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Augsburg: Bayern ist den Doppel-Polizistenmörder los

Augsburg

Bayern ist den Doppel-Polizistenmörder los

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    Der zweifache Polizistenmörder Rudolf Rebarczyk in Häftlingskleidung im Landgericht Augsburg.
    Der zweifache Polizistenmörder Rudolf Rebarczyk in Häftlingskleidung im Landgericht Augsburg.

    Er ist einer der schlimmsten Verbrecher, die Augsburg hervorgebracht hat. Gut zwei Jahrzehnte hat der zweifache Polizistenmörder Rudolf Rebarczyk, 60, schon in bayerischen Gefängnissen verbracht. Und wahrscheinlich sitzt er bis zu seinem Lebensende. Doch seit einiger Zeit hat er eine Zelle in einem anderen Bundesland. Nach Recherchen unserer Zeitung sitzt Rebarczyk jetzt in der Justizvollzugsanstalt von Diez an der Lahn in Rheinland-Pfalz. Er ist sozusagen Teil eines Gefangenen-Austauschprogramms.

    Es gibt weithin unbekannte Vereinbarungen zwischen den Landesjustizverwaltungen, die einen Austausch von Häftlingen vorsehen. Der Wechsel kann persönliche Gründe haben, wenn der Gefangene familiäre oder sonstige enge soziale Kontakte in einem ganz anderen Teil Deutschlands hat. Werner Mazurek zum Beispiel, der Entführer der kleinen Ursula Hermann, beantragte nach Jahren in bayerischen Gefängnissen eine Verlegung in seine norddeutsche Heimat. Die wurde bewilligt, Mazurek sitzt heute in der JVA Lübeck.

    Manchmal erfolgt der Austausch von Häftlingen aus Sicherheitsgründen. Wenn die Justizbehörden zum Beispiel Hinweise haben, dass einer einen Ausbruch plant oder sich mafiöse Strukturen bilden, dann schicken sie gerne mal einen Drahtzieher weit weg. Im Gegenzug kann das Bundesland, das den Verbrecher aufnimmt, einen loswerden. Sehr oft geschieht das freilich nicht.

    Rheinland-Pfalz wollte gefährlichen Gewaltverbrecher eine "Luftveränderung" zukommen lassen

    Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth

    Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.

    Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.

    Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.

    Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.

    Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.

    Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.

    Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.

    Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.

    Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.

    Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.

    Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.

    Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.

    Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.

    Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.

    Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.

    Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.

    Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.

    Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.

    August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.

    Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.

    21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".

    August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.

    September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.

    November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.

    Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.

    September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.

    Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.

    Damit aber alles schön ausgeglichen bleibt, wird darauf geachtet, dass die Straftäter in etwa von vergleichbarer „Qualität“ sind. Im Fall von Rudolf Rebarczyk ist die Initiative offenbar von Rheinland-Pfalz ausgegangen. Das Land wollte einem gefährlichen Gewaltverbrecher, der bereits einen Fluchtversuch unternommen hat, dringend eine „Luftveränderung“ zukommen lassen. Die rheinland-pfälzische Landesjustizverwaltung fragte bei den bayerischen Kollegen an. Dort studierte man Personalakten.

    Und am Ende kam Bayerns Justiz auf den Schwerverbrecher Rebarczyk als geeigneten Kandidaten. Der hat schon als 19-Jähriger in Augsburg im Jahr 1975 einen Polizisten erschossen, den Polizeiobermeister Bernd-Dieter Kraus. Rebarczyk wurde zu lebenslang Zuchthaus verurteilt und saß fast 20 Jahre im Gefängnis. 1995 kam er frei. Wenig später begann er, mit seinem Bruder Raimund Mayr Sicherheitstransporte zu überfallen. In der Vorbereitung eines Raubzugs erschossen die Brüder im Oktober 2011 im Augsburger Stadtwald den Polizeihauptmeister Mathias Vieth. Das Urteil für Rebarczyk dieses Mal: Lebenslang mit besonderer Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung.

    Polizistenmörder Rebarczyk gilt als gefährlicher Einzelgänger

    Rebarczyk gilt als gefährlicher Einzelgänger. Er lehnt den Staat und seine Institutionen ab. Mit den JVA-Bediensteten spricht er praktisch nicht. Im Gefängnis soll er Kontakt zu RAF-Terroristen gehabt haben. Eigentlich hätte er nach dem Vollstreckungsplan im bayerischen Hochsicherheitsgefängnis in Straubing sitzen müssen. Er saß aber in Landshut. Denn in

    Im Jahr 1990 gab es dort eine „Knast-Revolte“. Gefangene protestierten gegen die Haftbedingungen, sie kletterten auf das Dach der JVA. Rebarczyk war dabei. Auf dem Dach kam es zu einer Rangelei zwischen ihm und einem Gefängnisbediensteten. Der Polizistenmörder wurde wegen des Vorfalls aus Sicherheitsgründen in die JVA Bruchsal in Baden-Württemberg verlegt. Auch das bereits im Austausch. Anwalt des Polizistenmörders will vor das Bundesverfassungsgericht

    Im Straubinger Gefängnis sitzt Rebarczyks Bruder Raimund Mayr, 62, dessen Lebenslang-Urteil erst neulich rechtskräftig geworden ist. Der parkinsonkranke Mann – der erste Prozess gegen ihn platzte wegen eines angeblich sehr schlechten Gesundheitszustands und daraus resultierender Verhandlungsunfähigkeit – erfreut sich nach Informationen unserer Zeitung hinter Gittern inzwischen wieder guter Gesundheit.

    Die neue „Heimat“ von Rebarczyk ist die größte JVA für Schwerverbrecher in Rheinland-Pfalz. Rund 500 Männer sind dort im geschlossenen Vollzug. Seit 2013 gibt es einen eigenen Gebäudekomplex für die Sicherungsverwahrung.

    Der Freistaat hat den Doppelmörder Rebarczyk aber nicht für immer los. Im Rahmen des „Austauschprogramms“ verpflichtet sich Bayern, Rebarczyk nach geraumer Zeit wieder zurückzunehmen. Für die Vollstreckung der lebenslangen Strafe bleibt zudem weiterhin die Augsburger Staatsanwaltschaft zuständig. Das will und kann Bayern nicht aus der Hand geben. Die Behörden möchten selbst bestimmen, wie es mit einem der schlimmsten Verbrecher des Landes weitergeht.

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