Hätte jemand Thomas Kronthaler vor einem halben Jahr prophezeit, dass er einmal mit einem Plastik-Visier um den Kopf seine Kunden im Freien bedient, hätte er ungläubig den Kopf geschüttelt. Mittlerweile hat sich der Einzelhändler an das sogenannte Face-Shield gewöhnt und steht unverdrossen auf dem Wochenmarkt in Lechhausen hinter seinem Stand. Das lästige Utensil nimmt er gerne in Kauf, weil er den Lohn fürs Tragen am Abend in seiner Kasse sieht. „Der Markt profitiert von Corona, weil die Leute wieder mehr kochen und auch mehr auf Frische und Qualität achten.“
Neue Kunden auf dem Wochenmarkt in Lechhausen
Während Kronthaler in seinem nahe gelegenen Feinkostladen eine breite Palette an Waren anbietet, konzentriert er sich an seinem Stand auf frisches Obst. Neben ihm bieten noch sechs weitere Fieranten aus der Region ihre Lebensmittel an – von Gemüse über Blumen bis hin zu Wurst und Käse. „Ich hab so meine Stände und kaufe nur regionale Produkte“, sagt beispielsweise Kunde Walter Grauvogl. Er schlendert fast jede Woche durch die Widderstraße und macht bei Erika Selig aus Stätzling Halt. Insbesondere zu Beginn der Krise habe auch sie viele neue Kunden begrüßen können, sagt sie. „Seitdem die Wirtschaften wieder aufhaben, hat der Ansturm aber etwas nachgelassen.“
Einen regelrechten Boom erlebt auch der Wochenmarkt im Friedrich-Ebert-Neubaugebiet in Göggingen. Zwei Monate „Weihnachtsgeschäft“ nennt ein Marktkaufmann, der seinen Namen nicht lesen möchte, den Run auf die Stände an der Bürgermeister-Miehle-Straße. Teilweise habe man dreimal mehr Umsatz als üblich gemacht.
„Wir waren ganz platt, wie viele Kunden von einem Tag auf den anderen kamen“, berichtet Gabriela Pfaffenzeller, die mit einem Metzger- und einem Gemüsestand vertreten ist. „Die Leute standen Schlange, da waren eine Menge neue Gesichter darunter“, freut sich die Kauffrau. Mittlerweile habe der Boom wieder nachgelassen. „Aber ich denke, dass von den neuen Kunden einige bleiben werden.“
Stadtmarkt und Wochenmärkte in Augsburg profitieren von Corona
Am Stand der Rollenden Gemüsekiste war man vom Ansturm überrascht, wie Händler Christian Schuster bestätigt. „Es kamen viele neue Kunden, die auch noch viel eingekauft haben“, berichtet er. „Die Leute konnten nicht in der Kantine essen, die Kinder nicht in der Schule, da wurde Zuhause natürlich viel mehr gekocht als üblich“, glaubt er. Auch die Qualität der Lebensmittel spiele eine Rolle. „Durch Corona sind die Menschen gerade sensibel, was sie essen – das wird sich aber wohl wieder geben“, vermutet er. Ähnlich habe man das während der BSE-Krise erlebt. Neu für sich entdeckt hat Gabi Hiob aus Haunstetten den Gögginger Wochenmarkt. Den Einkauf im Freien schätzt sie sehr. „Da beschlagen die Brillengläser mit der Maske wenigstens nicht.“
Einkaufen an der frischen Luft ist in Augsburg in zahlreichen Stadtteilen möglich. Ebenso wie auf dem Stadtmarkt durften auch die Beschicker der Wochenmärkte selbst in der von vielen Einschränkungen geprägten Anfangsphase der Corona-Pandemie für ihre Stamm- und Neukunden da sein.
Einkaufen unter freiem Himmel
Innenstadt: Stadtmarkt zwischen Anna- und Fuggerstraße, Montag bis Freitag von 7 bis 18 Uhr, Samstag von 7 bis 14 Uhr, Bauernmarkt jeweils von 7 bis 14 Uhr.
Oberhausen: Helmut-Haller-Platz, Samstag, zu den Ladenöffnungszeiten.
Univiertel: Europaplatz, Samstag von 8 bis 12 Uhr.
Hochzoll: Zwölf-Apostel-Platz, Mittwochvormittag und Freitagnachmittag.
Lechhausen: Widderstraße, Freitag von 12 bis 18 Uhr.
Bärenkeller: Bürgerplatz, Samstag von 10 bis 13 Uhr.
Pfersee: Franz-Kobinger-Straße, Freitag von 8 bis 16 Uhr.
Göggingen: Bgm.-Miehle-Straße, Donnerstagvormittag.
Haunstetten: Platz an der Flachsstraße/Eggenstraße/Goldammerstraße, Freitag von 14 bis 16 Uhr.
Weitere Angebote: Vor Einkaufsmärkten, Bau- oder Gartencentern finden die Kunden neben Imbisswagen bisweilen auch Stände mit einem Wochenmarktsortiment. (Ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit)
So auch im Bärenkeller, wo die Aktionsgemeinschaft vor etlichen Jahren einen kleinen Wochenmarkt ins Leben gerufen hat. Nach den Beobachtungen der Vorsitzenden Christine Deschler hat die Pandemie die Kundenfrequenz auf dem Bürgerplatz erhöht. „Draußen kann man einfach den Abstand besser einhalten als drinnen im Laden“, hat sie festgestellt. Dadurch ermögliche der Wochenmarkt ein Stück weit Normalität in diesen Zeiten.
Stadtmarkt Augsburg: Vom Versorger- zum Erlebnismarkt
Teilweise bauen die Fieranten der Wochenmärkte ihre Stände auf städtischen Grundstücken auf, teilweise auf privaten Arealen. Untersuchungen, ob und wie sich die Wochenmärkte auf die Kundenfrequenz im Stadtmarkt auswirken, gebe es nach Auskunft von Marktamtsleiter Werner Kaufmann nicht. Von einer Konkurrenzsituation wolle er allerdings nicht sprechen, da sich die beiden Angebote nicht miteinander vergleichen ließen. Der Stadtmarkt habe sich vom reinen Versorger- zum Erlebnismarkt entwickelt, so Kaufmann.
Dies war früher anders. Bis in die 1980 Jahre kamen die Bauern zahlreich aus dem Umland, um ihre Waren auf dem Stadtmarkt zu verkaufen. „Wir hatten an den Wochenenden im Sommer und Herbst an die 20 verschiedene Anbieter, meist Marktfrauen, auf dem Bauernmarkt“, erinnert sich Kaufmann. Dies habe sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Der Amtsleiter nennt dafür mehrere Gründe: „Die Kunden sind mobiler geworden. Eine Rolle spielen aber auch die Hofläden, die entstanden sind.“ Sie sind gerade im Augsburger Süden mit seinen ländlicheren Vierteln vertreten.
Lesen Sie dazu den Kommentar: Wochenmärkte machen Stadtteile lebendig
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