Nicht einmal die Bautafel hängt noch am Zaun. Jahrelang war sie an der Baustelle am Schmiedberg befestigt gewesen, etwas versteckt zwar, aber immerhin ein Zeichen, dass hier etwas passieren soll. Dass aus dieser heruntergekommenen Immobilie tatsächlich etwas gemacht werden soll. Nun ist die Bautafel weg, ebenso wie das Gerüst, dass die Baustelle lange umrahmte, sowie diverse Materialien, die sonst immer herumlagen und auf Betriebsamkeit hindeuteten. Arbeiter hat hier ohnehin schon lange keiner mehr gesehen. Die Problem-Immobilie am Schmiedberg, in Augsburg auch als "Geisterhaus" bekannt, wird offenbar endgültig zur Bauruine. Das hat auch, aber wohl nicht nur etwas mit der Corona-Krise zu tun.
Rückblick: 2011 erwarb ein international vernetzter Geschäftsmann mit Wohnsitz in Dubai das Gebäude, das zu dem Zeitpunkt bereits Jahre lang ungenutzt war. Passiert ist seither wenig. Erst wollte der Geschäftsmann das Haus wieder verkaufen, dann ein Stadthotel aus der maroden Baubrache machen. Nun sollen in dem Gebäude 55 kleine Apartments, zwei Penthäuser und Gewerbeflächen entstehen, und zumindest 2019 gab es tatsächlich ein paar Baufortschritte zu sehen. Nach Informationen unserer Redaktion gehört dem Mann aus Dubai das Gebäude zu 70 Prozent, im Grundbuch steht mit einem Anteil von 30 Prozent zudem ein Verwandter des Mannes.
Teils hatten Firmen des wohlhabenden Geschäftsmannes ihren Sitz in der Baubrache ohne Briefkasten, darunter eine namens „AKA Petroleum“, wie unsere Redaktion 2018 aufdeckte. Die Firma präsentierte sich auf einer mittlerweile abgeschalteten Internetseite als „multinationaler Energiekonzern“ und wies in ihrer jüngsten Bilanz eine Bilanzsumme von erstaunlichen 70 Millionen Euro auf. Für das „Geisterhaus“ selbst ist nach Informationen unserer Redaktion im Grundbuch eine Eigentümergrundschuld von 24 Millionen Euro eingetragen. Es geht also um viel Geld. Und teils offenbar auch um fragwürdige Geschäfte.
Geisterhaus am Schmiedberg: Dubiose Geschäfte rund um eine Immobilie
Ende 2019 brachte ein internationaler Rechercheverbund in einer groß angelegten, monatelangen Recherche viel Licht ins Dunkel um die Geschäfte des Immobilien-Eigentümers. Demnach sollen von Kirgistan aus Hunderte Millionen US-Dollar illegal außer Landes gebracht worden sein, teils über Kuriere, die Bargeld bei sich trugen, teils nach Auskunft eines Informanten des Verbundes über Schein-Darlehensverträge mit Firmen im Ausland. Darunter sollen, wie Dokumente zeigen, AKA-Firmen mit Bezug zur Adresse am Schmiedberg sein.
Ohnehin sollen hohe Summen in das Netzwerk des Mannes aus Dubai geflossen sein, dem in Augsburg die Immobilie gehört – ein gebürtiger Chinese mit kasachischem Pass, der zur uigurischen Minderheit gehört. Er soll sein Geld mit Import-Export-Handel im zentralasiatischen Raum gemacht haben, etwa mit Textilien. Ein florierendes Geschäft offenbar, das den Recherchen des Verbundes zufolge vor allem deshalb so gut ging, weil es auf Schmuggel und Korruption basiert haben soll – und darauf, dass speziell der kirgisische Zoll durch Bestechungsgelder kooperierte.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Die Tätigkeiten des Geschäftsmannes erregten bei deutschen Behörden bislang allerdings nicht mehr als ein Stirnrunzeln. Strafrechtlich ist er hier offenbar nie in Erscheinung getreten.
Bauruine in Augsburg: Seit März 2020 gibt es einen Baustopp
Fakt ist, unabhängig von den Hintergründen des Projektes: Fortschritte gibt es seit geraumer Zeit nicht mehr, eine Fertigstellung ist nicht einmal zu erahnen. Seit März 2020 gibt es nach früherer Auskunft eines beteiligten Architekturbüros einen Baustopp. Seither beherrscht die Corona-Krise das Leben, offenbar auch mit Auswirkungen auf das Bauprojekt am Schmiedberg. Nach Auskunft eines Vertreters des Geschäftsmannes in Deutschland sei es dem Investor derzeit aufgrund der Corona-Beschränkungen nicht möglich, nach Deutschland zu reisen. Daher passiere gerade nichts.
Allerdings scheint es beim Projekt unabhängig von der Pandemie massive Probleme zu geben. Ein früherer Generalunternehmer, der den Bau koordinieren und ausführen sollte, ging schnell insolvent, und ein zweiter Generalunternehmer, gegründet von jenem Vertreter des Immobilien-Eigentümers selbst, ist inzwischen ebenfalls pleite.
Wie es weitergeht? Das, so lässt es der Vertreter des Geschäftsmannes durchblicken, sei ziemlich offen. Vor Ende der Corona-Krise passiere jedenfalls nichts. Das Projekt liege auf Eis. Das Geisterhaus, so scheint es, bleibt noch eine ganze Weile eine Bauruine.
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