Die Initiatoren des Bürgerbegehrens Fahrradstadt jetzt haben am Freitag ihre Forderungen konkretisiert. Gefordert werden mehr Radwege, eine bessere Absicherung und mehr Radstellplätze. Drei Wochen vor der Kommunalwahl haben SPD, Grüne, Linke, ÖDP und Polit-WG angekündigt, das Begehren offiziell zu unterstützen. Die Initiatoren gehen davon aus, die nötigen 11.000 Unterstützerunterschriften binnen zweier Monate zusammenzubekommen. „Zur ersten Sitzung des neu gewählten Stadtrats im Mai sollen die Unterschriften vorliegen“, so Jens Wunderwald vom „Forum Augsburg lebenswert“ (FAL), einem der Träger des Begehrens.
Wie berichtet war im Januar bekannt geworden, dass die Stadt selbst gestecktes Ziel, bis 2020 ein Viertel aller Wege aufs Fahrrad zu verlagern, verfehlt hat. Der Radverkehrsanteil in Augsburg liegt bei guten 19 statt der angepeilten 25 Prozent. „Mit dem Begehren sprechen wir der Stadtregierung unser Misstrauen aus, weil wir nicht glauben, dass sie eine Fahrradstadt schaffen kann“, so Wunderwald. Konkret fordern die Initiatoren von FAL, Allgemeinem Deutschen Fahrradclub (ADFC) und der Fridays-for-Future-Bewegung folgende Verbesserungen:
Gefordert werden Radwege an Gemeindestraßen (also nicht Bundesstraßen) mit über Tempo 30, die etwa durch Bordsteine durch Befahren von Autos geschützt sein sollen. Die Stadt müsse eine Prioritätenliste erarbeiten, so Schäffler. Probleme seien etwa die Ulmer Straße oder die Pferseer Straße.
Nötig sei ein lückenloses Netz aus Vorrangrouten mit wenigen Stopps. Von den sieben in der städtischen Planung vorgesehenen Achsen sei aktuell nur die Friedberger Straße in Ordnung, so ADFC-Vorstandsmitglied Arne Schäffler. „Bisher entstehen Verbesserungen für Radler, wenn irgendwo ohnehin eine Baustelle ansteht. Die Folge davon ist Stückwerk, statt durchgehend sicheren Pfaden“, so Schäffler.
Bürgerbegehren: Mehr Abstellplätze für Räder in Augsburg gefordert
Die Stadt soll an Gemeindestraßen Kreuzungen und Einmündungen so bauen, dass Autofahrer die Radler gut sehen können und die Autos beim Abbiegen zu langsamem Fahren gezwungen werden. Dass das Radeln in Augsburg gefährlich sein könne, sei eines der Hauptmotive für das Bürgerbegehren gewesen, so Wunderwald. Damit eine Stadt sich Fahrradstadt nennen dürfe, müsse sie sicher sein. Nur der Radverkehrsanteil könne nicht das alleinige Kriterium sein.
Dies ist die Fragestellung des Radbegehrens
Sind Sie dafür, dass die Stadt Augsburg die unten stehenden ausformulierten fünf Ziele für einen attraktiven, leistungsfähigen und sicheren Radverkehr kontinuierlich und verkehrspolitisch vorrangig verfolgt,
indem sie diese entweder durch geeignete Maßnahmen bis spätestens Ende des Jahres 2025 weitestgehend umsetzt oder bei Maßnahmen, die einer Plangenehmigung oder Planfeststellung bedürfen, bis zu diesem Zeitpunkt die Antragsunterlagen ausarbeitet und einreicht,
wobei diese Maßnahmen vorrangig durch Umwidmung von Flächen für Kfz-Fahrspuren oder Kfz-Parkplätze und gegebenenfalls auch zulasten der Leistungsfähigkeit des Kfz-Verkehrs umgesetzt werden sollen, in der Regel jedoch nicht auf Kosten der Flächen für den Fußverkehr, den öffentlichen Personennahverkehr und des Stadtgrüns?
