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Augsburg/Berlin: Augsburger wird für Betrüger gehalten und von Polizei verletzt

Augsburg/Berlin

Augsburger wird für Betrüger gehalten und von Polizei verletzt

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    Harm Ritter lebt in Fischach und arbeitet in Augsburg. Hier ist er auch Vorsitzender eines Vereins, der sich der Pflege und dem Erhalt amerikanischer Autokultur verschrieben hat.
    Harm Ritter lebt in Fischach und arbeitet in Augsburg. Hier ist er auch Vorsitzender eines Vereins, der sich der Pflege und dem Erhalt amerikanischer Autokultur verschrieben hat. Foto: Lea Binzer

    Harm Ritter hatte seine Großtante länger nicht mehr gesehen. Also dachte er, es sei eine gute Idee, die betagte Dame in Berlin zu besuchen, wo er doch schon gerade in der Stadt war. Ritter, 45 Jahre alt, arbeitet für einen Augsburger Maschinenbauer. Mitte September war er beruflich in der Hauptstadt, wie er schildert. "Ich habe mir vorgenommen, ich rufe mal an und fahre zu ihr", sagt er. An einem Dienstag meldete er sich, sagte, er habe Feierabend und komme jetzt vorbei. Gegen 19 Uhr stand er vor dem Mehrfamilienhaus seiner Großtante im Stadtteil Wilmersdorf. Der Besuch verlief dann allerdings deutlich anders, als Ritter es erwartet hatte - und er hatte massive Folgen.

    Harm Ritter erzählt, er sei im Erdgeschoss einen langen Gang entlanggelaufen und habe am Ende an die Wohnungstür seiner Verwandten geklopft. Eine kurze Zeit sei nichts passiert, dann sei die Wohnungstür aufgerissen worden. Begrüßt worden sei er nicht von seiner Großtante, sondern von Beamten der Berliner Polizei. Die Polizisten hätten ihn rüde zu Boden gerungen, "einer hat mir direkt den Ellenbogen gegen die Schläfe gehauen". Jemand habe dann auf ihm gelegen, berichtet Ritter. Er selbst habe so auf seinem Arm gelegen, dass er ihn nicht habe unter sich hervorziehen können. Als die Beamten den Arm unter ihm hervorgerissen hätten, habe er sofort gespürt, dass in seiner Schulter etwas kaputt gegangen sei, sagt Ritter.

    Augsburger fährt nach Berlin und wird für Trickbetrüger gehalten

    Er habe versucht, zu erklären, dass er ein Verwandter der Frau sei, die er besuchen wolle, sei damit aber zunächst nicht weit gekommen. Er habe gesagt, er sei der Enkel ihrer Schwester. Die Beamten hätten seine Großtante daraufhin aber offenbar gefragt, ob sie einen Enkel hätte, erzählt Ritter – was die Frau verneint habe. Erst, als seine Großtante einen Blick auf ihn habe werfen können, habe sich die Situation aufgelöst. "Sie hat gesagt, hören Sie auf damit, ich weiß, wer das ist, das ist der Enkel meiner Schwester."

    Offenbar beruhte die ganze Situation auf einem Missverständnis. Ritter erzählt, dass seine Großtante, eine 96 Jahre alte Frau, kurz nach seinem Anruf zu ihrer Schwiegertochter gegangen sei, die in derselben Wohnanlage lebt. "Sie hat ihr erzählt, dass der Matthias sie besuchen kommt", sagt Ritter, ein anderer Verwandter der Frau. "Sie ist 96, da kann das passieren." Die Schwiegertochter jedenfalls wurde offenbar hellhörig und rief eben jenen Matthias an, um zu fragen, ob er denn wirklich die 96-Jährige besuchen komme. "Der wusste natürlich von nichts", sagt Ritter, "also haben sie die Polizei gerufen".

    Tatsächlich ist es ein beliebter Trick von Kriminellen, sich als Verwandter von betagten Menschen auszugeben, um in ihre Wohnung zu kommen und sie zu bestehlen oder auf anderem Wege an ihr Geld zu gelangen. Betrüger dieser Art bringen Senioren mit der Enkeltrick-Masche manchmal um ihr komplettes Vermögen. Erst später habe er erfahren, dass seine Großtante schon zwei Mal Opfer von Trickbetrügern gewesen sei, sagt Harm Ritter. Die Schwiegertochter der 96-Jährigen habe vollkommen richtig gehandelt, er mache ihr keinen Vorwurf. Seine Verwandten in Berlin, sagt er, seien durch die ganze Sache am Boden zerstört gewesen.

    Harm Ritter hat Strafanzeige gestellt und einen Anwalt eingeschaltet

    Weniger richtig gehandelt hat aus Ritters Sicht die Berliner Polizei. "Sie hätten über das Telefon meiner Großtante herausfinden können, wer ich bin; sie hätten mich vor Ort fragen können, wer ich bin. Es hätte 1000 Möglichkeiten gegeben, damit umzugehen – aber nicht so." Besonders stört ihn, dass sich keiner der Beamten bei ihm für den Einsatz entschuldigt habe. Die Berliner Polizei bestätigt den Vorfall auf Anfrage, stellt die Situation aber etwas anders dar. In ihrer Schilderung habe Ritter geklopft und sich dabei nach Angaben der Polizisten auch als ein "Matthias“ ausgegeben. "Die Polizeibeamten öffneten daraufhin die Tür, gaben sich laut als Polizisten zu erkennen und nahmen den Mann vorläufig fest", so die Polizei. "Aus Eigensicherungsgründen wurde dieser hierbei zu Boden gebracht und ihm wurde die Handfessel angelegt." Da der Mann über Schmerzen aufgrund der Festnahme geklagt habe, sei ein Rettungswagen der Feuerwehr alarmiert worden, dessen Besatzung ihn vor Ort versorgt habe.

    Betrüger geben sich immer wieder als Verwandte aus und bringen meist ältere Menschen auf diese Weise um Geld.
    Betrüger geben sich immer wieder als Verwandte aus und bringen meist ältere Menschen auf diese Weise um Geld. Foto: Matthias Becker (Symbolfoto)

    Harm Ritter, der in Fischach im Landkreis Augsburg lebt und in Augsburg Vorsitzender des Vereins "American Car Friends Augsburg" ist, sagt dazu, dass er sich sicher nicht als "Matthias" vorgestellt habe und auch nicht wisse, warum er das hätte tun sollen. Er hat Strafanzeige bei der Berliner Staatsanwaltschaft erstattet und einen Anwalt eingeschaltet. Er wolle vor allem, dass für ihn kein Nachteil entsteht, er sei nun erst einmal bis Ende der Woche krank geschrieben. Der Polizeieinsatz jedenfalls war für ihn schmerzhaft. Unter anderem sei das Labrum in der Schulter gerissen, ein Knorpelring, sagt Ritter. Wann er den Arm wieder normal bewegen könne, wisse er nicht. Eigentlich, sagt er, halte er viel von der Arbeit der Polizei. "Schlechte Erfahrungen hatte ich bis dahin noch nie gemacht."

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