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Augsburg: Alte Stadtbücherei: Wie dieses Abbruchhaus ein zweites Leben erhält

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Alte Stadtbücherei: Wie dieses Abbruchhaus ein zweites Leben erhält

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    Die Alte Stadtbücherei wird im kommenden Jahr abgerissen, gebrauchte Bauteile sollen aber nicht auf der Deponie landen, sondern woanders wieder eingebaut werden.
    Die Alte Stadtbücherei wird im kommenden Jahr abgerissen, gebrauchte Bauteile sollen aber nicht auf der Deponie landen, sondern woanders wieder eingebaut werden. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die Fluchttreppe ist fast neu, das Waschbecken funktioniert noch tadellos und die Zimmertüren aus Sperrholz sind praktisch unverwüstlich. Auch wenn die alte Stadtbücherei an der Schaezlerstraße im kommenden Jahr abgerissen wird, hat sie noch viele gut erhaltene Ausstattungsteile. Normalerweise würden sie auf der Deponie landen. Dafür sind sie eigentlich zu schade. Ein bayernweit neues Pilotprojekt soll nun dafür sorgen, dass gut erhaltene Bauteile gerettet werden können. Das Abbruchgebäude soll praktisch ein zweites Leben bekommen. Wie man das schafft, wollen das Staatliche Bauamt und die Hochschule Augsburg mit einem bayernweit neuen

    Projekt in Augsburg: Gebrauchte Baustoffe sollen nicht verschwendet werden

    Abgerissen und neu gebaut wird in Zeiten des Baubooms sehr viel. Dabei ist der Umgang mit gebrauchten Baustoffen in der Regel sehr verschwenderisch. Das müsse aufhören sagt, Hochschulprofessorin Mikala Home Samsøe und nennt ein drastisches Beispiel. Glas wird aus Sand gemacht. "In anderen Regionen der Welt ist dieser Rohstoff so knapp, dass dafür gemordet wird", sagt sie. Selbst wenn man altes Fensterglas zu Marmeladegläsern weiterverarbeiten wolle, sei dafür viel Energie notwendig. Parallel zur Ressourcenverschwendung gibt es eine andere Entwicklung: Auf vielen Baustellen auch in Schwaben herrscht Materialmangel. Vom Bauholz bis zu Gipskartonwänden seien viele Stoffe knapp, sagt Kathrin Fändrich vom Staatlichen Bauamt Augsburg, betroffen seien davon auch Projekte des Freistaates.

    Aktuell gibt es ein Projekt in Augsburg, bei dem das Bauamt neue Wege gehen will: Die Staats- und Stadtbibliothek platzt aus allen Nähten, sie wird für mehr als 47 Millionen Euro modernisiert und erweitert, auch um wertvolles Archivgut besser zu schützen. Der neue Zwillingsbau neben dem historischen Gebäude der Bibliothek ist an der Stelle vorgesehen, wo jetzt noch die alte Stadtbücherei aus den 1950er-Jahren steht. Letztere wird im Oktober 2022 abgerissen, wobei viele Teile der Ausstattung nun aber nicht auf der Bauschuttdeponie landen sollen. Im Gegenteil: Das Bauamt gibt solche Teile zum ersten Mal zum Verkauf frei. Damit soll ein innovativer Beitrag zur Ressourcenschonung und Energieeinsparung im Bauwesen geleistet werden, so Fändrich. Die Baubranche gilt als großer Verursacher von klimaschädlichen CO2-Emissionen. 14 Prozent dieser Emissionen könne man vermeiden, wenn gebrauchte Baustoffe weiter woanders weiter verwendet würden, rechnen Fachleute vor. Andere Bauherren könnten von dem Angebot profitieren.

    Augsburg: Ein bayernweit neues staatliches Pilotprojekt

    Fändrich spricht von einem bayernweit neuen Pilotprojekt auf einer staatlichen Baustelle. Interessenten für gebrauchte Baustoffe zu finden, sei derzeit allerdings nicht ganz einfach. Deshalb hat man sich Partner ins Boot geholt, die das Vorhaben umsetzen.