Die Initiatoren fordern mehr Radabstellplätze in der Öffentlichkeit. „In der Innenstadt sieht es ganz schlecht aus“, so Schäffler. Die Radaktivisten fordern auch mehr Stellplätze in Häusern. „Die Mehrzahl der Augsburger lebt in Mehrfamilienhäusern“, so Schäffler. Bei Neubauten schreibt die Stadt seit einigen Jahren zwar neben Autoparkplätzen auch Radparkplätze vor, aus Sicht der Initiatoren aber zu wenig. „Nach aktuellem Stand gibt es für eine Wohnung mit einer vierköpfigen Familie zwei Radstellplätze – das sind zwei zu wenig“, sagt Schäffler. Bei Neubauten soll die Radparkplatz-Zahl um 80 Prozent erhöht werden, bei Altbauten sollen Eigentümer die Möglichkeit eingeräumt bekommen, 25 Prozent der Autostellplätze in Radplätze umzuwandeln.
Es soll jährlich einen Zwischenbericht von der Stadt geben. Zudem soll sich die Stadt an einer Meldeplattform für Schadstellen auf Radwegen beteiligen.
Bürgerbegehren: Die Umsetzung der Forderungen würde dauern
Man rechne damit, dass die Stadt zehn Jahre brauchen werde, um den Forderungen nachzukommen. „Die Jobliste ist lang“, so Wunderwald. Mit den bisherigen vier Millionen Euro pro Jahr komme man nicht hin. Die Initiatoren bekräftigen, auf keinem Kreuzzug gegen das Auto zu sein, auch wenn die Platzverteilung künftig zulasten des Autos gehen solle. „Den Leuten zu sagen, dass sie das Auto komplett stehen lassen sollen, ist realitätsfern und herablassend“, so Ingo Blechschmidt, einer der Fridays-for-Future-Organisatoren. Dazu seien die Alternativen zu wenig ausgebaut. Es gehe nicht darum, das Auto abzuschaffen, sondern die Priorisierung zu ändern. Der Autoverkehr sei die drittgrößte CO2-Quelle. „Hier kann man einfacher ansetzen als bei einer Energiewende – es reicht mitunter schon, ein paar Streifen auf die Straße zu malen“, so Blechschmidt.
Nachdem kurz nach dem Bekanntwerden des Bürgerbegehrens die Grünen ihre Unterstützung ankündigten, zog SPD-OB-Kandidat Dirk Wurm am Freitag nach. „Viele der Forderungen stehen auch in unserem Wahlprogramm, also liegt eine Unterstützung nahe“, so Wurm auf einer Pressekonferenz zum Thema Verkehr. Nötig sei ein besseres Radwegenetz entlang von Hauptachsen und – wo dies nicht gehe – auf attraktiven Alternativen. Die CSU äußerte sich eher distanziert zum Radbegehren. Eine Verbesserung der Infrastruktur sei nötig und der Handlungsdruck da, so OB-Kandidatin Eva Weber, sie stehe aber für keine Politik zugunsten nur eines Verkehrsmittels.
Startschuss für die Unterschriftensammlung soll eine Fridays for Future-Demo am Sonntag, 1. März, um 15 Uhr auf dem Rathausplatz sein. Diese Kundgebung wird auf absehbare Zeit wohl die letzte derartige Demo in Augsburg sein, wie Blechschmidt am Rande der Fahrradbegehrens-Vorstellung ankündigte. Über ein Jahr nach dem Start der Kundgebungen und den wöchentlichen Sitzungen bis Mitternacht seien die Schüler mit ihren Ressourcen am Ende, so Blechschmidt. Es sei unverständlich, dass Minderjährige für die Einhaltung der Pariser Klimaschutzvereinbarung demonstrieren müssten, die die Regierung unterschrieben habe.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Stefan Krog: Augsburg steht mit dem Begehren nicht alleine
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