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Augsburg: Autos rasen, Rinder grasen: Wie reagieren die Tiere an A8 auf Lärm?

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Autos rasen, Rinder grasen: Wie reagieren die Tiere an A8 auf Lärm?

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    Joe Engelhardt, 59, ist der Mann, der die über 200 schottischen Hochlandrinder an der Autobahn A8 betreut. Die Tiere sind als lebende Rasenmäher das ganze Jahr im Einsatz. Und das Beweidungsprojekt leistet seit 2011 auch einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz.
    Joe Engelhardt, 59, ist der Mann, der die über 200 schottischen Hochlandrinder an der Autobahn A8 betreut. Die Tiere sind als lebende Rasenmäher das ganze Jahr im Einsatz. Und das Beweidungsprojekt leistet seit 2011 auch einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz. Foto: Silvio Wyszengrad

    Gille steht da. Fliegen schwirren um sein Gesicht, Regen nieselt auf seinen Rücken. Der Bulle wirkt wie ein schwarzer Fels, wuchtig und dunkel, umgeben vom Grün der Wiese. Den sechs Spuren der Autobahn A8 hat er sein Hinterteil hingedreht. Es rauscht. Mal leiser, wenn nur Autos vorbeifahren, mal lauter, wenn ein Lkw vorbeibraust. Auch viele Wohnwagen sind unterwegs. Wo sie wohl herkommen? Wo sie hinwollen? Gille jedenfalls kommt aus Schottland. Enden wird seine Reise beim Schlachter. Dazwischen liegt ein Rinderleben als Naturschützer an der Autobahn.

    An der A8 grasen Rinder

    Wie kam es dazu? Zwischen 2007 und 2010 wurde die A8 zwischen München bis Augsburg von vier auf sechs Spuren erweitert. Weil man in die Natur eingriff, kaufte der Bund Ausgleichsflächen. Landwirtschaftlich intensiv genutzt werden dürfen sie nicht. Man habe die Flächen also begrünt und so naturnah als möglich belassen, erklärt Hermann Wenzel, Geschäftsführer der privaten Betreiberfirma Autobahnplus. Trotzdem muss man das Grün zurückschneiden. Das sollten Tiere statt Maschinen übernehmen, denn das ist gut für die Natur – nachhaltig. Ein Beweidungsprojekt wurde ausgeschrieben, Joe Engelhardt und seine schottischen Hochlandrinder erhielten den Zuschlag. 2011 startete das Weideprojekt.

    205 Tiere grasen zwischen Allach und Augsburg

    Das ganze Jahr über grasen die Tiere nun an der A8 auf den 52 Kilometern zwischen dem Dreieck Allach und Augsburg-West. Die Weideflächen gibt Wenzel mit etwa 150 Hektar an. Das sind etwa 210 Fußballfelder – doppelt so viel, wie der Asphalt einnimmt. Joe Engelhardt hat trotzdem den Überblick, kennt alle seine Tiere, 205 sind es. Im Sommer teilt er sie in bis zu 20 Gruppen ein, zwei oder drei Mal pro Woche ziehen sie um. „Stinknormale Logistik“ sei das, sagt der 59-Jährige, kurze, grau melierte Haare, im linken Ohrläppchen ein kleiner silberner Ring. Er verlädt die Tiere und bringt sie zur nächsten Weide, zur nächsten „Woad“, wie er in niederbayerischem Dialekt sagt. Engelhardt kommt aus Gangkofen bei Landshut. Er spricht anschaulich, ruhig, lächelt breit und oft verschmitzt.

    Gerade sieht er nach einer Gruppe Bullen bei Dasing. Täglich besuchen er und seine Kollegen, angestellt bei der Öko-Firma Benugo in Oberhaching, die Rinder. „Wer Cowboys in Marlboro-Manier erwartet, den muss ich enttäuschen“, sagt Engelhardt: 90 Prozent der Arbeit sei Zäune auf- und abbauen. Er übertreibt etwas, später gibt er zu: „Des is a bissl mehr, als Zaun rum und Tiere reinschmeißen.“ Er trägt Jeans und Poloshirt und statt in Cowboystiefel schlüpft er in grüne aus Gummi. Statt eines Lassos hält er eine Tüte getrockneter Semmeln und einen Striegel. Die Gräser rascheln unter seinen Schuhen, als er über die feuchte Wiese stapft, im Hintergrund das Dauerrauschen der vorbeisausenden Fahrzeuge. Konzentriert man sich, hört man es zirpen. Reiher und Stockenten fliegen auf, ein Frosch hüpft durchs Gras. Kuhfladen bedecken wie kleine, braune Pfützen den Boden. Sie sind Heimat für Insekten und Würmer. Und nicht nur so sorgen die Rinder für Artenvielfalt.

