Ahmad Shakib Pouya war Donnerstag Abend bereits am Frankfurter Flughafen, wo er in die afghanische Hauptstadt Kabul hätte ausreisen sollen, als ihn eine Zusicherung erreichte: Der 32-Jährige Afghane darf bis Mitte Januar bleiben. Pouya, der als „Vorzeige-Flüchtling“ gilt, bekam politsiche Rückendeckung. Der ehemalige Minister Thomas Goppel (CSU) hatte bei Regierungspräsident Karl Michael Scheufele und Innenminister Joachim Herrmann interveniert. Mit Erfolg: Pouya darf im Januar bei den Münchner Aufführungen von „Zaide. Eine Flucht“ auftreten und muss Deutschland am 15. Januar verlassen.
Kazim wurde bereits am 14. Dezember abgeschoben. Er war einer der ersten Afghanen, die mit einer Sammelabschiebung mit dem Flugzeug nach Kabul gebracht wurden. Der 23-Jährige war bereits fünf Jahre in Augsburg, lebte in der Gemeinschaftsunterkunft in der Proviantbachstraße, hatte sich gut integriert und wollte Anfang Januar eine Ausbildung zum Lebensmitteltechniker beginnen. Jetzt lebt er in Angst. „Er versteckt sich in Afghanistan. Erst war er in Kabul, dann in Masar-e Scharif. Nirgends fühlt er sich sicher, denn die Taliban wissen auch, dass er so wie ich für die Amerikaner übersetzt hat“, erzählt Mueen Nasrullahi.
"Stempel des Kriminellen aufgedrückt"
Dem 24-Jährigen geht das Schicksal von Kazim nah. „Er lebt in Schande, weil er den Stempel eines Kriminellen aufgedrückt bekommen hat. Dabei hat er sich nie etwas zu Schulden kommen lassen“, sagt er. Kazim wollte es Mueen Nasrullahi gleichtun, der nach einer mehrmonatigen Flucht 2013 nach Augsburg kam. Er hatte Glück und hatte eine Internetverbindung in seiner Unterkunft in Adelsried. „So konnte ich mit Youtube-Videos Deutsch lernen, denn einen Platz in einem Deutschkurs habe ich nicht bekommen“, sagt er. Mueen Nasrullahi paukte Vokabeln und Grammatik und bewarb sich bei vielen Stellen, unter anderem auch bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Augsburg. Josefine Steiger, Leiterin des Projekts „Junge Flüchtlinge in Ausbildung“, gab dem ehrgeizigen jungen Mann eine Chance.
Zuerst absolvierte er im Juni 2015 ein Praktikum, im darauffolgenden September begann er bei der IHK eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement. „Seither wohne ich mit einem anderen Afghanen in einer kleinen Wohnung, bezahle alles von meinem Lehrgeld und bekomme keinen Cent vom Staat“, sagt er. Nasrullahi ist ein in Deutschland anerkannter Afghane. Viele Afghanen werden allerdings bislang nur geduldet und fürchten nun um ihre ungewisse Zukunft.
Ein Drittel der Flüchtlings-Azubis stammt aus Afghanistan
„Diese Entwicklung verunsichert nicht nur die jungen Menschen in Ausbildung oder die, die kurz davor stehen, sondern auch all jene Schüler der Berufsintegrationsklassen im IHK-Bezirk. Betroffen zeigen sich vor allem die Unternehmer, die jungen Flüchtlingen aus Afghanistan eine Chance auf eine Ausbildung gegeben haben oder dies planen“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Peter Saalfrank. Ein Drittel der rund 550 Auszubildenden in IHK-Berufen mit Fluchthintergrund in Schwaben stammen aus Afghanistan. „Wenn im Februar unsere Gespräche für die Ausbildungsstellen im kommenden Jahr beginnen, werden sich die Arbeitgeber zweimal überlegen, ob sie einen Afghanen nehmen. Das ist schade, denn gerade sie sind gut integriert und haben Interesse an praktischen Berufen in den Bereichen Lager, Verkauf, Technik und Küche“, betont Josefine Steiger.
Caritasdirektor Dr. Andreas Magg bedauert ebenfalls, dass ein junger Mann, der bewiesen hätte, dass er sich in unser Land integrieren will, nun einfach in eine unsichere Zukunft ohne Ausbildung geschickt wurde. „Dieses Signal an die Flüchtlinge und Asylbewerber ist fatal.“ Man wisse nun, dass es letztlich nichts nutzen wird, wenn man Deutsch lernt, alles dafür tut, um einen Ausbildungsvertrag zu erhalten. Man könne dann doch zu einem willkürlichen Zeitpunkt abgeschoben werden. „Für alle anderen Afghanen in den Flüchtlingsunterkünften ist das ein Warnsignal, eine Einladung zur Resignation, ein Zeichen der Hoffnungslosigkeit“.
"Die Afghanen werden zu Objekten politischer Willkür"
Der Caritasverband für die Diözese Augsburg e.V. spricht sich gegen die Abschiebungen von Afghanen aus. „So bringt das nichts, weder für die Afghanen, die abgeschoben werden sollen, noch für Afghanistan, auch nicht für Deutschland“, so Magg. Auch das Diakonische Werk spricht sich gegen die Abschiebung von Afghanen aus, so Matthias Schopf-Emrich. „Die Afghanen werden zu Objekten politischer Willkür. Das ist schäbig und moralisch nicht in Ordnung. Wir, Verbände und auch die Kirchen, müssen eine Wächterfunktion übernehmen. Das darf nicht stillschweigend passieren“, sagte er gegenüber unserer Zeitung.
Mueen Nasrullahi kann die Angst der Afghanen, die nicht anerkannt sind, verstehen. „Bevor ich nach Deutschland gekommen bin, war ich mein ganzes Leben auf der Flucht. Nach Afghanistan ist keine sichere Rückreise möglich.“ Für Ahmad Shakib Pouya ist diese Rückreise nur aufgeschoben.
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