Christian Mögele hatte genug von dem System. Als Bauer sah er sich lange als das letzte Rad im Lebensmittelgeschäft. „Ich bestellte den Acker, erntete die Kartoffel, den Gewinn machten jedoch die Zwischenhändler“, erklärt Mögele. Solange das Fujitsu-Werk in Augsburg voll lief, war er hier Produktmanager im Hauptberuf, seinen Hof führte er nebenher. Im Jahr 2016 machte er Nägel mit Köpfen, schaffte die Kühe ab und stellte das Gemüse auf Bioproduktion um. Seit er von Fujitsu gekündigt wurde, ist er Bauer in Vollzeit.
Um näher am Kunden zu sein, trat er der Genossenschaft Herzstück in Horgau im Kreis Augsburg bei. Zu deren Geschäft in Diedorf fährt Bauer Mögele jetzt seine Kartoffeln, Tomaten, sein Mehl und die selbst hergestellten Nudeln. Ihm gefällt, dass hier ein weitgehend selbst organisierter, regionaler Handel stattfindet, weitab von den üblichen Strukturen der Lebensmittelbranche. „Die Leute kaufen ja sozusagen bei sich selber, bei ihren Nachbarn, dem Bauern aus dem nächsten Dorf ein. Das ist ganz ohne Ideologie einfach sinnvoll“, sagt er.
Corona in der Region Augsburg: Die Hofläden sind voll
Anbieter regionaler Produkte und Kunden kamen am Wochenende beim Regionalvermarkter-Tag im Botanischen Garten zusammen. Insgesamt 22 Aussteller, Bauern, Kooperativen und Projekte. Gibt es seit der Corona-Krise, die durch kleinere Engpässe in den Lieferketten der Supermärkte und Discounter im März und April zeitweise für Unruhe sorgte, mehr Nachfrage nach kurzen Lieferwegen und regionalen Lebensmitteln? „Wir hören von den Bauern, dass ihr Hofladen seit März voll, die Arbeit viel und die Nachfrage sehr groß ist“, bestätigt Ulrich Deuter.
Der Forstwissenschaftler mit Schwerpunkt Ressourcenmanagement und nachwachsende Rohstoffe kümmert sich seit November 2019 um die Vernetzungsarbeit der Öko-Modellregion Augsburg. Seine Stelle wird hauptsächlich vom Landwirtschaftsministerium finanziert. Deuter hofft, dass das Interesse der Verbraucher anhält. „Das Verhalten von uns allen in dieser besonderen Pandemie-Situation hätte das Zeug, statt der globalen die regionalen Strukturen zu verändern und zu stärken.“
Die Genossenschaft Herzstück, zu der Bauer Mögele seine Waren bringt, läuft laut Anja Dördelmann, Gründerin und ehrenamtliche Geschäftsführerin von Herzstück, gut. Auch sie ist von der Krise überrascht worden. „Wir hatten den Diedorfer Laden am 12. März eröffnet. Vier Tage später kam der Lockdown“, erzählt Dördelmann.
Sie ist selbst erstaunt: Das Interesse sei groß, man wachse. Insgesamt 310 Produzenten liefern derzeit insgesamt 51 verschiedene Gemüse- und 16 unterschiedliche Obstsorten, Nüsse, Backwaren, Kuchen, Getreide, Wurst, Käse, Eier und Säfte im Diedorfer Dorfladen ab. Das gesamte Sortiment, auch die regional hergestellten Kosmetika, sind palmölfrei. „Wir bekommen Anfragen von Kommunen, die jetzt Mitglied werden wollen, und Privatleute und Bauern von weiter her rufen an, weil sie Unterstützung und etwas Ähnliches aufbauen möchten“, berichtet sie. Bei einem Umsatz von 60.000 Euro im Monat sei das Ganze jedoch ein "sehr ehrenamtliches" Projekt. Kredite gebe es keine. Bei der Bank habe man abgewinkt: Die Genossenschaft habe ja keine Sicherheiten.
Nach Führungspositionen in München produziert er jetzt regionales Eis
Johannes Felkel produziert Eis. Alle Zutaten sind Bio, keine Treibmittel, keine Emulgatoren, verspricht der Konditormeister. Mit der Regionalität nimmt seine Eis-Manufaktur es sehr genau, manche Kunden werden gar zu Fuß beliefert. Nach Führungspositionen in München sei die vor eineinhalb Jahren eröffnete Manufaktur genau sein Traum gewesen, sagt Felkel. Allerdings brach der Umsatz wegen ausbleibender Veranstaltungen und geschlossener Restaurants jetzt ein. Doch noch gehe es, sagt Deutschlands ehemals bester Jungkonditor. Wenn es kälter wird, setze er eher auf handgefertigte Pralinen und Gebäck und das Weihnachtsgeschäft.
Auch in der Stadt gibt es mit dem Ökosozialprojekt eine Art Genossenschaft. Der Trägerverein besteht seit 2014 und betreibt unter anderem den Laden Solidarische Landwirtschaft (SoLawi) am Oberen Graben in Augsburg sowie acht weitere Verkaufsstellen in den Stadtteilen. Drei Landwirte liefern Ware für die aktuell insgesamt 220 Abonnenten. Für einen Monatsbeitrag von 53 Euro können diese sich einmal in der Woche vorgepackte Lebensmittelpakete abholen. Ohne Zwischenhandel und mit Ehrenamt kommt der Landwirt zu mehr Geld. Und für Kunden sei der Einkauf laut Vorsitzendem Bruno Marcon günstiger als der normale Supermarkt. „Das kommt an.“ Das Interesse sei seit März deutlich gestiegen, stellt er fest, und hofft, dass sich das im Kaufverhalten durchsetzt.
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