    Rinder helfen, Lebensräume zu schützen

    Engelhardt zeigt auf lange Stängel mit dunkelroten Blütenköpfchen. Wiesenknopf heißt die Pflanze. Sie ist Nahrungsquelle und Paarungsplatz für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling, einen Schmetterling, der vor allem in Deutschland vorkommt: „Wenn er hier ausstirbt, ist er weltweit fast ausgestorben.“ Was das mit den Rindern zu tun hat? Sie fressen die Wiese von November bis Mai „tabula rasa“. Das ist gut für bestimmte Ameisen, die wiederum die Raupen des Schmetterlings füttern, bis sie sich verpuppen. Dafür ist das Sekret der Raupen „das Kokain für die Ameisen“ – das törne sie an.

    Die Rinder helfen, Lebensräume zu erhalten. Selbst seine artenärmste Fläche sei artenreicher als andere Wiesen, sagt der Rinderzüchter. Das Beweidungsprojekt sei einzigartig. Andernorts setzt man auf Schafe, doch die trampeln laut Engelhardt die Wiesen zusammen. Rinder fressen sauberer ab, erst die Gräser, dann die Blüten.

    Wenn es zum Metzger geht, tut ihm das leid

    Schon vor 30 Jahren war der Regionalentwickler auf die Tiere gestoßen, als er begann, Saatgut aus Naturschutzgebieten zu gewinnen und Ausgleichsflächen zu begrünen. Was übrig blieb, verfütterte er. Dabei merkte er, dass Hochlandrinder die genügsamste Rasse und die besten Verwerter sind. Und deren natürliches Herdenverhalten zu beobachten, sei gigantisch, schwärmt er.

    Begibt er sich zu ihnen, meidet er Konkurrenzsituationen. Menschen meinen oft, sie müssten die Ranghöchsten sein. „Aber ich habe keine Hörner und keine 500 Kilo.“ Er sei eher ein „positiv besetztes Weideaccessoire“, bringe Leckerli und Streicheleinheiten. Nur einmal im Leben müsse er ihr Vertrauen missbrauchen, sagt er mit etwas Schmerz in der Stimme. Wenn es zum Schlachter geht. Das tut ihm dann schon leid. Aber so ist das eben. Immerhin werden seine Tiere bis zu 14 Jahre alt, eine Milchkuh im Stall sechs.

    Er beginnt, Gille zu striegeln, dessen Rücken ihm bis zur Brust reicht. Der Zuchtbulle ist ein Originalimport aus Schottland, Jahrgang 2009. Sein Name bedeutet auf Gälisch „Junge“. Eine Tonne wiegt er. Die 40-Tonner im Hintergrund beeindrucken ihn nicht. Die Tiere weichen dem Lärm nicht aus, hat Engelhardt beobachtet. Und die Schadstoffe verteilten sich in der Luft, egal ob fünf oder 500 Kilometer weg, sagt er. Regelmäßig untersucht er seine Rinder, die anfangs manche Autofahrer irritierten. Es gab besorgte Anrufe: „Da stehen Rinder auf der Straße“, erzählt Hermann Wenzel von Autobahnplus, aber das habe sich schnell eingespielt. Jetzt sei es eher so: „Alle wollen die Rinder sehen.“

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    Die Autobahn A 8 ist eine der wichtigsten Ost-West-Verbindungen in Mitteleuropa. Güter werden transportiert, Pendler fahren zur Arbeit, Urlauber steuern ihre Ferienziele an. Die A 8 ist auf 100 Kilometern eine der Lebensadern in Bayerisch-Schwaben. Schon 1938 eröffnet, ist sie seit 2015 auf sechs Spuren ausgebaut und als eine der ersten Autobahnen als Public-private-Partnership finanziert. In unserer Sommer-Serie rücken wir „unsere“ Autobahn einmal näher in den Fokus: Was passiert da so alles auf der Autobahn und nebendran? Wie leben Menschen an der Autobahn? Wer arbeitet dort? Lassen Sie sich überraschen.

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