Die roten Nahverkehrszüge der Deutschen Bahn werden am Augsburger Hauptbahnhof künftig wohl kaum mehr zu sehen sein: Der Nahverkehr Richtung München, Donauwörth und Ulm wird nach einer Entscheidung des Freistaats künftig wohl nicht mehr von der DB, sondern von der Go-Ahead-Verkehrsgesellschaft, einem Ableger der britischen Go-Ahead-Group, betrieben werden. Umstellungstermin ist voraussichtlich der Dezember 2022.
Damit hat die Deutsche Bahn alle Nahverkehrsnetze rund um Augsburg verloren, nachdem Ammerseebahn (Richtung Weilheim) und Paartalbahn (Richtung Aichach/Ingolstadt) bereits von der Bayerischen Regiobahn (BRB) mit ihren weiß-blau-gelben Triebwagen betrieben werden und dafür auch den Zuschlag nach 2022 bekommen sollen. Ab Sonntag, 9. November, werden auch noch die Züge auf dem Lechfeld Richtung Bobingen/Schwabmünchen von der BRB gefahren.
Go Ahead fährt künftig auch von München nach Lindau
Welche Folgen der sich abzeichnende Betreiberwechsel beim Fugger-Express im Zuge der turnusgemäßen Ausschreibung für die Fahrgäste genau haben wird, ist noch unklar. In Sachen Qualität – also Dingen wie Sauberkeit oder Zustand der Ausstattung – liegen Privatbahnen laut jährlich veröffentlichter Rangliste des Freistaats häufig vor der DB. Die BRB schnitt bisher immer recht gut ab, zu Go Ahead gibt es noch keine Daten. Das Unternehmen wird 2019 in Baden-Württemberg an den Start gehen. Ab 2021 wird Go Ahead den Zugverkehr zwischen München und Lindau bedienen.
Doch aus Pendlersicht sind andere Qualitätskriterien viel maßgeblicher, speziell auf der München-Strecke. Dort gibt es seit Jahren Klagen über zu volle Züge (zuletzt besserte sich die Situation) und unpünktliche Züge – doch allein der Betreiberwechsel wird daran wohl nichts ändern. Die DB, seit der Liberalisierung ein Betreiber unter vielen, setzt das um, was vom Freistaat an Nahverkehrsleistungen bestellt wird. Allerdings gab es vom Fahrgastverband Pro Bahn in der Vergangenheit durchaus die Kritik, dass die DB beim Fugger-Express zu wenig Ersatzfahrzeuge in der Hinterhand habe, um Zugausfälle kurzfristig kompensieren zu können. Ende Oktober hatte sich die Situation wegen vorübergehender Fahrzeugausfälle wieder einmal so zugespitzt, dass Pendler sich bei einigen Zügen schwer taten, noch einen Platz zu finden.
Weil die Bayerische Eisenbahngesellschaft, die den Schienennahverkehr im Auftrag des Freistaats koordiniert, noch eine zehntägige Wartefrist bis zum endgültigen Zuschlag einhalten muss, handelt es sich bis zum 18. Dezember formal um ein laufendes Vergabeverfahren. Darum schweigt der Freistaat noch zu den genauen Inhalten der Sieger- angebote. Unklar ist zum Beispiel, mit welchen Zugmodellen Go Ahead fahren möchte.
Für Pendler sind Verbesserungen und Verschlechterungen absehbar
Nicht betroffen von der Ausschreibung ist grundsätzlich die Infrastruktur. Gleise, Bahnhöfe und Stellwerke auf den betroffenen Strecken gehören weiterhin der DB Netz und DB Station, die für die Benutzung durch Bahnunternehmen Geld von diesen bekommen. Auch auf die Fahrpreise wird sich der Betreiberwechsel nicht direkt auswirken. Beim Angebot wird es aber Verbesserungen für die Fahrgäste geben – allerdings kommen diese zumindest zum Teil unabhängig vom Betreiberwechsel. In der Ausschreibung hatte der Freistaat schon deutlich gemacht, dass er auf der viel befahrenen Strecke nach München eine Erhöhung der Sitzplatzkapazitäten wünscht, die teils durch den Einsatz von Doppelstockwagen erreicht werden könnte. Mitunter ist offenbar der Einsatz von Zügen mit 1000 Sitzplätzen vorgesehen. Zudem soll die Pünktlichkeit erhöht werden, indem für Züge in München längere Wendezeiten eingeplant werden. Damit soll sichergestellt werden, dass sich einmal eingefahrene Verspätungen nicht den ganzen Tag durch den Zugverkehr ziehen. Auch eine Taktverdichtung an Samstagen ist im Gespräch.
Die Pünktlichkeit beim Fugger-Express ist seit Jahren ein Thema. Sie lag im vergangenen Jahr bei 90,7 Prozent – somit kam fast jeder zehnte Zug zu spät (als Verspätung zählen Verzögerungen ab fünf Minuten). Eisenbahnunternehmen können das aber nur zum Teil selbst steuern. Ein Beispiel: Die Deutsche Bahn setzt inzwischen beim Fugger-Express zusätzliches Personal ein, um die Wendezeiten in München im Fall von Verspätungen verkürzen zu können – doch ein nicht geringer Teil der Verspätungen kommt gar nicht daher, dass es bei den Nahverkehrszügen Probleme gibt, sondern weil etwa ein verspäteter Fernverkehrszug Vorrang bekommt und ein Gleis belegt. Darum wird auch Go-Ahead auf der München-Strecke – einer der am dichtest befahrenen Strecken in Deutschland – keinen leichten Stand haben.
Hinzu kommt, dass mit Fertigstellung von Stuttgart 21 samt der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm (die Bahnstrecke soll Ende 2022 fertig sein, der Bahnhof 2025), auf der Achse München-Stuttgart mit deutlich mehr Fernverkehrszügen zu rechnen ist. Das sorgt für eine bessere Anbindung der Region, bringt aber auch Nachteile. Denn solange es das geplante eigene Nahverkehrsgleis in Richtung Dinkelscherben nicht gibt, wird der Fernverkehr den Nahverkehr verdrängen. Die Folge werden Fahrzeitverlängerungen sein, weil Pendlerzüge teils in den Bahnhöfen warten müssen, um Fernzüge überholen zu lassen. Auch mehr Verspätungen sind absehbar.
Die Vergabe an Go Ahead soll formal am 18. Dezember fix gemacht werden. Allerdings ist es möglich, dass die DB versuchen wird, gegen die Vergabe rechtlich vorzugehen.
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