Unser aller Leben ist durch die Corona-Epidemie auf den Kopf gestellt. Nicht nur das Wegbrechen von lieben Gewohnheiten, sondern auch existenzielle Sorgen machen ungezählten Menschen zu schaffen. Was macht die Krise erst mit denjenigen Mitbürgern, die ohnehin schon am Rande der Gesellschaft stehen? Ein Überblick:
Suchtkranke: Die Drogen- und Alkoholkranken etwa können nicht mehr das betreute Angebot „Betreff“ am Oberhauser Bahnhof besuchen. Der Cafébetrieb ist eingestellt. Nur telefonische Beratung und „Spritzentausch mit Sicherheitsabstand“ sind noch möglich, weiß Pia Haertinger vom Sozialverband SKM Augsburg, der sich zusammen mit der Drogenhilfe Schwaben um die Klienten kümmert. Vielen bliebe jetzt gar nichts mehr anderes übrig, als sich in der kleinen Grünanlage beim Oberhauser Bahnhof zusammenzusetzen. „Und dann kontrolliert der Ordnungsdienst und verhängt Bußgelder.“ Für Haertinger ist dies ein Beispiel dafür, wie schwer die Rechtslage manchmal mit der Realität in Einklang zu bringen ist.
Wärmestube in Augsburg trotz Corona geöffnet
Wohnungslose: Der SKM betreut neben den Süchtigen auch Obdachlose und Menschen in prekären Wohnverhältnissen. Für viele von ihnen ist die Wärmestube in der Klinkertorstraße eine wichtige Anlaufstation – die weiterhin in reduziertem Umfang geöffnet hat. Anstelle des gemeinsamen Essens gibt es dort jetzt ein Lunchpaket. Um den Publikumsverkehr möglichst gering zu halten, bekommen darüber hinaus Klienten mit Wohnadresse bei Bedarf ein Lebensmittelpaket geliefert. Um die diversen Angebote der Wärmestube aufrechterhalten zu können, sind laut Haertinger Geld- und Lebensmittelspenden möglich. Gefragt sind vor allem Nudeln, Soßen im Glas, Gemüsedosen, Wiener im Glas, Fisch in der Dose, Käse, löslicher Kaffee, Schokolade oder Kekse, Eintopf in der Dose und Päckchensuppen. Die Waren können täglich zwischen 8 und 9 Uhr und werktags zusätzlich zwischen 12 und 15 Uhr beim SKM Augsburg in der Klinkertorstraße 12 im Eingangsbereich abgegeben werden.
Auf diese Hilfe sind auch die Bewohner des städtischen Übergangswohnheims im Rosenauviertel angewiesen. Dort läuft der Betrieb unter der Regie des SKM auch in Zeiten von Corona „mit verschärften Hygienemaßnahmen“ weiter. Das Haus ist mit knapp 90 Männern derzeit nahezu voll belegt, soll aber demnächst etwas gelichtet werden. Ein Teil von ihnen werde in Lechhausen in ein neugebautes Apartmenthaus ziehen.
Dadurch, so Haertinger, sei es nicht nur möglich, die Zweier-Zimmer im Übergangswohnheim teilweise nur mit einer Person zu belegen. „Wir können dann auch leichter einen isolierten Bereich einrichten, sollte dort ein Corona-Fall auftreten.“
Strafentlassene: Die Pandemie ist auch bei der Diakonie in Augsburg das Thema schlechthin. Etwa im Bodelschwingh-Haus, das unter anderem strafentlassenen Männern für einen begrenzten Zeitraum ein Dach über den Kopf und eine Tagesstruktur bietet. Laut Leiter Harald Eckart sind die Bewohner gehalten, im Haus so gut wie möglich auf Distanz zu gehen. Gruppenangebote seien ebenso gestrichen wie Besucher. Auch wenn der Betrieb aufrechterhalten werden kann, tut sich im Bodelschwingh-Haus ein besonderes Problem auf: „Bewohner, die jetzt eigentlich in eine Nachfolgeeinrichtung, etwa eine Suchtklinik, wechseln sollten, dürfen nicht ausziehen“.Dadurch blieben dringend benötigte Plätze belegt. „Wir können nur noch die aufnehmen, die eine feste Zusage haben“, sagt Eckart.
Corona beeinflusst Alltag in Obdachlosenheimen
Frauen: Obdachlosen Frauen steht seit 2018 in Pfersee ein eigenes Übergangswohnheim mit rund 20 Plätzen zur Verfügung. Betreut werden sie vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF). Auch hier prägten Desinfektionsmittel und Abstandsgebote den Alltag, sagt Mitarbeiterin Astrid Mittelstedt. Und auch die Sorge, was die Umstrukturierung der Augsburger Tafel für ihre sich selbst versorgenden Bewohnerinnen bedeutet.
Tafel arbeitet mit Hilfe der Stadt Augsburg trotz Corona weiter
Die Augsburger Tafel ist in der kommenden Woche geschlossen. Mit Unterstützung der Stadt und zusätzlichen Helfern wollen die Ehrenamtlichen des Vereins ab 7. April für die 4000 Klienten die Ausgabe von Lebensmitteln an den üblichen Stellen fortsetzen. Die Bedürftigen können sich die Waren nicht aussuchen, sondern bekommen eine bereits gefüllte Tüte oder ein Päckchen. Um diese ausreichend bestücken zu können, sollen in der aktuellen Notsituation ausnahmsweise Lebensmittel dazugekauft werden.
Kartei der Not: Mit im Boot ist hier unter anderem das Leserhilfswerk der Mediengruppe Pressedruck. Bei der Kartei der Not treffen bereits Hilferufe in Zusammenhang mit der Coronakrise ein. Wie Geschäftsführer Arnd Hansen sagt, wurden deshalb die Notfallhilfen, die über soziale Beratungsstellen laufen, aufgestockt. „Auch wenn neue Projekte entstehen, sind wir da, um diese zu unterstützen.“ Hansen bittet die Hilfesuchenden darum, die bewährte Vorgehensweise einzuhalten und den Antrag auf Unterstützung nicht selbst, sondern über eine soziale Beratungsstelle zu stellen.
Kartei der Not unterstützt in Notfällen
Schulden: Vermieter, Gläubiger, Banken – sie alle wollen, dass die finanziellen Verbindlichkeiten bedient werden. Doch das kann nicht beziehungsweise kann wegen der Coronakrise nicht mehr jeder. Die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle der Caritas stellt nach wie vor Bescheinigungen aus, damit die Betroffenen bei ihrer Bank ein Pfändungsschutzkonto einrichten können. Das Augsburger Team bietet zwar momentan für diese und andere Fragen keine Beratungstermine in seinen Räumen an. Eine Kontaktaufnahme unter der Mailadresse: schuldnerberatung@caritas-augsburg-stadt.de oder telefonisch unter 0821/57048-34 sowie-35 oder -36 ist aber weiterhin möglich.
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