Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Das Hotel "Einsmehr" öffnete mitten in der Krise - und beherbergt jetzt Soldaten

Augsburg

Das Hotel "Einsmehr" öffnete mitten in der Krise - und beherbergt jetzt Soldaten

    • |
    Daniel Ganschinietz staubsaugt die Teppiche im Aufenthaltsbereich des Inklusionshotels Einsmehr in Augsburg. Der 28-Jährige hat dort im November seine Arbeit aufgenommen.
    Daniel Ganschinietz staubsaugt die Teppiche im Aufenthaltsbereich des Inklusionshotels Einsmehr in Augsburg. Der 28-Jährige hat dort im November seine Arbeit aufgenommen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Daniel Ganschinietz wischt und staubsaugt den Aufenthaltsbereich des Hotels Einsmehr. Der 28-Jährige macht das voll konzentriert, alles soll passen. Adriana Volland ist die Hausdame des Augsburger Hotels - sie sieht ihm zu und gibt ihm noch den einen oder anderen Tipp. Daniel Ganschinietz ist einer von zwölf Mitarbeitern mit Beeinträchtigung, die hier einen Arbeitsplatz gefunden haben. Insgesamt 23 Mitarbeiter sind in dem neuen Hotel hoch motiviert im November an den Start gegangen und wurden von Anfang an ausgebremst: Corona hat dem besonderen Augsburger Projekt, bei dem Menschen mit und ohne Behinderung Hand in Hand zusammenarbeiten sollen, einen schweren Start beschert.

    Anfangs hatte das Hotel Einsmehr in Augsburg viele Buchungen

    Im Oktober habe alles noch gut ausgesehen, berichtet Geschäftsführer Jochen Mack. "Wir hatten viele Buchungen. Es stand gar nicht zur Diskussion, dass wir unseren Eröffnungstermin verschieben sollten." Doch dann schnellte in Augsburg die Anzahl der an Corona infizierten Personen in die Höhe, Messen und Veranstaltungen wurden abgesagt - parallel erhielt das Hotel, das im Gebäude Westhouse gegenüber dem Uniklinikum in Kriegshaber beheimatet ist, nur noch Stornierungen.

    Bereits Mitte November wurden die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Ein bis zwei Tage die Woche arbeitet aber jeder jetzt wöchentlich - schließlich sollen sie all die Griffe und Kniffe, die sie gerade erst gelernt haben, nicht gleich wieder verlernen. Für Daniel Ganschinietz ist es wichtig, den Anschluss zu halten. Er übt auch zu Hause, faltet dort Toilettenpapier oder macht die Betten, damit er nichts vergisst. Im Hotel kann er sein Können unter Beweis stellen, schließlich ist der Hotelbetrieb nicht vollkommen eingestellt.

    Soldaten wohnen in dem Hotel während ihres Einsatzes in der Augsburger Uniklinik

    "Wir hatten von Anfang an Hotelgäste. Bei uns sind beispielsweise die Soldaten untergebracht, die in der Uniklinik aushelfen", berichtet Sandra Huerga-Kanzler, die gemeinsam mit ihrem Mann Raul das Hotel leitet. 16 bis 25 Soldaten sind seit November an der Augsburger Uniklinik im Einsatz und unterstützen die Mitarbeiter während der Corona-Pandemie. "Viele sind zwischen drei bis vier Wochen im Einsatz. Ein Soldat ist bereits seit acht Wochen da", erzählt die Hotelleiterin. Daneben konnten sie in den vergangenen Wochen und Monaten weitere Gäste begrüßen: Monteure, Spediteure, Ärzte, die am Klinikum beschäftigt waren, Mitarbeiter eines Pharmakonzerns. "Derzeit sind nur Geschäftsreisen erlaubt. Das waren alles Reisen, die nicht aufgeschoben werden konnten", weiß sie.

    Das Inklusionshotel Einsmehr befindet sich in der Nähe des Uniklinikums in Augsburg.
    Das Inklusionshotel Einsmehr befindet sich in der Nähe des Uniklinikums in Augsburg. Foto: Annette Zoepf

    Diese Übernachtungen würden helfen, das Defizit zu verringern. "Dennoch bleibt es ein Defizit. Wir sind ungeduldig. Uns fehlt eine Perspektive", betont Geschäftsführer Mack. Eine Perspektive, wann Privatpersonen wieder verreisen dürften, Geschäftsreisen wieder an Fahrt aufnehmen würden. Sie stünden unter Druck. Schließlich würden sie bei den staatlichen Hilfen durch das Raster fallen. "Wir können weder den Einbruch zum Vorjahresumsatz dokumentieren noch zum Oktober. Wir können nur eine Vielzahl von Stornierungen vorlegen."

    Bereits im Dezember hat Mack an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geschrieben, um auf das Problem aufmerksam zu machen. "Bis auf eine Empfangsbestätigung ist bis heute nichts gekommen. Dabei geht es doch um Existenzen." Die Mitglieder des Vereins "Einsmehr - Initiative Down-Syndrom für Augsburg und Umgebung", die bereits seit 2018 die Pläne für das Inklusionshotel vorangetrieben und umgesetzt haben, haben sich auch in dieser Notsituation etwas einfallen lassen.

    Spendenaktion soll dem Augsburger Inklusionshotel helfen

    Im März startet erneut eine große Spendenaktion: Wer im kommenden Monat mindestens 21 Euro für das Inklusionshotel spendet, nimmt an einer Verlosung teil. Als Hauptpreis winkt ein E-Bike im Wert von 1900 Euro, das die Radstation Augsburg gespendet hat, sowie ein im Spiel getragenes Trikot und Schuhe von Marco Richter vom FCA. Jochen Mack freut sich, dass so viele Unternehmen sofort bereit gewesen seien, einen Preis zu stiften.

    "Wir sind dankbar, dass wir so viel Unterstützung erhalten. Doch auf Dauer können wir uns so nicht über Wasser halten", sagt er. Es sei zermürbend, von der Politik so lange hingehalten zu werden. Er hofft, dass das Hotelteam bald richtig durchstarten könne. Einige der Mitarbeiter mit Behinderung hätten zuvor in ihren Werkstätten gekündigt, damit sie die Stelle im Hotel annehmen konnten.

    So wie Daniel Ganschinietz. Er habe zuvor bei den Ulrichswerkstätten im Lager gearbeitet, sagt er. Seine Mutter habe ihn auf die Idee gebracht, sich für eine Stelle im Hotel Einsmehr zu bewerben. Ab Juni wurden die Mitarbeiter auf ihre Arbeit vorbereitet. Im Hotel im alten Park (Diako) haben sie erste Erfahrungen sammeln dürfen, bevor es im November im Inklusionshotel losging. Ab April sollen die nächsten jungen Menschen mit Lernschwierigkeiten, die einen Grad der Behinderung von mindestens 50 haben und nicht älter als 30 Jahre sind, im Hotel beruflich qualifiziert werden. Jochen Mack: "Wir bilden derzeit nicht mehr für den eigenen Bedarf fort, sondern für andere Hotels. Trotz Corona sind schon 15 Bewerbungen da."

    Lesen Sie auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden