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Augsburg: CSU-Parteifreunde wegen Betrugs angeklagt

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CSU-Parteifreunde wegen Betrugs angeklagt

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    Dunkle Geschäfte auf dem Nordfriedhof? Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass städtische Arbeiter dort auf eigene Rechnung Grabarbeiten erledigten und mit alten Grabsteinen handelten.
    Dunkle Geschäfte auf dem Nordfriedhof? Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass städtische Arbeiter dort auf eigene Rechnung Grabarbeiten erledigten und mit alten Grabsteinen handelten. Foto: Silvio Wyszengrad

    Mit dem Bezirksparteitag wollte die Augsburger CSU beweisen, dass die Zeit von Streitereien und Affären endgültig vorbei ist. Parteichef Horst Seehofer war da. Er sprach am Mittwochabend von einem „fast nicht zu überbietenden Maß an Geschlossenheit“. Doch es dauert keine zwölf Stunden, bis das Bild wieder Risse bekommt. Am Donnerstagmorgen, um 8.31 Uhr, verschickt Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai per E-Mail eine Pressemitteilung. Betreff: die Friedhofsaffäre. Es ist eine Affäre, die für die CSU zur einer Belastung werden kann.

    Es geht um Betrug und Unterschlagung

    Es geht um mutmaßlichen Betrug, Unterschlagung und um beste Kontakte unter Parteifreunden. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen fünf städtische Mitarbeiter des Nordfriedhofs erhoben. Vier Arbeitern wird vorgeworfen, sie hätten unter der Hand Aufträge für Grabarbeiten angenommen – gegen Bares. Den Ermittlungen zufolge geschah das während der normalen Dienstzeit. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Friedhofsverwalter die Geschäfte duldete und seine Arbeiter teils sogar unterstützte. Deshalb ist auch er angeklagt.

    Für die CSU ist das unangenehm. Denn bei dem Verwalter handelt es sich um Gerd Koller, 65. Er hat sich erst vorige Woche zum Vorsitzenden des Innenstadt-Ortsverbands der Augsburger CSU wählen lassen. Es handelt sich um einen der mitgliederstärksten Verbände. Das Amt wurde frei, weil Stadtrat Thorsten Große Machtkämpfe in der Partei verloren hatte und nicht weitermachen wollte. Koller ist nicht der Einzige, der im Vorstand der Innenstadt-CSU sitzt – und gleichzeitig unter Verdacht steht, die Stadt betrogen zu haben. Auch weitere Friedhofsarbeiter, die an den Geschäften beteiligt gewesen sein sollen, wurden am vergangenen Freitag in das Gremium gewählt.

    Das Verhältnis gilt als eng

    Das Verhältnis zwischen dem Verwalter und den beschuldigten Mitarbeitern gilt als eng. Es gibt nicht nur Fotos, die alle bei einem fröhlichen Betriebsausflug in den Dolomiten zeigen. Der Chef und seine Mitarbeiter sind auch in der CSU engagiert und dort gut vernetzt. Sie sollen bei der Kommunalwahl 2014 fleißig Plakate für die CSU aufgehängt haben. Und sie wurden als Delegierte zu wichtigen Wahlen geschickt. Parteiintern werden sie dem Lager um den einflussreichen CSU-Stadtrat Rolf von Hohenhau zugerechnet. Dieses Lager gilt inzwischen aber als geschwächt. Augsburgs CSU-Vorsitzender Johannes Hintersberger will sich bislang nicht dazu äußern, wie die Partei mit der Anklage gegen die Mitglieder umgeht. Von Gerd Koller ist zu hören, dass er mit der Anklage nicht gerechnet habe, weil er nach wie vor der Ansicht sei, er habe „nichts Unrechtes“ getan. Aus seinem Umfeld heißt es, er wolle mit den Behörden kooperieren.

    Es ist ein privater Ermittler, der die mutmaßlichen Schwarzgeschäfte der Parteifreunde auf dem städtischen Friedhof aufgedeckt hat. Der Detektiv Hans Schiesser hatte einen Auftraggeber aus der Branche, der überzeugt war, dass auf dem Friedhof nicht alles korrekt läuft. Der Detektiv schaute sich deshalb dort um. Er plauderte mit einem Arbeiter, der als Schlüsselfigur gilt. Der Mann bot ihm an, dass man Grabarbeiten auch „hobbymäßig“ erledigen könne. Die Auflösung eines Grabes koste dann nur 150 Euro. Deutlich günstiger, als wenn man das regulär über die Stadt oder einen Steinmetzbetrieb machen lässt.

