Es gibt Angenehmeres, als bei 12 Grad Außentemperatur und Regen im Freien vor einem Container anzustehen. Doch Marianne nimmt die Tropfen gar nicht wahr. Die fast 70-jährige Augsburgerin wartet, wie sie sagt, schon seit drei Monaten auf ihre Impfung gegen das Coronavirus beim Hausarzt. Umso erleichterter ist die Rentnerin, dass sie sich als Kundin der Augsburger Tafel für einen dezentralen Termin in der Ausgabestelle in Oberhausen registrieren lassen konnte - und am Mittwoch den lang ersehnten Piks erhält. "Ich will auf Nummer sicher gehen, schließlich kommt man ja mit vielen Leuten zusammen", sagt sie. Gleichwohl weiß sie, dass viele Menschen der Impfung kritisch gegenüber stünden.
Augsburgs Stadtteil Oberhausen ist von Corona stark betroffen
Menschen wie Marianne hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Blick, als er kürzlich gezieltere Impfungen für Menschen in Stadtteilen und -vierteln ankündigte, in denen sozial schwächere Menschen leben. In Augsburg zählt dazu beispielsweise Oberhausen, das von der Pandemie mit am stärksten betroffen ist. Hier haben sich, im Verhältnis zur Einwohnerzahl, bisher etwa doppelt so viele Menschen mit dem Virus infiziert als in den am wenigsten betroffenen Stadtteilen.
In Oberhausen befindet sich auch die Hauptstelle der Augsburger Tafel, die die Stadt zum Auftakt der dezentralen Impfaktionen auswählte. Tafel-Kunden zählen als "Personen mit prekären Arbeits- oder Lebensbedingungen" ohnehin zur Prio-Gruppe 3 - und haben damit das Recht auf eine bevorzugte Impfung. Aus diesem Grund darf sich auch der 19-jährige Gymnasiast Daniyussef mit seiner Mutter in die Warteschlange vor dem Container einreihen, wo Mitarbeiter der Bäuerle Ambulanz Daten aufnehmen, die Impfwilligen aufklären und schließlich die Spritze ansetzen. "Für mich ist die Impfung die Chance zu einem Stück mehr Normalität", sagt Daniyussef. Er selbst sei zwar bislang ohne Infektion durch die Krise gekommen, habe sich aber wegen eines Corona-Falls in der Klasse in Quarantäne begeben müssen. Dass ihm nicht alle Mitmenschen die frühe Immunisierung gönnen, ist ihm bewusst. "Neid ist immer da."
In Augsburg stockt es bei den Corona-Erstimpfungen
Die Neiddebatte ist in den vergangenen Tagen auch wegen des knappen Impfstoffs aufgeflammt. Unter anderem, weil sich die Impfzentren auf die Zweitimmunisierungen konzentrieren, stockt derzeit der Motor bei den Erstimpfungen. Dass trotz des Engpasses Vakzin für die Tafel-Kunden reserviert wird, begrüßt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, der am Mittwoch zusammen mit Sozialministerin Carolina Trautner und Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber die Tafel besuchte. Impfen sei das Licht am Ende des Tunnels. Dabei müsse man auch an die Schwächeren denken, betonte der CSU-Politiker.
Rund 35 Impfwillige, neben Tafel-Kunden auch einige ehrenamtliche Mitarbeiter, bekamen an diesem Vormittag eine Spritze mit dem Vakzin des Unternehmens Johnson & Johnson verabreicht, von dem im Gegensatz zu den anderen Impfstoffen zunächst eine Dosis ausreicht. Diese Aktion soll laut Bäuerle-Ambulanz keine Eintagsfliege bleiben. Man werde demnächst mit dem Infomobil auch die anderen Ausgabestellen der Tafel aufsuchen und die Kunden aufklären, um dann, wenn wieder mehr Impfstoff vorhanden sei, weitere Termine anbieten zu können. Diese sollen laut Tafel-Chef Klaus Matthiessen alle zentral in Oberhausen stattfinden, da nur dort genügend Platz vorhanden sei. Auch wenn zahlreiche Kunden aufgrund ihres Alters oder wegen Vorerkrankungen bereits geimpft seien, rechnet er mit einer regen Teilnahme.
Stadt Augsburg will dezentrale Impfangebote ausbauen
Nach dem für 7. Juni angekündigten Ende der Priorisierung will die Stadt dezentrale Impfangebote weiter ausbauen. Angedacht sind Aktionen auf zentralen Plätzen und vor Gemeinschaftseinrichtungen. Auch Impfungen bei Moscheevereinen seien denkbar, heißt es.
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