Im vergangenen trockenen Frühjahr wüteten drei Brände mitten im Augsburger Stadtwald. Mehrere tausend Quadratmeter Kiefernwald und Schneeheiden wurden durch die Flammen in Mitleidenschaft gezogen, obwohl die Feuerwehr alles tat, um die Feuer im Naturschutzgebiet schnell zu löschen. Die Polizei ging von Brandstiftung aus. Nicht nur Bürger, die im Stadtwald spazieren gehen, waren beunruhigt. "Ich war sehr deprimiert, weil der Waldbrand die ökologisch wertvollsten Flächen betroffen hat", erinnert sich Eberhard Pfeuffer vom Naturwissenschaftlichen Verein für Schwaben. Sein erster Schock wich bald der Neugier. Er beschloss, die Folgen zu untersuchen, und tat sich mit einem weiteren Spezialisten, Klaus Kuhn, zusammen. Nun legen die beiden ihre Ergebnisse vor - kurz bevor im Februar die nächste Schneeheide-Blüte beginnt.
Brände: Augsburgs letzter Urwald ist bedroht
Welches wertvolle Stück Natur auf dem Spiel stand, erklärt Pfeuffer so: Es geht um Augsburgs letzten echten Urwald. Schneeheide-Kiefernwälder auf Flussschotter zählen zu den seltenen, besonders artenreichen und hochgradig gefährdeten Waldformationen Mitteleuropas. Im Stadtwald Augsburg steht der letzte größere Schneeheide-Kiefernwald im Lechtal außerhalb der Alpen. Solche Wälder reichen bis weit in die Vergangenheit kurz nach der letzten Eiszeit zurück, erklärt der Naturforscher. Im Gegensatz zu den landläufigen Nutzwäldern seien sie nicht von Menschen verändert worden.
Zwei der Feuer brachen ausgerechnet im Zentrum des Augsburger Schneeheide-Kiefernwaldes aus. Einen der Brandherde nördlich der Kuhheide zwischen Lech und Schießplatzheide nahmen Pfeuffer und Kuhn fünf Monate lang wissenschaftlich unter die Lupe. Sie untersuchten die Auswirkungen des Feuers auf die Fauna am Beispiel von vier wichtigen Tiergruppen - an Ameisen, Tagfaltern, Käfern und Heuschrecken. Nimmt man sie als Beispiel, kann man einschätzen, wie es insgesamt um den Artenreichtum bestellt ist.
Hat das Feuer der Natur im Stadtwald geschadet oder genutzt?
Eine zentrale Frage war: Hat der Brand die wertvolle Tierwelt bedroht? Oder hat er sie vielleicht gefördert? Grundsätzlich gehen Experten davon aus, dass begrenzte "Naturkatastrophen" auch positive ökologische Folgen haben können. "Wir hatten gehofft, dass wuchernde Gräser und Büsche verbrannt waren und der Wald an dieser Stelle wieder auf seine Anfangsstufe zurückgesetzt wurde", sagt Pfeuffer. Denn eines der schlimmsten Probleme in diesem Naturschutzgebiet ist, dass seltene Pflanzenarten von Allerweltsgrün überwuchert werden und absterben. Auch junge neue Kiefern können ohne ausreichendes Licht am Waldboden nicht keimen.
Als Pfeuffer und Kuhn die Brandstelle betraten, bot sich ihnen ein schlimmer Anblick. Die Stämme der Kiefern waren zum Teil bis in die Krone verkohlt. Unter der verbannten Erdschicht stieß Pfeuffer jedoch auf einen unerwarteten Fund. "Wir waren äußerst überrascht, als ein Ameisenhügel nach dem anderen zutage trat." Die gute Nachricht für den Naturforscher war, dass diese Insekten das Feuer fast schadlos überstanden haben. Die schlechte Nachricht: Die Zahl der Ameisenarten geht im Stadtwald offenbar generell zurück. Von der Großen Kerbameise fanden die beiden Experten am Brandherd nur ein einziges Nest. Sie ist in Bayern vom Aussterben bedroht.
Ähnliche Ergebnisse gab es bei den Käfern, Tagfaltern und Heuschrecken. Auch diese Tiergruppen litten offenkundig nicht nachhaltig unter dem begrenzten Waldbrand, auch wenn das Artenspektrum insgesamt abnimmt. "Bei den Heuschrecken sind alle typischen Zeigerarten für den Stadtwald bereits ausgestorben", sagt Pfeuffer. Positiv für die Schmetterlinge seien jedoch die blütenreichen Heiden in der Nachbarschaft. Von dort können sie nach dem Brand wieder in den Wald zufliegen.
Was die Tiere angeht, gab es mit der neuen Untersuchung keine Hiobsbotschaften. Die Hoffnung der Naturforscher, dass der Waldbrand das wuchernde Grün im Schneeheide-Kiefernwald für längere Zeit vernichtet haben könnte, war allerdings vergeblich. "Die Büsche und Gräser sind in kürzester Zeit wieder gewachsen", so Pfeuffer. Um dieses große Problem im Naturschutzgebiet zu lösen, gäbe es aus seiner Sicht nur eine Lösung: Wanderschäfer müssten mit ihren Herden mitten durch den Stadtwald ziehen, damit die Tiere stark wachsende Gräser wegfressen. Doch das wird in der Praxis nicht möglich sein. Die Bereiche, die es besonders nötig hätten, liegen im Augsburger Trinkwasserschutzgebiet. Dort sind keine Weidetiere erlaubt.
Neue Publikation zu Waldbränden in Augsburg ist zu haben
Der komplette Bericht "Zu den Auswirkungen eines Waldbrandes im Schneeheide-Kiefernwald des 'Stadtwald Augsburg' am Beispiel ausgewählter Tiergruppen" von Eberhard Pfeuffer und Klaus Kuhn ist im neuesten Band des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schwaben zu finden. Auf 140 Seiten wird die Naturforschung in Schwaben von der Donau bis zu den Alpen in zehn Beiträgen von insgesamt zwölf Autoren vorgestellt. Näheres unter www.nwv-schwaben.de/publikationen/berichte,-inhalt/
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