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Augsburg: Brennender Ferrari: Wollte sich ein Täter als Diplomat dem Knast entziehen?

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Brennender Ferrari: Wollte sich ein Täter als Diplomat dem Knast entziehen?

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    Im Jahr 2015 brannte der Ferrari des jungen Schweizers in Augsburg aus.
    Im Jahr 2015 brannte der Ferrari des jungen Schweizers in Augsburg aus. Foto: Polizei (Archiv)

    Am Abend des 29. Oktober 2014 ging vor dem Großbordell „Colosseum“ in Augsburg-Oberhausen ein Luxusauto mit einem lauten Knall in Flammen auf. Der Ferrari 458 Italia, Neupreis um die 300.000 Euro, brannte vollkommen aus. Schnell war für die Ermittler der Augsburger Kripo klar, dass es sich um Brandstiftung handeln musste. Ein Racheakt aus dem Rotlichtmilieu vielleicht? Angesichts des Tatortes ein nahe liegender Verdacht. Am Ende stellte sich die Tat allerdings als etwas anderes heraus: versuchter Versicherungsbetrug.

    Nidal B., ein damals 19-jähriger Sohn eines wohlhabenden Schweizers, hatte das Auto loswerden wollen. Der Grund: Er wollte die Luxuskarosse nicht mehr haben, sondern künftig lieber ein neueres Ferrari-Modell fahren. Und da er eine spezielle Autoversicherung abgeschlossen hatte, die ihm bei Verlust den vollen Kaufpreis bezahlt hätte, beauftragte er zwei junge Männer, die bei einem gemeinsamen Ausflug nach Augsburg ein Benzin-Nitro-Gemisch auf die Sitze des Ferraris schütteten, es in Brand steckten und sich davonmachten. Im späteren Prozess vor dem Amtsgericht räumten alle Beteiligten die Vorwürfe ein, Nidal B. erhielt eine Bewährungsstrafe von 22 Monaten. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein, und die nun zuständige Jugendkammer des Landgerichtes entschied im Dezember 2015: Nidal B. muss die 22-monatige Haftstrafe ohne Bewährung absitzen.

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    Nidal B. 2015 vor dem Augsburger Amtsgericht: Hier wurde er wegen versuchten Versicherungsbetruges verurteilt.
    Nidal B. 2015 vor dem Augsburger Amtsgericht: Hier wurde er wegen versuchten Versicherungsbetruges verurteilt. Foto: AZ-Archiv

    Angetreten hat der heute 23-Jährige die Strafe allerdings bislang nicht, wie der Spiegel zuletzt berichtete. Dies deckt sich auch mit Informationen unserer Zeitung. Bestätigen möchte das Amtsgericht, in Jugendsachen zuständig für Strafvollstreckungen, dies nicht. Über den „Stand der Vollstreckung“ gebe man keine Auskunft, heißt es. Wie auch immer: Nidal B. tat möglicherweise auch etwas dafür, um nicht ins Gefängnis zu müssen. Denn im Zuge von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I gegen sechs Beschuldigte wegen Betrugs beschlagnahmten die Beamten ein heikles Dokument: einen Diplomatenpass der Republik Guinea-Bissau, der auf den Namen von Nidal B. ausgestellt ist. Guinea-Bissau liegt an der westafrikanischen Küste und zählt zu den ärmsten Ländern der Welt – und zu den korruptesten.

    Ob sich der Schweizer den Pass besorgte, um sich gegen eine mögliche Verhaftung zu wappnen? Man kann es zumindest vermuten. Sein Anwalt, der ihn damals im Augsburger Verfahren vertrat, war auf Anfrage nicht zu erreichen, auch gegenüber anderen Medien gab es bislang keine Stellungnahme des Schweizers oder eines juristischen Vertreters zu dem Komplex.

    Staatsanwaltschaft ermittelt gegen mutmaßliche Passbeschaffer

    Die angesprochenen Ermittlungen richten sich gegen ein dubioses Netzwerk von mutmaßlichen Passbeschaffern afrikanischer Staaten. Im Zentrum: der Profiboxer Mario D. und der Geschäftsmann Stephan W., der zuletzt in die Schlagzeilen geriet, weil er Ex-Tennisstar Boris Becker einen Diplomatenpass der Zentralafrikanischen Republik vermittelt hatte. Mario D. und Stephan W. sind inzwischen verhaftet worden, ebenso ein weiterer mutmaßlicher Komplize. Konkreter Anlass für die Festnahmen der drei Beschuldigten laut Spiegel: Sie sollen einem Fleischgroßhändler gegen Zahlung von 1,5 Millionen Euro Diplomatendokumente der Republik Guinea-Bissau in Aussicht gestellt und ihm zugleich umfangreiche Exportmöglichkeiten nach Afrika versprochen haben. Nach Informationen unserer Zeitung soll der Schweizer Millionärssohn Nidal B. im Februar dieses Jahres rund 500.000 Franken und 300.000 Euro an das Netzwerk gezahlt haben. Als Beschuldigter gilt er in dem Komplex nicht. Er ist nach wie vor auf freiem Fuß. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Erwerber der dubiosen Pässe in dem Fall möglicherweise zu den Betrugsopfern zählen.

    Verwunderlich ist, dass für den Schweizer offenbar nicht nur ein diplomatisches Dokument aus Guinea-Bissau existiert. Afrikanische Medien berichteten zuletzt über einen „Diplomatic Passport Scandal“ aus Gambia, in dem Fall geht es offenbar um gefälschte Diplomatenpässe. Auf einem davon zu sehen: Nidal B., „Ambassador At Large“.

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