprecherin Monika Treutler-Walle sagt: "Der Ausbildungsmarkt ist auch im Wirtschaftsraum Augsburg noch stark in Bewegung, denn die Corona-Pandemie hat deutliche Spuren hinterlassen." Allerdings merke die Kammer nun, dass die Zahl der Ausbildungsverträge kontinuierlich zunehme, seit die Situation wieder planbarer sei. Im Wirtschaftraum Augsburg sind bislang 800 neue Ausbildungsverträge im Handwerk eingegangen. Diese Zahl werde sich deutlich erhöhen, sagt Monika Treutler-Walle: "Täglich treffen bei uns noch Verträge ein und wir gehen davon aus, dass uns derzeit erst 65 Prozent der Neuverträge vorliegen." Bis Ende des Jahres sei der Einstieg in die Ausbildung noch möglich, weil alle Partner in der dualen Ausbildung darauf vorbereitet seien, auch Späteinsteiger gut zu integrieren. "Aufgrund der Pandemie und den Einschränkungen bei Praktika und Berufsorientierung erwarten wir, dass sich der Beginn vieler Ausbildungen nach hinten verschieben wird", betont die Sprecherin der Handwerkskammer.
Die Ausbildungsbereitschaft der heimischen Unternehmen im Handwerk sei unverändert hoch, informiert Treutler-Walle. IHK-Vertreter Fischer bestätigt dies. Mehr als 1700 IHK-Ausbildungsunternehmen seien es in der Region. Laut Zahlen der Agentur für Arbeit in Augsburg gab es zuletzt 1000 mehr gemeldete Lehrstellen als Bewerbungen. Die Agentur für Arbeit ist Vermittler, wenn es darum geht, Lehrstellensuchende und Arbeitgeber zusammenzubringen.
Firmen, die sehr stark vom Lockdown betroffen waren, seien gegenwärtig zurückhaltender, wenn es um neue Lehrstellen gehe, informiert Treutler-Walle. Dazu zählen unter anderem Friseure. Die Sprecherin der Kammer sagt aber auch, dass in einzelnen Branchen die Nachwuchskräfte fehlen: "Schon vor Corona waren in den Nahrungsmittelhandwerken wie Bäcker und Metzger die Auszubildenden rar."
Die Corona-Pandemie beeinflusst den Ausbildungsmarkt
Dass die Corona-Pandemie den Ausbildungsmarkt massiv beeinflusst habe, wird von beiden Kammern betont. Wegen des Lockdowns sowie damit verbundener Einschränkungen habe vielen Schülerinnen und Schülern die wichtige Phase der Berufsorientierung gefehlt. Es gab kaum die Möglichkeit, sich über Jobbörsen zu informieren. Auch Praktika waren so gut wie nicht möglich. Die Informationen, die bei der Lehrstellensuche wichtig sind, holten sich die jungen Leute auf digitalem Weg. So fand die Berufsinfomesse Fit for Job in Augsburg erstmals komplett digital statt. Christian Fischer sagt: "Die Corona-Krise hat die bisherige Praxis der Berufsorientierung auf den Kopf gestellt, sowohl in den Betrieben, als auch in den Schulen und bei uns in der IHK."
Fischer denkt aber nicht nur an die jungen Menschen, die jetzt ihre Ausbildung beginnen. Es sei gelungen, die bereits laufenden Ausbildungsverhältnisse durch gezielte Aktionen aufrechtzuerhalten. Unternehmen, Berufsschulen und die Kammern hätten daran mitgewirkt. "Möglicherweise noch vorhandene fachliche Defizite will die IHK nach den Sommerferien durch eine für Unternehmen und Auszubildende vorläufig kostenfreie Prüfungsvorbereitung ausgleichen", so der Leiter des Fachbereichs Ausbildung.
Noch unversorgte Bewerberinnen und Bewerber sollten jetzt Eigeninitiative entwickeln. "Mehr denn je ist persönliches Engagement gefragt", sagt Treutler-Walle. Die Jugendlichen sollten durchaus direkt auf Betriebe zugehen und nach einem Ausbildungsplatz fragen. Beide Kammern bieten zudem ihre Lehrstellenbörsen im Internet an. Im Handwerk sind rund 170 Ausbildungsplätze eingetragen, die sofort angetreten werden könnten. Bei der IHK sind es mehr als 500.