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Augsburg: Corona verändert das Einkaufsverhalten in Augsburger Geschäften

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Corona verändert das Einkaufsverhalten in Augsburger Geschäften

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    Petra Kahn von der Boutique Kaufrausch kann die aktuelle Lage wahrlich nicht durch die rosarote Brille sehen. Auch jetzt, da die Geschäfte wieder öffnen dürfen, hat ihre Branche große Probleme.
    Petra Kahn von der Boutique Kaufrausch kann die aktuelle Lage wahrlich nicht durch die rosarote Brille sehen. Auch jetzt, da die Geschäfte wieder öffnen dürfen, hat ihre Branche große Probleme. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die Inhaberin des Augsburger Modegeschäfts Kaufrausch, Petra Kahn, blickt derzeit gespannt auf die Verlautbarungen der Minister und die neuen Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern. Aufgrund der hohen Dynamik der Pandemie sieht sich die Politik immer wieder gezwungen, Entscheidungen kurzfristig zu fällen. Für die Bekleidungsindustrie ein Fiasko, denn sie lebt von langfristiger Planung. Entsprechend leiden Augsburger Unternehmen dieser Branche nach wie vor unter der Situation - obwohl ihre Geschäfte längst wieder öffnen können.

    "Die jeweilige Kollektion muss mindestens ein halbes Jahr vor Beginn der Verkaufssaison geordert werden", sagt Petra Kahn. Die fehlende Planungssicherheit seit Beginn der Pandemie mache es ihr schwer, unternehmerische Entscheidungen zu treffen. "Wir haben uns bereits im Januar mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob uns im Winter ein Lockdown bevorsteht und wie wir damit umgehen." Zu dem Zeitpunkt konnte die Augsburgerin noch nicht einmal ahnen, dass der damalige Lockdown fast fünf Monate dauern würde. "Die Verpflichtung, unseren Kunden anständige Ware zu liefern, kam für uns als Familienbetrieb an erster Stelle. Wir haben nicht riskieren wollen, dass wir unseren Kunden nichts anzubieten haben, und haben unsere Warenbestellung deswegen nicht weiter verzögert." Doch Kahn legt auch offen, dass sie deutlich weniger Ware eingekauft hätte, wenn schon damals abzusehen gewesen wäre, wie lang und einschneidend der Lockdown werden würde.

    Dabei ist das Modegeschäft selbst schon eine Wette auf die Zukunft, da bereits Monate im Voraus eingeschätzt werden muss, was in der nächsten Saison wohl angesagt ist. Die Planungsunsicherheit, die aus der unvorhersehbaren Entwicklung der Pandemie und den kurzfristigen Entscheidungen der Politik resultiert, mache das Geschäft nur noch riskanter.

    Petra Kahn: "Ich will meine Kunden im Laden haben"

    Im ersten Lockdown hat Petra Kahn deshalb einen Onlineshop für ihre Boutique eingerichtet, der auch gut angelaufen sei und als Abfederung dienen sollte. Einen Ersatz für den stationären Handel sei der Onlineverkauf jedoch nicht. "Ich bin Einzelhändlerin mit Leib und Seele, ich will meine Kunden hier im Laden haben, und ich merke, dass ihnen das Zwischenmenschliche auch gefehlt hat." Ihre Stammkunden würden den Onlineshop auch nur als Katalog nutzen, um dann im Geschäft einzukaufen. "Ich kenne den Kleiderschrank mancher Kunden besser als sie selbst. Mit vielen verbindet uns mittlerweile eine Freundschaft, deshalb kommen sie gerne her", erzählt sie. Die Ware für die Frühjahr- und Sommerkollektion habe sie bereits eingekauft, ohne Abstriche zu machen. Einen Lockdown im nächsten Sommer schließt sie derzeit aus.

