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Augsburg: Augsburger Klimacamp will Protest ausweiten: "Sprösslingscamps" geplant

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Augsburger Klimacamp will Protest ausweiten: "Sprösslingscamps" geplant

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    Ein zeitlich befristetes Klima-Protestcamp befindet sich nun am Augsburger Rathausplatz. Initiatoren sind die Aktivisten des nahen Klimacamps.
    Ein zeitlich befristetes Klima-Protestcamp befindet sich nun am Augsburger Rathausplatz. Initiatoren sind die Aktivisten des nahen Klimacamps. Foto: Bernd Hohlen

    Mitten auf dem Rathausplatz haben die Aktivisten einen kleinen Stand aufgebaut, ein paar Holzpaletten, ein paar Bierbänke, Flaggen und Spruchbänder, mehr nicht. Es ist am Samstag kaum jemand draußen unterwegs, wegen der Corona-Einschränkungen, aber wohl auch wegen des frostigen Wetters. Ab und an bleibt trotzdem jemand stehen und fragt, was es mit alldem auf sich habe. Es gehe um den nahen Lohwald, erklärt ein junger Mann einem Fußgänger, der ihn angesprochen hat. „Sie Sie vom Klimacamp?“, fragt der Fußgänger. „Genau“, sagt der junge Mann. Die Aktivisten kennt man mittlerweile in der Stadt, sie sind ja auch schwer zu übersehen, wenn man am Rathausplatz ist. Seit einem halben Jahr haben sie am Fischmarkt neben dem Rathaus ihre Zelte aufgeschlagen. Nun planen sie neue Aktionen.

    Das Augsburger Klimacamp will mit "Sprösslingscamps" in Augsburg über Themen zum Klimawandel informieren.
    Das Augsburger Klimacamp will mit "Sprösslingscamps" in Augsburg über Themen zum Klimawandel informieren. Foto: Annette Zoepf (Archivbild)

    Dafür haben sie direkt auf dem Rathausplatz und nur wenige Meter vom eigentlichen Protestcamp entfernt den kleinen Stand aufgebaut, den sie „Sprösslingscamp“ nennen. Mit dem wollen sie speziell auf die Zerstörung der Wälder aufmerksam machen und auch gegen eine geplante Waldrodung in Meitingen im Landkreis Augsburg protestieren. Dort wollen die Lechstahlwerke wachsen, wofür ein Drittel des angrenzenden Lohwaldes gerodet werden soll, in dem seltene Tier- und Pflanzenarten hausen. Ein Thema, das lokale Bürgerinitiativen seit Monaten umtreibt. Es geht beim zweiten Camp der Klimaaktivisten am Rathausplatz allerdings nicht nur um den Lohwald, sondern grundsätzlich um das Thema Waldschutz. Viel zu oft, so der Tenor bei einer Pressekonferenz am Rathausplatz, würden Wälder in Deutschland für Straßen und Fabriken gerodet.

    Die Chronik des Augsburger Klimacamps

    Am 3. Juli 2020 beschließt die Bundesregierung das Kohleausstiegsgesetz. Was nach einem Grund zur Freude für Klimaaktivisten klingt, ist es nicht. Für Vertreter von Organisationen wie etwa Fridays for Future ist das Gesetz viel zu lasch. In Augsburg protestieren die Aktivisten heftig.

    Anfang Juli besetzen sie kurzzeitig das Rathaus und werden dort von der Polizei mit einem großen Aufgebot verdrängt. Zudem eröffnen sie das Klimacamp auf dem Fischmarkt. Zunächst wollen sie nur kurze Zeit bleiben...

    ... doch dann nimmt die Geschichte Fahrt auf. Das Camp ist spontan entstanden, gleich am ersten Tag finden sich Dutzende Menschen dort ein. Aus wenigen Tagen wird schnell eine ganze Woche, die die Aktivisten am Rathaus campieren.

    Angemeldet ist das Lager von Beginn an als öffentliche Versammlung, geschützt durch das Grundgesetz und die Versammlungsfreiheit. So ganz geklärt ist der Status des Camps jedoch noch nicht.

    Schon in der zweiten Woche seines Bestehens versucht die Stadt Augsburg das Klimacamp zu räumen. Am 10. Juli kommt sie zu dem Entschluss, dass die "Versammlungsmerkmale" nicht mehr gegeben seien. Sie fordert die Teilnehmer auf, die Versammlung aufzulösen. Doch die spielen nicht mit.