    Architekturstudierende der Hochschule Augsburg inventarisieren derzeit gut erhaltene "zirkuläre" Bauteile der alten Stadtbücherei, die sich für einen Einbau woanders eignen - angefangen bei Türen, Fenstern und Böden über Sanitäranlagen und Treppen bis hin zu Vorhangstoffen. Tausende Teile haben sie bereits mit Fotos, Mengenangaben und Zustandsbeschreibung erfasst. Diese Woche soll die digitale Materialdatenbank fertig werden. Die künftigen Architekten und Architektinnen befassen sich damit, wie man graue Energie einsparen kann, so Professorin Mikala Home Samsøe. "Normalerweise gestalten wir neue Lebensräume." Die Branche sei aber auch für die Klimapanne mit verantwortlich.

    Treppen der alten Stadtbücherei zählen zu den zirkulären Baustoffen,  die wiederverwendet werden können
    Treppen der alten Stadtbücherei zählen zu den zirkulären Baustoffen, die wiederverwendet werden können Foto: Bernd Hohlen

    Wie sich Architekturstudierende der Hochschule einbringen

    Die Hochschule und das Staatliche Bauamt arbeiten aber auch noch mit einem dritten Partner zusammen: Dem deutschen Start-up-Unternehmen Concular, das sich auf das Gebiet der Baumaterialienregistrierung, Bereitstellung und Vermittlung von zirkulären und geprüften Bauteilen spezialisiert hat. Die Firma betreibt einen europaweiten digitalen Marktplatz, der professionelle und private Bauherren erreichen soll. David Janotta von Concular sagt, oft würden große Mengen von neuen Baumaterialien vernichtet, wenn zu viel eingekauft worden und die Rückführung zum Händler zu teuer sei. Ökologisch und wirtschaftlich besonders interessant seien jedoch Abbruchgebäude mit Materialien, die von anderen Bauherren wieder verwendet werden können. Nach seinen Angaben kümmert sich das Unternehmen mit weiteren Partnern darum, dass die angebotenen Bauteile sicher sind. Bei Bedarf können sie noch aufbereitet werden. Die Materialien seien mit neuwertigen Baustoffen vergleichbar und in vielen Fällen preisgünstiger als neue Ware, so Janotta. Teile aus der alten Stadtbücherei in Augsburg will er ab November auf der Plattform des Unternehmens anbieten.

    Auch Bauteile wie Türgriffe und Türen werden jetzt in einem digitalen Verzeichnis erfasst und über einen Spezialmakler interessierten Bauherren angeboten.
    Auch Bauteile wie Türgriffe und Türen werden jetzt in einem digitalen Verzeichnis erfasst und über einen Spezialmakler interessierten Bauherren angeboten. Foto: Bernd Hohlen

    "Für uns ist dieses Pilotprojekt ein echter Gewinn", sagt Baudirektorin Fändrich. Ihr geht es nicht nur um den wirtschaftlichen Nutzen, wenn dem Freistaat aus dem Verkauf von Abbruchteilen wieder Geld zufließen sollte. Die Baudirektorin sieht in "zirkulären" Baustoffen auch ein enormes Potenzial beim klimaschonenden Umgang mit Ressourcen. Der Freistaat Bayern verfüge über einen gigantischen Schatz an Liegenschaften. "Wenn alte Gebäude neuen weichen müssen, soll die graue Energie auch genutzt werden", findet sie. Allein das Staatliche Bauamt Augsburg verwaltet 850 Gebäude, bayernweit gibt es rund 25.000 staatliche Bauten. Wenn das Augsburger Pilotprojekt funktioniert, soll es in München im Ministerium vorgestellt werden.

    Auch die Masterstudenten der Hochschule werden weiter am Thema dranbleiben. Sie bekommen die Aufgabe, mit gebrauchten Bauteilen aus der alten Stadtbücherei ein komplett neues Gebäude zu entwerfen.

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