    Um das Risiko, auf Ware sitzen zu bleiben, etwas einzugrenzen, hatte sich Marcus Vorwohlt dazu entschieden, die Bestellung für die Herbst- und Wintersaison zu verringern. Vorwohlt leitet das Modehaus Rübsamen, das mehrere Filialen in der Region betreibt. "Wir haben die Aufträge für die Wintersaison 2021 gegen Ende Februar und damit mitten im Lockdown geschrieben. Unter dem Gefühl, wir haben zu viel und können das alles ja nie verkaufen, mussten wir uns also auch noch um frische Ware kümmern." Es sei ein unternehmerisches Wagnis gewesen. Letztlich habe man aus Vorsicht beschlossen, rund zwanzig Prozent weniger zu bestellen. Im vergangenen Lockdown sei nämlich auch Ware liegen geblieben. "Über die Überbrückungshilfen gab es die Möglichkeit, vom Frühjahr und Sommer Ware abzugeben, der Staat hat dafür Ausgleichszahlungen geleistet. Hätten wir nicht auf diese Hilfeleistung zurückgreifen können, hätten wir Probleme gehabt, da wir etwa drei Monate an Verkaufszeit einbüßen mussten."

    Marcus Vorwohlt: "Das Verhalten der Kunden hat sich verändert"

    Derzeit sei das Unternehmen dabei, die Aufträge für die kommende Frühjahrssaison zu schreiben. "Mit etwa siebzig Prozent der Order haben wir bereits abgeschlossen. Auch diesmal bestellen wir aber weniger, wenn auch nicht so wenig wie für die Wintersaison", erklärt Vorwohlt. Er hofft, dass sich die Lage nächstes Jahr wieder etwas normalisieren könnte. So wie früher werde es aber nicht mehr, ist er sicher. Das Einkaufsverhalten der Menschen habe sich in den 15 Monaten zu sehr verändert. "Unsere Kunden suchen mehr Nähe als vorher. Die Leute wollen mehr Beachtung, Aufmerksamkeit und ein intensiveres Verkaufsgespräch. Zudem ist die Nachhaltigkeit ein wichtiger Erfolgsfaktor." In der Zukunft wolle das Modehaus deshalb weniger, aber wertiger sein und mehr Bedienung anbieten.

    Milana Reitmayer vom Modegeschäft Ideenreich sagt, das Kundenverhalten habe sich während Corona verändert.
    Milana Reitmayer vom Modegeschäft Ideenreich sagt, das Kundenverhalten habe sich während Corona verändert. Foto: Silvio Wyszengrad

    Milana Reitmayer führt den Mode- und Trend-Laden Ideenreich, der zwei Standorte in Augsburg hat. Im Sommer verkauft sie schwerpunktmäßig Mode, im Winter steigt sie auf Geschenkartikel um. Auch sie hat Veränderungen beim Kundenverhalten bemerkt. "Während der Pandemie haben wir die Inhalte unserer Social-Media-Kanäle angepasst. Wir haben hin und wieder aufmunternde Fotos oder motivierende Sprüche gepostet und dafür viel Zuspruch erhalten." Der stationäre Einzelhandel schaffe einen Ort für zwischenmenschliche Interaktionen und würde von vielen zunehmend auch als soziale Aktivität und Puffer gegen Einsamkeit und Isolation genutzt.

    Was bleibt, ist die Hoffnung auf nächsten Sommer

    "Da ich nicht prognostizieren konnte, ob uns im Winter ein Lockdown bevorsteht, habe ich versucht, die Warenbestellung hinauszuzögern", sagt sie. "Im Juni habe ich deshalb die Messe besucht und Fotos von Geschenkartikeln gemacht. Anschließend habe ich mit den Herstellern gesprochen und geklärt, inwieweit eine spätere Bestellung umsetzbar ist", erklärt die Unternehmerin. Um die Gefahr zu vermeiden, dass der gewünschte Artikel ausverkauft sei und sie zu wenig an Sortiment habe, habe sie mehr ausgesucht als notwendig. In der Textilbranche sei eine derartig kurzfristige Bestellung jedoch nicht möglich, da gute Ware schnell vergriffen sei. Für den nächsten Sommer hat sie Hoffnung: "Da wir auch dieses Jahr im Sommer Lockerungen hatten, denke ich, dass es nächstes Jahr auch so sein wird. Aus diesem Grund habe ich auch nicht weniger bestellt."

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