    Hans Schiesser sammelte Beweise. Er sah, wie die Arbeiter tagsüber an Gräbern arbeiteten. Danach bekamen sie Scheine zugesteckt. Der Detektiv markierte auch einen Grabstein, der an einem alten Grab abgebaut wurde, mit einem Zeichen. Ein Friedhofsarbeiter sagte, der Stein werde geschreddert und entsorgt. Doch nach einiger Zeit tauchte der Stein im Hof eines Steinmetzbetriebs wieder auf. Der Arbeiter hat sich mit dem heimlichen Verkauf wohl etwas dazu verdient.

    Im Juni 2015 gab es auf dem Nordfriedhof dann eine Razzia der Polizei. Die Arbeiter waren gerade bei der Brotzeit. Kurz zuvor hatte eine Frau einem der Männer 150 Euro in die Hand gedrückt, vermeintliches Schwarzgeld für eine Grabauflösung. Die Polizisten rechneten damit, dass die Arbeiter das Geld aufteilen. Tatsächlich hatten die Männer Geld in ihren Taschen. Enorme Summen für Friedhofsangestellte. Einer trug rund 1200 Euro in Scheinen bei sich, ein anderer gut 600 Euro. Sie hätten im Lotto gewonnen, erzählten die Arbeiter.

    Was jetzt in der Anklage steht

    In ihrem Abschlussbericht lasteten die Kripobeamten den Parteifreunden rund 70 Straftaten an. In der Anklage tauchen nicht mehr alle Fälle auf. Das ist üblich. Die Staatsanwaltschaft nimmt nur jene Fälle auf, von denen sie überzeugt ist, dass die Beweise für eine Verurteilung reichen. So geht es nun um 13 Fälle, in denen die Arbeiter auf eigene Rechnung alte Gräber abgeräumt haben sollen. In acht Fällen soll ein Arbeiter, der jetzt auch im Vorstand der Innenstadt-CSU sitzt, alte Grabsteine nicht entsorgt, sondern verkauft haben. Die mutmaßlichen Einnahmen: über 10000 Euro. Angeklagt ist auch der Chef eines Steinmetzbetriebs. Er soll mit den Arbeitern gemeinsame Sache gemacht haben. Er stellte der Stadt Grabarbeiten in Rechnung. Tatsächlich wurden die Arbeiten aber wohl von den – ohnehin von der Stadt bezahlten – Friedhofsangestellten erledigt.

    In Justizkreisen geht man davon aus, dass den Angeklagten Geld- und Bewährungsstrafen drohen. Zudem müssen die Arbeiter damit rechnen, dass ihren Job verlieren, falls sich die Vorwürfe vor Gericht bestätigen. Entschieden werde darüber nach einem Urteil, sagt der für das Friedhofswesen zuständige Umweltreferent Reiner Erben (Grüne). „Wir hoffen, in der Angelegenheit bald mehr Klarheit zu haben“, so Erben. Wann der Prozess vor dem Amtsgericht stattfinden soll, steht allerdings noch nicht fest.

    Was aus den Männern beruflich wurde

    Der ehemalige Friedhofsverwalter Gerd Koller, inzwischen ist er im Ruhestand, hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe in eine andere Dienststelle der Stadt gewechselt. Der hauptverdächtige Arbeiter wurde auf einen anderen Friedhof versetzt, drei weitere Mitarbeiter sind nach wie vor auf dem Nordfriedhof tätig. Nachgedacht werde darüber, ein Rotationsprinzip auf den Friedhöfen einzuführen, um zu verhindern, dass sich Seilschaften bilden, sagt Reiner Erben. Als Reaktion auf die Affäre hat die Stadt den Friedhofsarbeitern auch verboten, jegliches Trinkgeld anzunehmen. Weniger als zehn Euro waren bis dahin erlaubt.

    Lesen Sie den Kommentar dazu:

    Kommentar zur Innenstadt-CSU: Vorsitzender in Bedrängnis 

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