Zwei Wochen vor der Kommunalwahl will die Vereinigung „Augsburg in Bürgerhand“ (AiB) Unterschriften für ein Bürgerbegehren sammeln, das über eine Änderung der städtischen Grundstückspolitik für günstigeres Wohnen sorgen soll. „Wir sind der Auffassung, dass die Stadtregierung die Bürger der Stadt Augsburg nicht vor der Preisexplosion der vergangenen Jahre bei Kaufpreisen und Mieten schützt“, sagt Bruno Marcon, OB-Kandidat von AiB und Mitinitiator des Bürgerbegehrens.
Ab kommender Woche sollen die Augsburger ein Begehren unterstützen können, das der Stadt vorschreiben will, keine Wohnbaugrundstücke mehr an Bauträger zu verkaufen, sondern diese nur noch in Erbpacht zu vergeben. „Sind Sie dafür, dass kommunales Bauland nur im Erbbaurecht vergeben werden darf?“, lautet die Fragestellung.
Der Bauherr zahlt bei Erbpacht nur eine Nutzungsgebühr
Beim Erbbaurecht überlässt der Eigentümer eines Grundstücks gegen Zahlung eines jährlichen Pachtzinses einem Bauherren das Grundstück, häufig über einen Zeitraum von 99 Jahren. Die Stadt Augsburg und ihre Stiftungen haben aktuell rund 230 Grundstücke im Erbbaurecht zu Wohnzwecken vergeben. Der Vorteil: Wer bauen will, spart sich erst einmal die hohen Preise für den Kauf eines Grundstücks, sondern zahlt über Jahre faktisch eine Nutzungsgebühr. „Die Stadt könnte so auch besser steuern, wie Grundstücke bebaut werden, wenn sie sie im Eigentum behält“, so Bruno Marcon.
Dies könne sozialer Wohnungsbau sein, müsse es aber nicht. Mit dem Verkauf der Kasernengelände an Wohnbaufirmen habe die Stadt die Chance aufgegeben, aktive Wohnungsbaupolitik zu gestalten, so der Vorwurf. „Für junge Familien ist der Kauf von Wohneigentum eigentlich nur noch leistbar, wenn sie vermögende Eltern haben“, so Marcon. Dies sei kein Dauerzustand. Auch wer sich auf dem Mietmarkt nach einer Wohnung umsehe, treffe teils auf „katastrophale Zustände“ mit hohen Preisen und zig Mitbewerbern.
Warum die Frage des Bürgerbegehrens keine große Wirkung entfaltet
Allerdings dürfte die Wirkung der Fragestellung, so sie denn in einen erfolgreichen Bürgerentscheid münden sollte, nicht allzu durchschlagend sein. Denn die Fragestellung beschränkt das Thema der Grundstücksverkäufe von Bauland, also städtische Areale mit Baurecht. Zwar werden aktuell viele Bebauungspläne entwickelt, allerdings betreffen diese meist nicht städtische Flächen, sondern Privatgrund, etwa beim Zeuna-Stärker-Areal.
Das geben auch die Initiatoren des Begehrens zu. Die Fragestellung auf alle städtischen Grundstücke auszudehnen, also etwa auch Wald, sei rechtlich wohl nicht zulässig, so Marcon. Man sehe die Fragestellung eher als Signal für die Stadtregierung, künftig mehr Grundstücke zu kaufen. Dazu müsse gegebenenfalls die Verschuldung erhöht werden. „Man hat höhere Kredite, auf der anderen Seite steht aber auch ein Wert. Wenn der Erbpachtzins dann noch höher ist als der Kreditzins, hat die Stadt sogar noch Einnahmen“, sagt Marcon.
Bürgermeisterin und CSU-OB-Kandidatin Eva Weber sagte zuletzt, die Stadt versuche, aufzukaufen, was geht, wolle und dürfe aber keine überhöhten Preise bezahlen. Dies sei aktuell neben der geringen Verfügbarkeit von Grunstücken das Hauptproblem. Laut einer Aufstellung des Liegenschaftsamtes sind die städtischen Flächen in den vergangenen Jahren in der Summe fast gleich geblieben. Auch gegen eine Kreditaufnahme ohne Grenzen sprach sich Weber auf einer Diskussionsveranstaltung vor einigen Wochen, bei der Marcon seine Ideen vorbrachte, klar aus. Dies lasse weder die Regierung von Schwaben zu, noch sei eine dauerhaft hohe Verschuldung sinnvoll.
Gibt es 2020 ein weiteres Bürgerbegehren in Augsburg?
Die Initiatoren des Bürgerbegehrens (neben Marcon sind das Tobias Walter und Elisa Göppel) kündigten am Freitag an, im Lauf des Jahres möglicherweise ein weiteres Bürgerbegehren zum Thema „Erhaltungssatzung“ nachzuschieben. Eine solche Satzung hat das Ziel, Mieter in bestimmten Vierteln zu schützen. Luxussanierungen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen können erschwert werden. Nach einer Sanierung ist auch die Einführung eines zeitweisen Mietendeckels für die Wohnung denkbar. Zudem könnte sich die Stadt ein Vorkaufsrecht auf Grundstücke sichern. SPD und Grüne fordern dieses Instrument für bestimmte Viertel, etwa die Jakobervorstadt. Sollte der Stadtrat nicht im laufenden Jahr eine solche Satzung beschließen, werde man das zweite Bürgerbegehren vom Stapel lassen, kündigte Marcon an.
Wie berichtet will der Bauausschuss des Stadtrates am 12. März, also drei Tage vor der Wahl, über die seit Jahren politisch umstrittene Richtlinie zur sozialen Bodennutzung entscheiden. Der Vorschlag von Baureferent Gerd Merkle (CSU) sieht vor, den Investoren bei kleineren Mehrfamilienhaus-Projekten 30 Prozent geförderten Wohnungsbau vorzuschreiben. Bei Projekten ab 100 Wohnungen sollen die Investoren verpflichtet werden, der Stadt 30 Prozent des Bodens zu einem günstigen Preis zu verkaufen. Aus der Immobilienwirtschaft gibt es Kritik, SPD und Grüne haben weitreichendere Forderungen, die CSU wird dem Vorschlag wohl zustimmen.
Marcon sagt, der Vorstoß habe allenfalls Alibi-Funktion und verschleiere die Untätigkeit der Stadt bei dem Thema. Die Zahl der so entstehenden günstigen Wohnungen sei zu gering. Dass es sich bei dem Bürgerbegehren um ein Wahlkampfmanöver handle, bestreitet Marcon. „Augsburg in Bürgerhand“ wolle zwar in den Stadtrat, das Bündnis bestehe aber schon seit Jahren und habe die Aktivitäten der Stadt zur Wohnbaupolitik zuletzt aufmerksam verfolgt. An diesem Thema komme man nicht vorbei. „Wir hätten das Bürgerbegehren auch zum jetzigen Zeitpunkt gemacht, wenn wir nicht zur Wahl angetreten wären“, so Marcon.
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