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Augsburg: 17 Jahre lang entkam diesem Ermittler kein Mörder

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17 Jahre lang entkam diesem Ermittler kein Mörder

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    Er hat in seiner Laufbahn viele Mordfälle aufgeklärt: Helmut Sporer kam 1976 zur Polizei, seit dem Jahr 2002 leitete er das Kommissariat 1 der Augsburger Kripo. Jetzt geht er in den Ruhestand.
    Er hat in seiner Laufbahn viele Mordfälle aufgeklärt: Helmut Sporer kam 1976 zur Polizei, seit dem Jahr 2002 leitete er das Kommissariat 1 der Augsburger Kripo. Jetzt geht er in den Ruhestand. Foto: Silvio Wyszengrad

    Er hat die Mordfälle, mit denen er konfrontiert wurde, nicht gezählt. Es waren einige. Aber seine Bilanz kann sich sehen lassen. 17 Jahre hat Helmut Sporer das Kommissariat 1 der Kriminalpolizei in Augsburg geleitet. Das „K1“, wie es intern genannt wird, ist das Aushängeschild der Kripo. Die Ermittler hier bearbeiten jene Fälle, die besonders im Blick der Öffentlichkeit sind. Mord, Totschlag, Kindesmissbrauch, Vergewaltigung. In all den Jahren musste Helmut Sporer keinem Angehörigen erklären, dass die Polizei einen Mörder nicht finden konnte. In den vergangenen 17 Jahren haben Sporer und seine Ermittler alle Tötungsdelikte aufgeklärt.

    Zumindest all jene Fälle, die der Polizei bekannt geworden sind. Dass es Morde gibt, die nie entdeckt werden, weiß Helmut Sporer natürlich auch. Dass es Täter gibt, die deshalb davonkommen, könne man nie ganz verhindern, sagt er. Auf die Bilanz, sagt er, sei er stolz. Möglich seien solche Erfolge aber nur, wenn „die ganze Mannschaft gut zusammenarbeitet“. Ende November hatte Helmut Sporer, 61, seinen letzten Arbeitstag. Er ist jetzt im Ruhestand, weg von brutalen Verbrechen und leidenden Opfern. Dass ihm der Abschied aber nicht ganz leichtgefallen ist, liege an dem guten Team, dass er hatte, sagt er. „Deshalb ist auch Wehmut dabei.“

    In seine Zeit als K1-Chef fällt auch der Augsburger Polizistenmord

    In Helmut Sporers Zeit beim K1 fällt der Mord an dem Polizeibeamten Mathias Vieth, 41, im Oktober 2011. „Matze“, wie Freunde und Kollegen ihn nannten, hatte nachts am Kuhsee mit seiner Streifenkollegin zwei verdächtige Männer auf einem Motorrad kontrollieren wollen. Es kam zu einer Verfolgungsjagd, der Familienvater wurde aus dem Hinterhalt erschossen. Es dauerte zwei Monate, bis die Ermittler die Brüder Rudolf Rebarczyk und Raimund Mayr festnehmen konnten. In den ersten Tagen nach dem Mord hatten sie noch keine heiße Spur. Mehrere Verdächtige, die kurzzeitig im Visier der 60-köpfigen Soko waren, mussten rasch wieder freigelassen werden. „Man darf in einer solchen Situation nicht aufgeben“, sagt Helmut Sporer. „Ich muss als Ermittler alles probieren, auch wenn es aussichtslos erscheint.“

    Im Fall des Polizistenmordes sind die Brüder Rebarcyzk und Mayr längst rechtskräftig verurteilt. Ein Geständnis abgelegt haben sie nie. Helmut Sporer ist dennoch fest davon überzeugt, dass die Richtigen verurteilt worden sind. So wie auch in allen anderen Fällen von Mord und Totschlag in seiner Zeit beim Kommissariat 1. „Dass wir die richtigen Täter ermitteln konnten“, sagt Helmut Sporer ohne Zögern, „daran habe ich keinen Zweifel.“ In der Realität laufe es anders als im Fernsehkrimi. Im Fernsehen sei die Suche nach dem Täter meist das Problem. Bei den echten Fällen wisse man als Ermittler meist recht schnell, wer der Täter sein muss. Das Problem ist dann, es so zu beweisen, dass er auch verurteilt wird.

    Kerzen am Tatort des Augsburger Polizistenmordes: Im Oktober 2011 wurde der Polizeibeamte Mathias Vieth im Stadtwald erschossen.
    Kerzen am Tatort des Augsburger Polizistenmordes: Im Oktober 2011 wurde der Polizeibeamte Mathias Vieth im Stadtwald erschossen. Foto: Anne Wall

    Sporer erinnert sich aber auch an Fälle, bei denen die Ermittler sich bereits recht sicher waren, dass sie den Täter haben. Und dann doch noch mal umdenken mussten. Nach dem Mord an der 18-jährigen Nora im Jahr 2007 gab es einen jungen Mann aus dem Umfeld der Getöteten, der ins Raster passte. Auf den ersten Blick ein „idealer Verdächtiger“, wie Helmut Sporer sagt. Doch der Mann war es nicht. Die Ermittlungen ergaben, dass Nora das Zufallsopfer eines 17-jährigen Maurerlehrlings war. Er hatte die Jugendliche vergewaltigt und erwürgt.

