Armut bliebe im Verborgenen, gäbe es nicht den Bettler an der Ecke oder die Seniorin, die mit verschämtem Blick eine Pfandflasche aus dem Mülleimer fischt. Armut bekommt aber auch ein Gesicht, besser gesagt viele Gesichter, vor und in den Ausgabestellen der Augsburger Tafel. Etwa an diesem Mittag an der Hauptstelle in Oberhausen, wo sich bereits eine Stunde vor der Öffnung der Warenausgabe eine lange Schlange bildet.
Corona-Krise: Mehr Menschen besuchen die Tafel
Corona hat der Tafel noch mehr Kunden beschert. Allein in Oberhausen dürften es an den drei Ausgabetagen pro Woche insgesamt 150 neue Berechtigte sein, sagt das Vorstandsduo Fritz Schmidt und Peter Gutjahr. Faktoren wie Kurzarbeit oder der Wegfall von Minijobs hätten in den vergangenen Wochen die Not in Augsburg noch vergrößert, folgern sie. Dabei versorgte die Tafel schon vor der Krise in ihren sechs Ausgabestellen rund 4000 Menschen, darunter 1200 Kinder und Jugendliche sowie viele Rentner.
Wegen der vielen Einschränkungen durch den Lockdown stand im März der Betrieb des von 200 ehrenamtlichen Mitarbeitern und vielen Spendern getragenen Hilfsangebots auf der Kippe. Von knapp 170 Tafeln in Bayern hatte zu Beginn der Krise fast die Hälfte ihren Betrieb vorübergehend eingestellt, 30 sind noch immer geschlossen.
In Augsburg griff die Stadt dem Verein mit zusätzlichen Helfern und der Verlagerung der Warenannahme und -verpackung in das Messezentrum unter die Arme. Somit konnte das Angebot abgesehen von einer kurzen organisatorisch bedingten Pause lückenlos aufrechterhalten werden.
Noch wird ein Teil der Logistik an der Messe abgewickelt. In den Ausgabestellen bestimmen die bekannten Corona-Regeln das Prozedere: Für Besucher wie Helfer gilt Maskenpflicht, es gibt Spender mit Desinfektionsmittel. Mitarbeiter stehen hinter Plexiglasscheiben und geben den Klienten eine vorgepackte Tüte mit Grundnahrungsmitteln, ergänzt um frisches Obst oder Waren des individuellen Bedarfs wie etwa Babynahrung. Maximal zwei Kunden dürfen sich gleichzeitig in der Ausgabe aufhalten.
Augsburg, eine Vorzeige-Tafel
„Augsburg ist sowohl von der Ausstattung als auch vom Warenangebot eine Vorzeige-Tafel“, sagt Peter Zilles. Der Vorsitzende der Tafel Bayern war beim Besuch von Sozialministerin Carolina Trautner in der Augsburger Tafel-Zentrale mit von der Partie. Die Politikerin nutzte die Gelegenheit, sich bei den Helfern für ihren Einsatz zu bedanken. „Die Corona-Pandemie stellt unsere gesamte Gesellschaft vor enorme Herausforderungen. Es ist wichtig, dass gerade die Ärmsten in unserer Gesellschaft auch jetzt mit Lebensmitteln und Sachspenden versorgt werden.“
Für den fachgerechten Transport der Nahrungsmittel sorgt in Augsburg seit Kurzem ein neuer Kühl-Lastwagen. Der 7,5-Tonner ist das größte Fahrzeug des Tafel-Fuhrparks und mit Spendengeldern finanziert. Ganz wunschlos glücklich ist der Vorstand allerdings noch nicht. „Seitdem wir die Räume unserer benachbarten Firma nicht mehr nutzen können, ist unser Lager zu klein geworden“, sagt Fritz Schmidt.
Aus diesem Grund sucht die Augsburger Tafel eine Lagerhalle für ihre Waren. Sie sollte 700 bis 1000 Quadratmeter groß sein und sich in der Stadt beziehungsweise an der Stadtgrenze befinden. Oberbürgermeisterin Eva Weber, die beim Termin mit der Ministerin ebenfalls dabei war, sagte Unterstützung bei der Suche zu.
Jüngere Helfer werden gesucht
Nach wie vor möchte die Tafel auch jüngere Helfer für Fahrdienste und Warenausgabe gewinnen, denn das Gros der Ehrenamtlichen ist längst im Rentenalter angekommen. Aktuell kümmern sich einige Studenten um den Betrieb der Filiale in der Jakobervorstadt, worüber sich die beiden Vorstände sehr freuen. Doch ob die jungen Helfern noch Zeit haben, wenn nach der Corona-Zeit das Leben wieder seinen gewohnten, schnelleren Gang geht?
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