    In der Stadt wird die geplante Auflösung des Camps anschließend heftig diskutiert. Vor allem den Grünen, die als Regierungspartner für den Beschluss gegen die vermeintlichen Verbündeten mitverantwortlich sind, wird von Vielen Seiten Scheinheiligkeit vorgeworfen. Über die Zukunft des Camps soll das Verwaltungsgericht entscheiden, bei dem die Aktivisten einen Eilantrag gestellt haben.

    Bis zur Entscheidung hält die Stadt die Füße still. Nach wenigen Tagen ist klar: Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts war der Beschluss der Stadt rechtswidrig. Damit ist die Zukunft des Klimacamps vorerst gesichert, die Stadt legt keine Beschwerde ein.

    Am 29. Juli erhalten die Augsburger Aktivisten prominenten Besuch: Luisa Neubauer, das Gesicht der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung, ist am Rathausplatz zu Gast. Sie übernachtet im Camp und unterhält sich öffentlichkeitswirksam mit ihren Mitstreitern. Ihr mache Mut, was sie hier erlebe, berichtet sie.

    Mitte August geben die Camper bekannt, dass sie auch über Winter im Lager bleiben möchten. Dazu hoffen sie auf Sponsoren, die sie mit Schlafsäcken für kalte Temperaturen ausrüsten. Zudem teilt die Anwältin der Aktivisten mit, dass sie im Herbst mit einer endgültigen Entscheidung rechnet, ob das Camp rechtens ist. Dann soll die Hauptverhandlung vor Gericht stattfinden.

    Auch nach zwei Monaten und der Rückendeckung des Verwaltungsgerichts fordern Nebenschauplätze die Aktivisten. So beschweren sich Gastronomen über blockierte Zugänge, es kommt zu einer Auseinandersetzung mit AfD-Stadträten und die teils guerillaartigen Aktionen der Aktivisten provozieren einige Augsburger - manche freuen sich jedoch darüber.

    Das neue Camp solle zeitlich befristet sein, heißt es von den Aktivisten, und ein paar Tage, vielleicht eine Woche bestehen bleiben. Angemeldet ist es als Demonstration. Und das Hauptcamp am Fischmarkt? Das wird 2021 wohl noch eine ganze Weile bleiben. Seit Juli harren die mehrheitlich jungen Menschen neben dem Rathaus aus, um für den Klimaschutz zu demonstrieren. Die Aktivisten des Camps, laut eigener Auskunft im Schnitt etwa 17 Jahre alt, halten der Stadt vor, in Sachen Klimaschutz zu zögerlich vorzugehen. Maßstab müsse die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels sein.So sieht es das Parier Klimaabkommen von 2015 vor: Darin ist das Ziel festgelegt, den globalen Temperaturanstieg auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen.

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    Von diesem Maßstab sei Augsburg aber weit entfernt. Das Klimapaket der Stadtregierung, das der Stadtrat im Dezember beschlossen hat, reicht den Klimacampern nicht. Es sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur klimagerechten Stadt, bleibe aber zu unkonkret, hieß es damals von den Initiatoren gegenüber unserer Zeitung.

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    Wie mehrfach berichtet, hat es zwischen der Stadtregierung und dem Protest-Camp seit Juli mehrfach geknirscht. So wollte die Stadt das Camp im Sommer bereits nach zehn Tagen räumen lassen und begründete dies damals damit, dass es sich aus ihrer Sicht um keine vom Versammlungsrecht geschützte Kundgebung mehr handle. Der Räumungsbescheid wurde allerdings später vom Verwaltungsgericht aufgehoben. Die Stadt hat daraufhin angekündigt, in die nächste Instanz ziehen zu wollen, um beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München die Zulassung zur Berufung zu beantragen. Eine Entscheidung steht noch aus.

    Die Aktivisten machten am Samstag deutlich, dass der Protest körperlich wie psychisch anstrengend sei, nicht nur angesichts der winterlichen Temperaturen. Auch fühle man sich von der Politik ignoriert. Dass das Klimacamp ein halbes Jahr dauern müsse, habe niemand erwartet oder erhofft, sagte die 18-jährige Paula Stoffels. Es gebe aber auch viel Unterstützung für das Anliegen, daraus schöpfe man Kraft. Das Protestcamp am Rathausplatz, so sagen es die Aktivisten, werde solange bleiben, wie es nötig sei. Möglich auch, dass es künftig weitere "Sprösslingscamps" gibt.

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