    Der Ermittler sagt, man muss auch "das Unmögliche" für möglich halten

    Ende 2016 tötete Waldemar N. seine beiden Nachbarinnen im Gersthofer Ortsteil Hirblingen. Die Ermittler fanden den Ort, an dem er die Leichen vergraben hat.
    Ende 2016 tötete Waldemar N. seine beiden Nachbarinnen im Gersthofer Ortsteil Hirblingen. Die Ermittler fanden den Ort, an dem er die Leichen vergraben hat. Foto: Marcus Merk

    Helmut Sporer sagt, ein guter Ermittler müsse auch „das Unmögliche denken“. Für ihn sei der Giftmord in Königsbrunn so ein Fall gewesen, den er sich vorher nie hätte vorstellen können. Tanja E., 31, stand im Zentrum dieses Falls. Sie hat gemeinsam mit einem Geliebten ihren Ehemann getötet. Mit einem mit Schlafmittel versetzen Milchshake wurde der Mann außer Gefecht gesetzt, dann mit Infusionen von Narkosemitteln in Lebensgefahr gebracht. Tanja E. rief hinterher den Notarzt und spielte, nachdem ihr Mann nach einigen Tagen im Krankenhaus starb, die trauernde Witwe. Der Fall kam nur auf, weil es Skepsis im Umfeld der Familie gab und eine Obduktion der Leiche angeordnet wurde. Die Ärzte im Krankenhaus waren von einem natürlichen Tod ausgegangen. Es sei der „fast perfekte Mord“ gewesen, sagte der Ankläger später im Prozess. Tanja E. und ihr Geliebter waren als Rettungssanitäter aktiv, deshalb wussten sie viel über die Wirkung der Medikamente.

    Wieder anders war es im Fall des Doppelmordes an zwei Frauen im Gersthofer Ortsteil Hirblingen. Hier gab es mit Waldemar N., 31, rasch einen Verdächtigen, aber seine Opfer blieben verschwunden. Beamte suchten die gesamte Umgebung des Dorfes ab. Schließlich war es einem aufmerksamen Polizisten zu verdanken, dem eine Veränderung des Bodens auffiel – an der Stelle, an der Waldemar N. die beiden von ihm offenbar aus Habgier ermordeten Frauen vergraben hatte. Helmut Sporer war als K1-Chef immer wieder in den Medien präsent. Er sagt aber, jede Ermittlung sei nur als Gruppenarbeit erfolgreich. Der Ermittler als „einsamer Wolf“, wie es ihn im Fernsehen gibt, wäre in der Realität aufgeschmissen, sagt Sporer. Ohnehin seien die besten Ermittler meist „ganz normale Durchschnittstypen“. Mit Familie, Freunden, Hobby. Warum das so ist? Sporer glaubt, nur wer privat in einem normalen, stabilen Umfeld lebe, könne die Belastungen dieses Berufs verkraften und verarbeiten.

    Er stritt Seite an Seite mit Alice Schwarzer mit einem Bordellbetreiber

    Auch wenn die Mordfälle in Erinnerung bleiben. Im Alltag haben es die Beamten im Kommissariat 1 auch mit vielen anderen Straftaten zu tun. Vergewaltigungen, der Missbrauch von Kindern, Brandstiftungen. All das wird von den gut 30 Ermittlern im K1 bearbeitet. Auch für Straftaten im Rotlichtmilieu sind sie zuständig. Mit der Prostitution und den Folgen für die Frauen, die in dem Milieu arbeiten, hat sich Helmut Sporer intensiv beschäftigt. Er ist überzeugt, dass durch die Arbeit im Sex-Gewerbe das Leben vieler Frauen zerstört wird. Sporer wurde deshalb zu einem Verfechter einer strengen Regulierung des Rotlichtmilieus. Mit seinen Ideen kam er sogar ins Fernsehen. Er stritt in der Talksendung „Menschen bei Maischberger“ zur besten Sendezeit Seite an der Seite mit der prominenten Feministin Alice Schwarzer mit einem Bordellbetreiber. Für den eher konservativ eingestellten Sporer, der für die CSU im Wertinger Stadtrat sitzt, war das eine ganz neue Erfahrung.

    Der Tatort ist in Friedberg: Horst K., 53, ermordet im Jahr 2015 seine Frau Grace, 37. Er zerstückelt die Leiche und versteckt sie, verpackt in Kisten, in einem Augsburger Lagerhaus. Danach fliegt er nach Thailand. Nach seiner Rückkehr nehmen ihn Polizisten fest, ihnen gesteht er sofort die Tat. Das Urteil gegen ihn: lebenslange Haft.
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    Der Mord an der Zwölfjährigen Vanessa in Gersthofen, ein niedergeschossener Beamter im Stadtwald - welche Mordfälle in den vergangenen Jahren die Region Augsburg bewegt haben.

    Die Kripo ermittelte immer wieder gegen Bordellbetreiber – auch weil die Frauen nach Ansicht der Ermittler schlecht behandelt oder zur Arbeit im Milieu gezwungen wurden. Immer wieder sprachen die Gerichte dafür auch längere Haftstrafen aus. Doch die Bordelle gibt es weiterhin. Eine Niederlage? Nein, sagt Sporer, so dürfe man als Ermittler nicht denken. Die Bordelle achteten inzwischen genauer darauf, wie die Frauen behandelt werden. Es gebe Fortschritte, auch wenn diese nicht immer groß seinen. Diese Botschaft hat Sporer in all den Jahren bei der Kripo auch vermittelt. Man muss die Welt nicht retten. Es ist schon viel erreicht, sie ein klein wenig besser zu machen.

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    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast "Augsburg, meine Stadt" an:

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